About Schmidt
Omaha, Nebraska. In diversen Einstellungen sieht man den die Stadt überragenden Wolkenkratzer der „Woodmen“ Versicherung. In einem der Büros wartet der 66jährige Warren Schmidt darauf, dass die Bürouhr 17 Uhr anzeigt. Die Koffer mit seinen Versicherungsakten sind schon gepackt, der Ruhestand kann beginnen. Zum Abschluß seiner Karriere gibt es noch ein von der Firma arrangiertes Essen, bei dem einer der Redner zunächst den Anschein macht, mit Provokationen aus der Rolle zu fallen. Doch es sind alles nur Stilmittel, die Lobeshymnen lassen nicht lange auf sich warten.
Zunächst stellt Warren erst einmal fest, dass ihm seine Ehefrau Helen nach 42 gemeinsamen Jahren gehörig auf die Nerven geht. Doch auch hier steht eine unfreiwillige Befreiung an. Während er seinem neugewonnenen tansanianischen Patenkind Ndugu in langen Briefen seine Lebenssituation schildert, macht Warren sich mit dem monströsen Wohnmobil auf, um möglichst zu verhindern, dass seine Tochter Jeannie einen unerträglichen Loser namens Randall Hertzel heiratet.
Der Film ist trotz der Romanvorlage Jack Nicholson wie auf den Leib geschneidert und teilt sich in drei Abschnitte auf. Zunächst wird geschildert, wie Warrens altes Leben innerhalb kürzester Zeit einfach „verschwindet“. Nachdem sein junger Nachfolger auf der Abschiedsfeier noch meinte, ihm stehe jederzeit Tür und Tor auf, und er würde sich über Ratschläge des erfahrenen Experten freuen, navigiert er ihn bei einem tatsächlich statt findenden Besuch nicht besonders charmant aus dem Gebäude, und ohne Helen oder eine Haushälterin gleicht das Schmidtsche Anwesen sehr schnell einer Junggesellenbude. Insbesondere, was die Waschküche und die Müllberge angeht.
Dann macht Warren sich auf, seine Tochter zu besuchen. Doch jene will vorerst nichts von ihm wissen, weil sie mit ihrem Job und den Hochzeitsvorbereitungen ausgelastet ist. Also begibt sich Warren auf eine kleine Tour, besucht u.a. sein Geburtshaus und seine ehemalige Universität, und stellt dabei fest, dass er seine Umwelt im Verlauf seines Lebens nicht wirklich so sehr prägen konnte, wie er es vor langer Zeit vorhatte. Das zufällige Treffen mit den Campern John und Vicki führt auch zu einem zwischenmenschlichen Debakel.
Endlich in Denver, der Stadt der zukünftigen Hochzeit, angelangt, wird er bei Roberta einquartiert, der Mutter des von Warren verhassten Schwiegersohn in spe. Kathy Bates, eine der wenigen Schauspielerinnen, die Jack Nicholson im Zaum halten könnte, brüskiert Warren mit Ansichten und Einsichten über ihre Sexualität, und spätestens, als sie zu ihm in den Whirlpool steigt und anbringt, wie gut eine geschiedene Frau und ein Witwer zusammenpassen würden, nimmt Warren Reißaus.
Andere Missgeschicke wie der steife Nacken nach einer Nacht in Randalls Wasserbett, ein Stapel Liebsbriefe aus dem Nachlass Helens oder der Versuch, sich bei einem Anrufbeantworter zu entschuldigen, verschlimmern Warrens Lage nur.
Alexander Payne, der bereits in seinen zwei früheren stärker sozialkritischen Komödien „Citizen Ruth“ und „Election“ mit einem Großteil der Crew zusammenarbeitete (u.a. dem Co-Autor Jim Taylor und dem Kameramann James Glennon), bekam durch den Besetzungscoup Jack Nicholson einen Darsteller, der sowohl die tragischen als auch die komischen Aspekte der Geschichte Schmidts zu einem Hochgenuß für das Publikum werden ließ. Nebendarsteller wie Kathy Bates oder der mit seiner Vokuhila-Frisur unnachahmlich schrecklich wirkende Dermot Mulroney (undenkbar, dass er in „My Best Friend’s Wedding“ noch der Traum unzähliger Frauen war) runden das Bild ab, und der Film lebt trotz seiner witzigen Momente gerade von seinen stillen Momenten. Unvergeßlich etwa, wenn Schmidt als ultimativen Akt der Rebellion im Stehen pinkelt, was ihm Helen stets verboten hatte.
Regisseur Payne interessiert sich für die „markanten Wendepunkte im Leben“, die „Übergänge von einer Lebensphase in die nächste“, und mit diesem Stoff und der Besetzung gelang es ihm, den Schrecken des Ruhestands einerseits ernsthaft darzustellen, dabei aber das Publikum durch die skurrilen Erlebnisse Warren Schmidts auch zu amüsieren.
Gerade das Drehbuch überzeugt. Einerseits durch die unkonventionelle Dreiteilung, andererseits durch den geschickten Kniff, über die Briefe an Ndugu Schmidts Gedanken hörbar zu machen, und schließlich durch einige clever integrierte wiederkehrende Themen. dass dabei die unsägliche Sternschnuppe und die Abschlußrede eine Spur zu hollywoodmäßig gerieten, mag man darüber sogar verzeihen.