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März 2003
Benjamin Happel
für satt.org

Verführung: Die grausame Frau
BRD 1985

Verführung: Die grausame Frau (R: Elfi Mikesch, Monika Treut)

Buch
und Regie:
Elfi Mikesch, Monika Treut

Nach Motiven des Romans "Venus im Pelz" von Leopold von Sacher-Masoch

Kamera:
Elfi Mikesch

Schnitt:
Renate Merck

Musik:
Marran Gosov

Darsteller:
Mechthild Grossmann, Udo Kier, Sheila McLaughlin, Carola Regnier, Peter Weibel, Georgette Dee Judith Flex, Barbara Ossenkopp, John Erdman, Katorka Takerka, Karin Roewer-Nennemann, Juerg Schlachter, Daniela Ziegler

   » Hyena Films

Verführung:
Die grausame Frau


Verführung: Die grausame Frau (R: Elfi Mikesch, Monika Treut)"Es ist mein Beruf, grausam zu sein. Ihrer ist es, zu schreiben. Auch nicht gerade harmlos, oder?" fragt Wanda den Journalisten, der über sie berichtet. Eine Geschichte über "abweichendes Sexualverhalten" recherchiert er und wie alle anderen Figuren in Verführung: Die grausame Frau von Monika Treut und Elfi Mikesch gerät er schnell in den Bann der Frau, über er eigentlich schreiben wollte und gibt sich schließlich all jenen Obsessionen hin, von denen er aus der Distanz zu berichten versucht hatte.

Verführung: Die grausame Frau erzählt von Wanda, die Domina und selbsternannte Tyrannin, die um sich in ihrer Galerie Untertanen beiderlei Geschlechts sammelt und ihnen ein Leben in den "Mysterien der Sklaverei" ermöglicht. Die Namensgebung der Figuren erinnert durchaus bewusst an die beiden Patronen des Sadismus und des Masochismus: Justine, eine der Frauen, die sich im Film in das Geflecht aus Begierde und Eifersucht um Wanda einbringen, stammt wohl direkt aus dem gleichnamigen Roman des Marquis de Sade, und Wanda ist der Name, den Leopold von Sacher-Masoch seiner Frau in Erzählungen und Romanen gab, in denen er sie zur idealisierten Tyrannin werden ließ. Venus im Pelz, eine Erzählung Sacher-Masochs, liegt denn auch mit seinen Motiven dem Film von Treut und Mikesch zu Grunde. Verführung: Die grausame Frau (R: Elfi Mikesch, Monika Treut)

Verführung: Die grausame Frau ist Monika Treuts erster Film, sie schrieb und drehte ihn Anfang der 80er Jahre zusammen mit der bereits filmerfahrenen Elfi Mikesch, mit der sie auch mehrere Jahre lang zusammenlebte. Der Film ist ein eindeutiges Statement des Feminismus, und dies nicht nur über seinen Inhalt, der der Frau die Kontrolle über ihren Körper und ihre Begierde zurückgibt, die ihr von so vielen Kamerablicken zuvor entrissen worden war. Auch die Form des Films wirkt wie eine Antwort auf die Forderungen feministischer Filmtheorie der 70er Jahre: "Der erste Schlag gegen die monolithische Akkumulation traditioneller Filmkonventionen ( …) hat zum Ziel, den Blick der Kamera zu befreien, ihre Materialität in Zeit und Raum herzustellen, den Blick des Zuschauers zu einem dialektischen zu machen ( …)" schreibt Laura Mulvey zehn Jahre bevor Treut und Mikesch mit ihren fast immer schrägen Kamerawinkeln (die Kamera führt Mikesch) und verzerrten Blickpositionen die Zementierung der Kamera auf der Horizontalen aufzubrechen versuchen.


