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März 2003
Thomas Vorwerk
für satt.org

Standing in the Shadows of Motown
USA 2002

Standing in the Shadows of Motown (R: Paul Justman)

Regie:
Paul Justman

Narration:
Walter Dallas, Ntozake Shange

Vorlage:
Alan Slutzky

Kamera:
Douglas Milsome & Lon Stratton

Schnitt:
Anne Erikson

Musik:
Alan Slutzky

Darsteller:
The Funk Brothers, Bootsy Collins, Ben Harper, Montell Jordan, Chaka Khan, Me'Shell NdegéOcello, Joan Osborne

Kinostart:
3. Juli 2003


Standing
in the
Shadows
of Motown




Standing in the Shadows of Motown (R: Paul Justman)

Standing in the Shadows of Motown (R: Paul Justman)

Standing in the Shadows of Motown (R: Paul Justman)

Standing in the Shadows of Motown (R: Paul Justman)

Standing in the Shadows of Motown (R: Paul Justman)

Selbst Leute, die von sich behaupten, Musikkenner zu sein und sich womöglich insbesondere für das mittlerweile als "klassisch" zu benennende "Motown"-Plattenlabel aus Detroit interessieren, dürften bis vor kurzem mit den "Funk Brothers" wenig anzufangen gewusst haben. Als Band hinter fast allen Motown-Aufnahmen der Detroiter Zeit hatten sie mehr Nr. 1-Hits als die Beatles, die Beach Boys, Elvis Presley und die Rolling Stones zusammen, aber während die Sänger und Sängerinnen wie Stevie Wonder, Diana Ross oder die Temptations allgemein bekannt sind, kennt den Ausnahmebassisten James Jamerson kaum jemand.

Dieser Dokumentarfilm von Paul Justman schickt sich an, das "bestgehütetste Geheimnis der amerikanischen Musikbranche" zu lüften, und offenbar mit Erfolg, denn zwei Grammys gingen jüngst an den Soundtrack und einen der im Film gespielten Songs, den Marvin Gaye-Klassiker "What’s going on" in der Version von den Funk Brothers mit dem Gesang von Chaka Khan.

Damit kommen wir auch gleich zur seltsamen Zweiteilung des Films, die durchaus in der Tradition von Wim Wenders’ "Buena Vista Social Club" zu sehen ist, denn auch hier werden Interviews, Anekdoten und Archivmaterial (also der typische Stoff, aus dem die Dokumentarfilme sind) mit neuen Live-Aufnahmen (Musikfilme sind ja irgendwie auch Dokumentarfilme …) verbunden. Doch im Gegensatz zu den alten Kubanern, die alles im Alleingang machten und machen, holen sich die Funk Brothers Unterstützung von unterschiedlich bekannten Sängern und Sängerinnen wie Ben Harper, Joan Osborne, Jordan Montell, Bootsy Collins oder Me'Shell NdegéOcello. Das Ganze ist extrem unterhaltsam und es geht schon ins Blut oder Tanzbein, wenn etwa Ben Harper "I’ve heard it through the grapevine" oder "Ain’t too proud to beg" singt, während die noch verbliebenen Funk Brothers endlich einmal aus dem Schatten heraustreten und gebührend gefeiert werden.

Dennoch bin ich bekanntlich, der schwer zufriedenzustellen ist, und in diesem Fall kommt mir einiges zu "gelackt" vor. Damit meine ich weniger den Auftritt von Bootsy Collins, sondern etwa die Entscheidung des Regisseurs, einige der Anekdoten und Schlüsselmomente wie bei "Aktenzeichen XY" nachzuspielen. Dieses "Reenactment" eines jungen Jamerson, der mit einem Bogen "die Ameisen zum Tanzen bringt" oder die seltsame Geschichte einer nächtlichen Autofahrt funktionieren in den Erzählungen der Funk Brothers weitaus besser als in den graphisch verfremdeten Bildern dazu. Doch ich kann durchaus nachvollziehen, daß dieser Film nicht für ein puristisches Dokumentarfilm-Publikum geschaffen wurde, sondern für ganz normale Musikfreunde, die sich nach dem Film wahrscheinlich den Soundtrack kaufen wollen (die Erfolgsgeschichte des "Buena Vista Social Club" dürfte den Machern dieses Films nicht entgangen sein). Und wie ich bereits ausführte, der Unterhaltungswert des Filmes wird eben höhergestellt als das Bestreben, uralten Regeln, wie man einen Dokumentarfilm machen muß, damit er möglichst realistisch erscheint, nachzueifern.

Und zugegebenermaßen würde ich mir den Soundtrack auch gerne kaufen …