Wettbewerb
Auf der Welt
In this World
Während man immer noch darauf warten muß, daß "24 Hour Party People" (lief letztes Jahr in Cannes) vielleicht wenigstens beim Britspotting-Festival mal auf deutschen Kinoleinwänden läuft, hat der neueste, politischere Film von Michael Winterbottom bessere Chancen auf einen deutschen Verleih.
Ein interessantes Experiment: Was lange Zeit wie ein Dokumentarfilm aussieht, verrät sich bei genauer Hinsicht als fiktive Nacherzählung eines exemplarischen Einzelschicksals: Jamal, ein minderjähriger Afghane, will raus aus Pakistan, am liebsten nach Amerika oder zumindest nach London. Gemeinsam mit seinem älteren Cousin Enayat machen sie sich auf den gefährlichen Weg: Quer durch Pakistan, Iran und die Türkei soll es gehen, dann übers Mittelmeer nach Italien, Frankreich, England, Bingo!
Sie zahlen Geld an professionelle Menschenschmuggler, die sie von einer Station zur nächsten weiterreichen, und zwischendurch immer wieder noch etwas dazuverdienen wollen. Wird das Geld reichen, werden sie die Grenzkontrollen passieren, werden sie zumindest überleben oder gar am Ziel ankommen?
Diese Aneinanderreihung von gefährlichen Abenteuern, wie sie auf ähnlichen Routen täglich passieren, schildert Winterbottom mit Hilfe zweier allzu glaubwürdigen Darsteller, die selbst mit der Filmcrew im Schlepptau noch den Argwohn der Grenzer erregten. Jamal und Enayat wandern durch Schneestürme und Wüsten, reisen per Bus, LKW, Schiff, zwischen Apfelsinenkisten und Schafen, in einem bleiernen Container, der ihr Sarg werden könnte, und das alles mit der vagen Hoffnung, daß das Leben in London (ausgerechnet!) eine Art Paradies sein könnte. Ob sie dieses oder ein anderweltiges Paradies finden, verrate ich hier natürlich nicht, wohl aber, daß die Etappen dieser Reise immer wieder neue Hürden offenbaren, daß nicht alle Grenzbeamten sich mit einem Walkman bestechen lassen, und daß dieser Film Winterbottoms sowohl eine stilistische als auch menschliche Höllenfahrt darstellt.
Vielleicht bin ich eine Spur zu abgehärtet oder es lag daran, daß ich einiges schon ähnlich aus Andre Techinés "Loin" kannte, aber auch, wenn mich der Film keineswegs enttäuschte, konnte er mich auch nicht wirklich begeistern, aber ungeachtet einiger an "Wonderland" erinnernder Passagen war das diesmal auch sicher nicht die Absicht des Regisseurs.