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Interstella 5555 folgt dabei einem ungewöhnlichen Konzept: die Tonspur des Films besteht aus nichts weiter als Musik. Das gesamte Album "Discovery" von Daft Punk bekommt man zu hören, während die völlig von Dialog freien und nur mit wenigen Soundeffekten versehenen Bilder ihre Geschichte erzählen. So entsteht eine seltsam glatte Oberfläche, die Musik überdeckt alle Differenzen der Bilder und verbindet sie zu einem großen Flickenteppich aus Farbe und Form. Wunderbare Augenblicke sind es, wenn das Liebespaar vor einem rosaroten Hintergrund zu Boden schwebt, in einer ebenso rosafarbenen Blüte landet, welche aufzusteigen beginnt und nach kurzem Flug wie eine Gondel über das tiefblaue Meer schwimmt. Kitsch in seiner schönsten und angenehmsten Form, Balsam für monotoniegeplagte Augen und gleichzeitig kräftige Schläge von Daft Punk auf die unbelehrbar auf Dialog hoffenden Ohren. Eine absurde und einfache Geschichte erzählt Interstella 5555: Ein mephistophelischer irdischer Plattenmogul entführt eine Band von ihrem Heimatplaneten, um sie - mit kontrollierten Gehirnen und den irdischen Gewohnheiten angepasster Hautfarbe versehen - auf der Erde zu Superstars zu machen, deren Vermarktung ausschließlich ihm selbst finanziellen Nutzen bringt. Die goldenen Schallplatten, die er auf diese Weise auch mit anderen unschuldigen Musiker-Opfern erschwindelt hat, betet er gemeinsam mit einer Sekte rotäugiger Kuttenträger in dunklen Messen an. Es ist eine alte Geschichte, die Regisseur Takenouchi erzählt, die Geschichte von der im Kommerz korrumpierten Kunst, die Geschichte von der Dichotomie zwischen künstlerischem Schaffensprozess und geldgierigem Gewinnstreben. Der Film selbst ist ein Produkt eben jener Dichotomie: Zum einen sind Daft Punk keineswegs mehr idealistische Underground-Künstler, sondern längst enorm erfolgreiche Musiker geworden, zum anderen ist auch der japanische Anime-Markt ein beständiger Balanceakt zwischen wichtigem Wirtschaftszweig und zeichnerischem Genie. Die Lösung, die Interstella 5555 wählt, ist spielerisch und überzeugend: die filmische und musikalische Umsetzung sind so gelungen, dass man, selbst wenn es sich hier um einen sicherlich wirtschaftlich gut verwertbaren Film handelt, niemals mit Argwohn kommerzielle Fließbandware wittern würde - zu schön ist es, das Produkt des Zusammenpralls von Musik und Anime zu erleben, welches sich bildlich am besten manifestiert in dem gitarrenförmigen Raumschiff des Helden, der sich aufmacht, die entführte Band zu retten. Den letzten Schliff verleihen Interstella 5555 sicherlich die mannigfaltigen Anspielungen und Pointen wie das eigene Auftreten der französischen Musikercombo oder das im Fernsehen übertragenen Fußballspiel Japan - Frankreich, dem die Figuren des Films mindestens genauso gebannt folgen, wie der Kinozuschauer dem kreativen Aufeinandertreffen der beiden Nationen in Takenouchis Film.
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