Paule und Julia
Der Titel deutet es schon an, auch hier geht es um eine Liebesbeziehung zweier Menschen aus unterschiedlichsten Umfeldern. Der 15jährige Paule zieht mit dem 12jährigen Arnel durch die Strassen und Kaufhäuser Berlins und klaut sich, was er haben will. Dabei gerät er auch an die Handtasche der 18jährigen Julia (Oona Devi Liebich, bekannt aus "Crazy"), deren Riemen er mit einem Rasiermesser durchtrennt. Julia gibt ihre Tasche nicht gleich verloren, doch Paule weiß, wenn man mit einem Rasiermesser droht, "lassen alle los".
Später stellt er fest, daß er sich in Julia verliebt hat, und mithilfe ihres Personalausweises stellt er ihr nach. Julia, aus wohl behütetem Hause stammend, kann es zunächst kaum fassen, daß der Typ, der ihr mit seinem Rasiermesser nächtelange Alpträume verschaffte, nun meint, mit einem kleinen Geschenk ihre Vergebung erkaufen zu können. Doch irgendwie ist diese fremde Welt auch faszinierend für sie, und so bestiehlt sie unter seiner Anleitung (und natürlich ohne finanzielle Notwendigkeit) auch bald ihr erstes Kaufhaus, was die beiden schnell verbindet.
Doch vergessen wir nicht Arnel, der von der Rückkehr in seine bosnische Heimat träumt und der sich diesen Traum durch einen besonderen Coup ermöglichen will. Doch nicht genug, daß seine Cousins ihn foltern, um ein von einem Einbruch verschwundenes Bild wiederzubekommen, nun scheint er auch noch seinen besten Freund an irgendeine reiche Schickse zu verlieren.
Julia hingegen stellt fest, daß Paules (und insbesondere Arnels) Welt für sie doch eine Spur zu gefährlich ist. Sie wird immer mehr in das kriminelle Umfeld hereingezogen und ein tragisches Ende bahnt sich an.
Regisseur Torsten Löhne wollte seinen Abschlußfilm an der dffb bewußt authentisch gestalten, denn nachdem er durch einen jugendlichen Kleinkriminellen inspiriert wurde, legte er bei der Auswahl seiner Schauspieler und deren Dialogen besonders Wert darauf, das harte Leben auf der Strasse gerade im Kontrast zu Julias Zuhause hervortreten zu lassen.
Sein größter Helfer dabei ist der kleine Arnel, der es schafft, in der zweiten Hälfte des Films die Liebesgeschichte fast in den Hintergrund zu drängen. Selbst trotz des für deutsche Kinogänger längst zum "guten alten Bekannten" gewordenen Martin Semmelrogge als Hehler vergisst der Zuschauer teilweise, daß Arnels Leben nicht wirklich auf dem Spiel steht, so nimmt einen die Kombination aus Darstellung und Inszenierung gefangen.
Natürlich ist in den meisten Debütfilmen noch nicht alles perfekt, aber Torsten Löhne zeigt bereits ein gehöriges Talent für sehr unterschiedliche Arten von Filmen, denn neben dem dreckigen Realismus der Strassenkinder bleibt auch die farbenfroh stilvolle Inszenierung der Romanze der zwei Jugendlichen im Gedächtnis.