DVD-Details:
DVD 9 - ohne Ländercode
Sprache: Deutsch
Untertitel: Englisch, Französisch, Portugiesisch
NTSC und PAL geeignet
4:3 Vollbild
Codec/Format = 2.0
Extras: Informationen zu den Filmemachern und zu Hyena Films, Biografien, Filmografien, Links zu Essays und Bibliografie, Filmstandbilder, Zwei Interviews mit Monika Treut, Bonuskurzfilm, Trailer zu sechs Filmen von Treut sowie zwei weiteren Filmen aus dem absolutMEDIEN Programm.

Weitere Filme in der Edition Monika Treut:
Gendernauts (bereits erhältlich)
Die Jungfrauenmaschine (bereits erhältlich)
My Father is Coming (bereits erhältlich)
Female Misbehavior (erscheint im Februar 2003)
Didn't Do It For Love (erscheint im Februar 2003)
Kriegerin des Lichts (erscheint 2003)

absolut MEDIEN GmbH
Boxhagener Str. 18
10245 Berlin
   » www.absolutmedien.de

Treut ist dem akademischen Gestus dieser Forderungen sicher nicht fern, ihre eigene universitäre Abschlussarbeit trägt bezeichnenderweise den Titel Die grausame Frau. Zum Frauenbild bei de Sade und Sacher-Masoch. Auch die Herausgeber der DVD waren sich dem wissenschaftlichen Geist der Arbeiten Treuts wohl bewusst und verlinken von der DVD aus auf Aufsätze von und über Treut und bieten eine kleine Bibliografie, die unter anderem auch Gilles Deleuzes Arbeiten zu Sacher-Masoch empfiehlt. Schade, dass die Links nicht funktionieren, Inspiration bieten sie allerdings auch in toter Form.

Der Film Treuts bleibt ein beeindruckendes Zeugnis des Untergrundkinos, das in seiner Radikalität teilweise an die Arbeiten Kenneth Angers aus den 60er Jahren erinnert. Bleibt Anger allerdings fast immer dämonisch-düster in seinen Bild gewordenen Albträumen, so zieht sich durch Verführung durchgängig auch ein ganz bestimmter Humor: Wie in Ulrike Ottingers Dorian Gray im Spiegel der Boulevardpresse, in dem der Protagonist von einer Frau gespielt wird, wirkt auch hier das Spiel mit Travestie, mit Obsession und Unterwerfung oft befreiend komisch in seiner bewussten Inszenierung und Demaskierung von Rollenverhältnissen.

Die DVD ist Teil der DVD-Edition Monika Treut, die einen Überblick über die mittlerweile aus dem Kino fast gänzlich verschwundenen Filme der Regisseurin liefert. Trailer für die anderen sechs lieferbaren Treut-Filme befinden sich ebenso auf der Scheibe wie eine Reihe weiterer schöner Extras: Zwei aufschlussreiche und in ihrer Ästhetik beinahe eine eigene Kritik werte Interviews mit der Regisseurin, ein versteckter Bonuskurzfilm, die obligatorischen Crew-Biographien und einige Filmstandbilder. Auf den ersten Blick mag es verwundern, dass bei den ausführlichen Extras ausgerechnet ein Audiokommentar fehlt, der den auch heute noch teils verstörenden, dunklen und in seiner Symbolik ungewohnten Film hätte erklären können. Im Nachhinein jedoch muss man wohl zugestehen, dass eine Erklärung der betörenden Eindrücke dem Werk mehr schaden als nutzen würde. Die subversiven Bilder hätten gelitten, wenn der Zuschauer durch erklärende Worte in eine Position über dem Bild gebracht worden wäre, wenn die unheimliche Nähe zur Besessenheit der Figuren durch einen Kommentar zu analytischer Distanz geworden wäre. Der Zuschauer kommt wohl weiter, wenn er von der Bibliographie Gebrauch macht und das alte Medium der Schrift nutzt, eintaucht in die Werke de Sades oder Sacher-Masochs und ihre wissenschaftliche Aufarbeitung verfolgt, auf die so ausführlich hingewiesen wird. Oder aber, wenn er sich dem Medium der Schrift zur Gänze verweigert und in der Ausstrahlung des gefesselt noch erotischeren Udo Kier versinkt, in den Farben und Spielen des dunkelschönen Films Verführung.