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Doch für die drei Mädchen wird schnell klar, woher der Wind weht. Während die Schwestern es sich gut gehen lassen, müssen die Mädchen in einer Wäscherei schuften, die Speisenfolge ist klar voneinander getrennt, und eine Orange zu Weihnachten ist das einzige, was man hier an Nächstenliebe erfahren kann. Eine besonders merkwürdige Schwester macht sich einen Spaß daraus, nach dem abendlichen Bad die Schambehaarung der Mädchen miteinander zu vergleichen - kurzum: auf allgemein akzeptierte Menschenrechte wird hier nicht viel gegeben. Rose verliert gar ihren Namen (“wir haben schon eine Rose, du heißt ab sofort Patricia …“), und für die Mädchen steht schnell fest, daß sie entkommen müssen … Der auf wahren Begebenheiten beruhende Film, der in Venedig 2002 den Goldenen Löwen als „Bester Film“ gewann, ist eine Art moderne Variante des „Tagebuch einer Verlorenen“. Auch wenn sich mir Parallelen zum Pabst-Stummfilm, den ich am Tag darauf sah, natürlich aufdrängen, ist es sehr wahrscheinlich, daß auch Peter Mullan nicht ganz zufällig etwa das eindringliche Bild der Schwester inszenierte, die zunächst allein durch ihre Banknoten zählenden Hände verkörpert wird. Besonders eindrucksvoll ist auch die Anfangssequenz des Films, wenn auf der bereits erwähnten Familienfeier ein „bis zur ekstatischen Verzückung aufspielender katholischer Geistlicher [ …] zum Sinnbild für unterdrückte, musikalisch sublimierte Sexualität“ wird (Dietmar Kanthak hat es im „epd film“ so schön formuliert, daß ich seiner Umschreibung nichts wirklich bedeutendes zufügen konnte). An Intensität gewinnt der Film auch dadurch, daß die erniedrigenden Vorkommnisse, die das totalitäre System der Nonnen den Mädchen aufzwingt, immer noch in einem gewissen Rahmen bleiben. Es wird offensichtlich, daß die „Gefängniswärterinnen“ ziemlich genau wissen, wie weit sie gehen dürfen, ohne die gutfunktionierende Fassade, hinter der die katholische Kirche ihr Geld wäscht, in Gefahr zu bringen. Im Gegensatz zu den fast obligatorischen Vergewaltigungen in modernen Gefängnis-Filmen oder der desolaten Hoffnungslosigkeit, die bei Schilderungen des KZ-Alltags oft zum Hauptinhalt der Darstellung wird, ist das Leben im Magdalenenheim zwar auch für den Zuschauer fast unerträglich, aber durch fehlende (klischeehafte) Übertreibungen bekommt man als Zuschauer nicht die Chance, sich von den Vorgängen auf der Leinwand leicht abzuwenden, weil man das Konstrukt des Drehbuchs erkennt oder (in bestimmten Genres) gängige Verläufe antizipiert. Bis zuletzt leidet man mit den Mädchen, und wenn der Film schließlich wie in Dokumentarfilmen das weitere Schicksal der Protagonistinnen in wenigen Zeilen zusammenfasst, verschwimmt die Grenze zwischen Fiktion und Wahrheit, ganz wie der frühere Dokumentarfilmer Mullan es beabsichtigt zu haben scheint.
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