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April 2003
Thomas Vorwerk
für satt.org

City of God
Cidade de Deus

Brasilien, F, USA 2002

City of God (Cidade de Deus) (R: Fernando Meirelles, Katia Lund)

Regie:
Fernando Meirelles

Co-Regie:
Katia Lund

Buch:
Fernando Meirelles, Braulio Mantovani

Lit. Vorlage:
Paulo Lins

Kamera:
Cesar Charlone

Schnitt:
Daniel Rezende

Musik:
Antonio Pinto, Ed Côrtes

Casting:
Fátima Toledo

Darsteller:
Alexandre Rodrigues (Buscapé als Erwachsener), Leandro Firmino de Hora (Zé Pequeno alias "Locke"), Phelipe Haagensen (Bené), Matheus Nachtergaele (Sandro Cenoura alias "Karotte"), Seu Jorge (Mane "der Stecher" Galinha), Luis Otávio (Buscapé als Kind), Douglas Silva (Dadinho alias "Löckchen"), Jonathan Haagensen (Cabeleira), Renato de Souza (Marreco), Jefechander Suplino (Alicate), Roberta Rodriguez Silvia (Bérénice), Alice Braga (Angélica)

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City of God
Cidade de Deus




City of God (Cidade de Deus)(R: Fernando Meirelles, Katia Lund)


City of God (Cidade de Deus)(R: Fernando Meirelles, Katia Lund)


City of God (Cidade de Deus)(R: Fernando Meirelles, Katia Lund)

"City of God" ist in vieler Hinsicht bemerkenswert. Eine voluminöse Romanvorlage mit einer kaum überschaubaren Anzahl von Protagonisten wird ausgerechnet mit fast ausschließich Laiendarstellern verfilmt, die größtenteils auch noch aus der zwielichtigen Gegend kommen, in der die Geschichte spielt. "Cidade de deus" war zunächst eine aus städtischen Mitteln finanzierte Barackensiedlung, die dafür sorgen sollte, daß Touristen, die Rio de Janeiro besuchen, nicht Zeugen der grassierenden Verarmung des Mittelstands nach einer Wirtschaftskrise in den 60ern wurden. Im Verlauf des Films werden wir die Entwicklung dieser am Reißbrett geplanten Siedlung miterleben, die während der folgenden Jahrzehnte immer mehr verwahrlost, während der Drogenhandel blüht und Kriminalität und Gewalt immer brutaleren Regeln folgen, die dann aber nicht mehr von den Stadträten kommen, sondern von den Bossen der Gangs.

In den 60ern gab es die "Wild Angels", zu denen auch die großen Brüder zweier unserer Hauptfiguren zählten. Buscapé und Bené reagieren ganz unterschiedlich auf das schlechte Vorbild, das die großen Brüder liefern, und ausgerechnet das halbwüchsige "Löckchen" (später "Locke") wird schon früh den Weg, den die Siedlung einschlagen wird, vorgeben.

Den Inhalt des Films wiederzugeben zu versuchen, würde ihm nicht gerecht werden, denn auch wenn die Drehbuchautoren die Romanvorlage von Paulo Lins schwer zusammenstutzen mussten, das Endresultat besteht immer noch aus unzähligen Handlungssträngen, und gerade wie der Film seine Geschichte langsam entfaltet, macht aus "City of God" ein Meisterwerk, das selbst "Amores Perros" blass erscheinen lässt. Denn Regisseur Fernando Meirelles erschöpft sich nicht nur darin, den Zuschauer in einen Sog von Ereignissen und Emotionen hereinzuziehen, er zieht auch alle Register narrativer Erzählkunst, er führt geradezu vor, was heutzutage im Film alles möglich ist.

Die Geschichte springt zwischen den Jahrzehnten hin und her, man kann dies als Zuschauer ähnlich wie bei Soderbergh (aber ungleich subtiler) etwa durch unterschiedliche Aufnahmestile (beispielsweise in den 60ern staubig wie in einem Spaghetti-Western) und varierende Montagetechniken (zunächst klassisch, später immer freier) unterscheiden, aber natürlich auch durch die Bauten, Modestile oder den Soundtrack. (In dieser Hinsicht kann es der Film ohne weiteres mit Filmen wie "Carlito’s Way" oder "Summer of Sam" aufnehmen.)

Nach dem ersten fulminanten Sprung von der Jetzt-Zeit der Erzählung in die Jugend Buscapés (eine schwindelerregende Kreisfahrt wie in "The Matrix") tänzelt die Geschichte immer wieder nach vorne und zurück, Nebenfiguren, die später eine Rolle spielen werden, werden schon mal am Rande erwähnt, manche Zusammenhänge erschließen sich erst schleichend, aber dabei ist der Zuschauer nie überfordert, weil die Inszenierung immer auf der Höhe ist, und man die Personen auch dann ohne Probleme auseinanderhalten kann, wenn sie in unterschiedlichem Alter von verschieden Darstellern porträtiert werden.

City of God (Cidade de Deus)(R: Fernando Meirelles, Katia Lund)

Und als wäre die Geschichte noch nicht Grund genug, diesen Film zu lieben, nimmt uns der Regisseur mit auf eine Tour de Force der cinematischen Ausdrucksmittel. Die unterschiedlichen Farbtöne wurden schon erwähnt, teilweise wurden auch andere Filmmaterialien benutzt, doch im Gegensatz zu einem Film wie "Natural Born Killers", der es auch darauf anlegt, den Zuschauer von der ersten bis zur letzten Minute mit seinen Bildern quasi zu überrollen, hat hier jedes Stilmittel seine narrative Funktion. So gibt es Freeze-Frames, in denen die (Computer-)Kamera die Protagonisten abfährt und vorstellt, Zeitlupen- und Stroboskop-Effekte, die sich niemals aufdrängen, und selbst wenn man mal auf eine Split Screen zurückgreift, gehört dies einfach zur Erzählung und ist kein aufgesetzter Schnickschnack, wie man ihn von vielen Filmen kennt, die zu sehr damit beschäftigt sind, "hip" und "cool" zu wirken, um dabei zu bemerken, wie wenig sie noch in der Lage sind, Geschichten zu erzählen und Emotionen zu übertragen.

"Cidade de deus" nimmt den Zuschauer von der ersten Minute an auf eine aufregende Reise mit. Ähnliches gelingt auch Filmen wie "Charlie’s Angels", "MI:2", "Moulin Rouge!" oder "Chicago", aber bei diesem brasilianischen Meisterwerk ist dieses Erzähltempo kein Blendwerk, das darüber hinwegtäuschen soll, daß hinter der Oberfläche wenig bis nichts ist, denn in der "City of God" ist selbst das Schicksal eines heimtückischen kleinen Bengels oder die Abschiedsparty eines allzu freundlichen Drogenhändlers interessant und bis zuletzt bewegend.