Einige Berlinale-Kurzfilme
En Ausencia (Lucia Cedrón, Wettbewerb)
Argentinien 2002, 15 Minuten, mit Ana Celentano
Das bange Warten auf das Ergebnis eines Schwangerschaftstestes verbindet eine junge Frau mit ihren Erinnerungen, wobei die Regisseurin ihre eigenen Eindrücke an den Tod ihres Vaters (im Film ihr Mann) durch die argentinische Junta verarbeitet. Nichtsdestotrotz ein hoffnungsvoller Film, der durch die langsame Entwicklung seiner Geschichte und die zeitliche Einschränkung der Narration gewinnt. Was Regie und Hauptdarstellerin allein aus den Szenen im Badezimmer an innerer Dramatik heruasholen, ist bemerkenswert.
(A)Torzija (Stefan Arsenijevic, Wettbewerb)
Slowenien 2002, 15 Minuten
Der Gewinner des goldenen Kurzfilmbären erzählt unter anderem von einem Tunnel, der zwischen 1992 und 1995 aus dem belagerten Sarajevo führte. Ein Chor, der in Paris auftreten will, wartet darauf, daß der Tunnel freigegeben wird, als wieder in nächster Nähe Geschosse einschlagen. Eine kalbende Kuh wird von den Einschlägen verängstigt und ein findiger Tierarzt regt den Chor an, die Probe in den Stall zu verlegen. Auch hier wird eine Botschaft der Hoffnung verbreitet, doch können weder die Geschichte noch die Inszenierung überzeugen, auch wenn die Kalbsgeburt echt gewesen scheint. Abermals erscheint es, als sei einigen Juroren die politische Botschaft wichtiger als die Qualität des Films.
Utes Ende (Nathalie Percillier, Wettbewerb)
Deutschland 2002, 5 Minuten, Buch: Nathalie Percillier, mit Nathalie Percillier, Lily Besilly, Edna
Einer der deutschen Wettbewerbsbeiträge kommt von der dffb, und auch, wenn die Geschichte ziemlich simpel ist, überzeugt auch dieser Kuhfilm mehr als der Preisgewinner aus Slowenien. Die Regisseurin spielt selbst eine Regisseurin, die sich mit einer widerspenstigen Darstellerin abmühen muß. Die Kuh Edna kommt nicht nur zu spät zu den Dreharbeiten, auch verpasst sie ihren Einsatz und muht nicht, wann sie es soll. Die Darstellerin der Melkerin versucht einzuleiten, und schließlich muht Edna doch wie auf Befehl. Voller Glück lässt die Regisseurin die Rolle der Kuh vergrößern, und die Rolle der Melkerin Ute fällt dafür flach …
Eine absurde Idee wird bis zum konsequenten Ende durchgespielt, und beim Umgang mit der tierischen Actrice zeigt die regisseurin Einfühlungsvermögen bis ans Ende des guten Geschmacks. Ganz nett und unterhaltsam.
Mein Erlöser (Athanasios Karanikolas, Wettbewerb)
Deutschland 2002, 15 Minuten, Buch: Athanasios Karanikolas, Kamera: Felix Leiberg, Schnitt: Monika Weber, mit Jonathan Richter
Den Beitrag der HFF Konrad Wolff kannte ich durch meine guten Beziehungen dorthin (mein Schulfreund Christian wird im Nachspann auch erwähnt) schon im Vorfeld, und beim zweiten Ansehen gewinnt der Film noch an Ausdrucksstärke.
Eine herkömmliche Inhaltsangabe entfällt, weil jeder Betrachter die assoziativ montierten, fast klinisch durchkomponierten Bilder selbst auf sich wirken lassen sollte. Ein Junge allein in einer Wohnung, eine Schildkröte in einem Glas, das von einem kleineren Glas und einer Badewanne abgelöst wird. Ein Mann ohrfeigt den Jungen, der nebenbei auch in einem Chor auftritt. Das dargebotene Lied vom "Erlöser" wird zum Kernstück des Films, der jugendliche Darsteller Jonathan Richter ist eine echte Entdeckung.
Le trop petit prince (Zoïa Trofimova, Kinderfilmfest)Frankreich 2002, Deutscher Titel: Der zu kleine Prinz, 7 Minuten, Buch, Animation: Zoïa Trofimova, Musik: Evgueni Galperine
Ein Junge mit Putzwahn entdeckt, daß auf der Sonne ein Fleck ist. Mit allerlei Tischen, Stühlen, Leitern und Pisspötten auf dem Dach, versucht er die Sonne zu reinigen, was ihm gegen Abend auch gelingt. Zufrieden geht er in sein Haus und verursacht unbeabsichtigt etwas, das aus der Geschichte eine moderne Version der Qualen des Sysyphos macht.
Ein sympathischer Animations-Film, der Zeichnungen im Stil von Philippe Petit-Roulet mit ausdrucksstarken Farben, wie sie von Lorenzo Mattotti stammen könnten, verbindet, und durch eine nette Geschichte, einfach, aber eindrucksvolle Animation und mitreißende Musik daraus einen klassisch anmutenden Zeichentrickfilm macht.
Hinh Bóng (Robin von Hardenberg, Perspektive Deutsches Kino)
Int. Titel: The Shadow, Deutschland 2002, 20 Minuten, Buch: Robin von Hardenberg, Kamera: The Chau Ngo, Szenenbild: Dunja Osiander, mit Minh-Khai Phan-Thi
Ein vietnamesischer Soldat muß in den Krieg ziehen und lässt seine schwangere Frau in einer ärmlichen Hütte zurück. Das Kind wächst heran, und die Mutter ersetzt den Vater mit Schattenspielen. Als der Junge 4 Jahre alt ist, kommt der Vater zurück, doch das Kind lässt sich nicht irreführen, weiß es doch, daß sein Vater immer abends zu Besuch kommt und manchmal noch lange bei der Mutter verharrt, wenn der Sohn schon schläft.
Zwar finde ich es ziemlich unangebracht, wie in "Pigs don't fly" schon wieder einem Eifersüchtigen und Gewalttätigen zusehen zu müssen, aber der Film überzeugt einen trotzdem durch seine klare, zwar tragische, aber auch menschliche Geschichte. Lobenswert ist die Umsetzung einer Phantasie, die die üblichen Studentenfilme überflügelt. Durch eine geschickt ausgeleuchtete Lehmhütte kann man mit einigen vietnamesischen Darstellern fast völlig davon ablenken, wo der Film entstand, nämlich in einem deutschen Studio. Und auch das Vergehen der Zeit wird durch drei unterschiedlich große Kinder überzeugend herübergebracht.