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The Hours
1923: Virginia Woolf schreibt am Anfangssatz ihres berühmten Romans "Mrs. Dalloway". 1952: Die Hausfrau und Mutter Laura Brown liest gerade dieses Buch; 2001: Clarissa wird von ihrem alten Freund, dem Dichter Richard gerne "Mrs. Dalloway" genannt. Nicht nur Richards letzter Roman, auch die Einblicke, die uns der Film in die Leben dieser drei Frauen gestattet, sind sehr von diesem Buch beeinflußt. Jeweils geht es um den Verlauf eines Tages, der das Leben der Frauen nachhaltig verändern wird, und alle drei bereiten eine Party vor.
Der Film beginnt jedoch mit dem Selbstmord der Virginia Woolf 1941. Auch dies ein Element der Geschichte der Mrs. Dalloway und eine weitere Inspiration für die Geschichten der drei Frauen.
Stephen Daldry, der schon bei "Billy Elliot" gerne Parallelmontagen nutzte und am Ende einen Zeitsprung unternimmt, scheint mit dem Buch von Michael Cunningham die perfekte Vorlage gefunden zu haben. Zunächst springt er noch ein wenig prätentiös zwischen den Zeiten hin und her, um an banalen Alltagsbegebenheiten Zusammenhänge festzumachen, doch wenn sich dann die drei Geschichten langsam entwickeln und wie aneinander zu drei Höhepunkten schaukeln, bekommt man schon den Eindruck, daß Daldry genau wußte, was er machen wollte.
Natürlich bekommt er immense Unterstützung von seinen Darstellern, nicht nur von den drei Frauen, bei denen Julianne More darstellerisch herausragt und Nicole Kidman mit ihrem völlig untypischen und subtil veränderten Aussehen verblüfft; auch die zahlreichen Nebendarsteller tragen den Film mit: Selbst Jeff Daniels läuft zu lang vermißter Topform auf, einzig Ed Harris hätte zur Abwechslung mal nicht einen verbitterten AIDS-Kranken spielen brauchen …
Somit funktioniert "The Hours" als narratives Experiment nach literarischer Vorlage ebenso wie als Ensemblefilm der Meisterklasse. man will danach gleich nachlesen, was jetzt eigentlich in "Mrs. Dalloway" passiert und inwiefern auch diese Geschichte wieder zu den anderen in Bezug gesetzt werden kann. Somit überzeugt der Film auf ganzer Linie, auch, wenn die allerletzten Bemühungen noch zusätzliche Verbindungen über die Zeit zu schlagen, ein wenig überanstrengt erscheinen. Aber die Versuchung, zumindest einen Schauspieler als nun nicht mehr fehlendes Glied einzusetzen war wohl zu verlockend, und außerdem stand das sicher schon so im Roman.