Auto Focus
Paul Schrader hatte noch nie Berührungsängste mit "schlüpfrigen" Themen, zwei seiner frühesten Filme hießen immerhin "Hardcore" und "American Gigolo". Und auch Biographien wie die von "Mishima", Patty Hearst oder bei seinen Drehbucharbeiten über Jake LaMotta oder gar Jesus Christus gehörten immer zu seinen bevorzugten Themen. Hier nun geht es um die Versuchungen des früheren Radio-DJs Bob Crane, der als Hauptdarsteller der US-Fernsehserie "Hogan's Heroes" (dt.: "Ein Käfig voller Helden", eine Art Mischung aus "To Be Or Not To Be" und "M*A*S*H") Ende der Sechziger zu einiger Berühmtheit gelangte, die sich allerdings mit Absetzen der Serie 1971 nicht ewig hielt.
Auf dem Höhepunkt seiner Karriere trifft Crane einen gewissen John Carpenter, der als Sony-Vertreter frühe Videokameras testet und u.a. Elvis Presley zur Verfügung stellt. Der zunächst noch glücklich verheiratete Crane hatte schon immer eine Schwäche für Frauen, die er zunächst noch mit Photomagazinen in seiner Garage austobt. Doch als er durch seinen Ruhm in die Lage kommt, beim Besuch eines Striplokals (angestiftet von Carpenter) den Drummer der Begleitband zu mimen, verbinden sich seine zwei wirklichen Passionen (Trommeln und leichtbekleidete Frauen) auf glücklichste Weise. Es dauert nicht mehr lange, bis er seinen Ruhm weiter auskostet und gestreng nach dem Wahlspruch "Ein Tag ohne Sex ist ein verlorener Tag" künftig alles (erfolgreich) angräbt, was nicht schnell genug auf die Bäume kommt. Der nicht gerade gutaussehende Carpenter ist dabei Komplize und Nutznießer, und gemeinsam verbringen die beiden so manche Privat-Orgie, die dann auch oft mit (manchmal geheimer) Kamera gefilmt wird, um auch später noch zu animatorischen Zwecken recyclet werden zu können.
Daß solche Aufnahmen nicht nur seiner Ehe (dann heiratet man halt jemanden anderes), sondern auch seiner Karriere nicht gerade dienlich sein können, begreift Crane nicht. Sein Disneyfilm "Superdad" wird zu einem Riesenflop, und schließlich empfindet er Carpenter, der mittlerweile seinen Job bei Sony verloren hat, nur noch als Belastung, und das Schicksal nimmt seinen Lauf, denn die Romanvorlage heißt nicht von irgendwoher "The Murder of Bob Crane".
Dem Film gelingt es recht gut, Cranes Problem darzustellen, das vor allem in seiner Selbstsucht besteht, durch die er sein Umfeld mehr und mehr aus dem Blick verliert. (Deshalb auch der Titel, die technische Errungenschaft des Auto Focus war Anfang der 70er noch nicht erfunden, aber Crane legt laut Schrader den Focus zu sehr auf sich selbst, weshalb auch der Film konsequenterweise am Schluß etwas "out of focus" gerät.)
Doch die versprochene Satire wird der Film nicht, viel zu lachen gibt es nicht. Einer der komödiantischen Höhepunkte des Films ist es, wenn Bob und John mal wieder zusammen ihre Bänder anschauen, und Bob plötzlich verlangt, zurückzuspulen.
"Was ist das da auf meinem Arsch?" --- "Eine Hand." --- "Ja, aber wessen Hand?" --- "Meine." --- "Verdammt, was macht deine Hand auf meinem Hintern? Bist du pervers oder was?" --- "Beruhige dich, Bob. Das war eine Orgie, da fummelt jeder an jedem herum …"
Die Beschwichtigungsversuche von Carpenter (übrigens nicht verwandt oder verschwägert mit dem Filmregisseur) fruchten nicht, der erste Bruch folgt.
Das gemeinsame Onanieren der zwei ist auch nur bedingt amüsant, und das Patrouillieren eines "Extras" in SS-Uniform bei einer Drehpause am Swimmingpool des Studios war neben dem Auftritt von Ed Begley jr. als jüdischem Journalisten, der "Hogan's Heroes" eher suspekt findet, einer der wenigen Höhepunkte eines Films, den meine weibliche Begleiterin etwa so zusammenfasste, wie es Cybill Shephard gegenüber Robert De Niro in "Taxi Driver" tat. Von der damaligen Genialität, Aussagekraft und Intensität Schraders ist dieser Film weit entfernt.