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März 2003
Thomas Vorwerk
für satt.org

Frida
USA 2002

Frida (R: Julie Taymor)

Regie:
Julie Taymor

Drehbuch:
Clancy Sigal, Diane Lake, Gregory Nava, Anna Thomas

Vorlage:
Hayden Herrera

Kamera:
Rodrigo Prieto

Schnitt:
Francoise Bonnot

Musik:
Eliot Goldenthal

Darsteller:
Salma Hayek (Frida Kahlo), Alfred Molina (Diego Rivera), Valeria Goline (Lupe Marin), Roger Rees (Guillermo Kahlo), Mia Maestro (Cristina Kahlo), Patricia Reyes Spindola (Matilda Kahlo), Geoffrey Rush (Leo Trotzki), Ashley Judd (Tina Modotti), Diego Luna (Alejandro), Antonio Banderas (David), Edward Norton (Rockefeller)

Kinostart:
6. März 2003

Frida

Die Welt
der Frida Kahlo


Frida (R: Julie Taymor)Julie Taymors vielgerühmtes Filmdebüt, die Shakespeare-Adaption "Titus" mit Anthony Hopkins und Jessica Lange, ist in deutschen Landen leider nahezu unbekannt. Vielleicht ändert sich das nach dem Kinostart dieser Biographie der mexikanischen Malerin Frida Kahlo. Deren Darstellerin, die aus Rodriego-Filmen bekannte Salma Hayek, soll auch eine der treibenden Kräfte hinter der Produktion gewesen sein, und man muß ihr attestieren, daß ihre Darstellung der Künstlerin vom Schulalter bis zu ihrem Tod im Alter von 47, sich nicht nur durch das visuelle Markenzeichen des Filmplakats (die zusammengewachsenen Augenbrauen) auszeichnet. Hayek verkörpert die Vitalität einer gebrochenen Figur ebenso gekonnt wie die Hass-Liebe zu ihrem Mann, die das Zentrum der filmischen Erzählung darstellt. Frida (R: Julie Taymor)

Doch das Bemerkenswerte an dem Film ist die visuelle Umsetzung der Welt der Frida Kahlo. Mitunter mag man kritisieren, wie der Film die Visionen der Künstlerin gleichsam als erfahrbare Stationen ihres Lebens nachzeichnet, was den Schaffensprozeß natürlich simplifiziert, aber wenn man in einen Film geht, um etwas über eine Künstlerin zu erfahren, erwartet man wohl auch irgendetwas derartiges. Und ungeachtet der umstrittenen Herangehensweise sind diese Momente neben der Liebes- und Erfolgsgeschichte, den Affären und Eifersüchteleien das Herzstück des Films.

Bei der ersten dementsprechenden Szene, einem Busunfall, entstehen die Bilder noch aus der Realität. Goldstaub, ein Käfigvogel und zerberstendes Glas komponieren eine ästhetisierte Version des prägenden Augenblicks in Fridas Leben, die Grenzen zum Naturalismus verwischen erstmals, und wenn sie später in einem Krankenhaus wieder erwacht, folgt die meines Erachtens schönste Szene des Films. Frida (R: Julie Taymor)

Wer hätte gedacht, daß die Brüder Quay, neben Jan Svankmayer wahrscheinlich die bekanntesten Underground-Animatoren der letzten zwanzig Jahre, ausgerechnet (von einigen kurzen Tricksequenzen bei MTV mal abgesehen) in einer Buena Vista (aka Disney)-Produktion mal einem Millionenpublikum vorgestellt werden? Die grotesk verzerrten Gestalten, irgendwo zwischen den traditionellen Skeletten des mexikanischen Totentages und den Zeichnungen eines Max Andersson oder Dave McKean, illustrieren treffend den Schmerz und die Angst der jungen Frau, deren Leben sich durch den Unfall entscheidend ändern wird.

Später gibt es noch viele ähnliche Visionen, etwa eine konstruktivistische Collage zur Darstellung des New York-Besuchs, oder eine von King Kong inspirierte Stummfilmpassage, die wie die Weibliche Version der entsprechenden Sequenz in Almodovars "Hable con ella" erscheint. Und immer wieder sehen wir die Bilder von Frida Kahlo, wie sie angeblich aus ihrer Sicht entstanden, darunter besonders augenfällig "Die beiden Fridas", "Das Hochzeitsporträt", "Da hängt mein Kleid" oder "Selbstbildnis mit abgeschnittenem Haar".Frida (R: Julie Taymor) Wie beiläufig entstehen diese Bilder aus dem Fluß der Narration, plötzlich stellt man fest, daß sich manche Personen nicht bewegen und wie Pappkameraden erscheinen, und selbst, wenn man diesen für den Zuschauer vereinfachten Schaffensprozeß kritisieren will (wie bereits angesprochen), muß man anerkennen, daß Frau Taymor und ihrem Team diese Visualisierungen gelungen sind.

Inwiefern die Liebesgeschichte von Frida und Diego eine ebenbürtige Faszination evozieren kann, bleibt jedoch fraglich. Trotz der gelungenen Darstellung durch Hayek und Molina, unterstützt durch Nebendarsteller wie den überragenden Robert Rees als Fridas Vater oder die energische Valeria Golina als Diegos erste Frau Lupe zerfällt der Film gegen Ende ein wenig wie das Leben der Frida Kahlo. Frida (R: Julie Taymor)Winzrollen von Antonio Banderas oder Edward Norton können dem Film keine neuen Impulse verleihen, und insbesondere Geoffrey Rush als Leo Trotzki erscheint unfreiwillig komisch, geradezu parodistisch in seinem selten blöden Akzent (in der Originalversion, ausnahmsweise mag die Synchronfassung etwas gerettet haben).

Doch wie die Bilder von Frida mag die Faszination des Films auch daran liegen, daß eben manche Elemente etwas sperrig bis unangebracht erscheinen, dem Gesamtwerk aber eine zusätzliche Individualität verleihen. Und für eine große Hollywood-Produktion ist dieser Film stellenweise bewundernswert experimentell und kontrovers, ohne das breite Publikum, das man diesem Film wünschen mag, vor den Kopf zu stossen.