Schotter wie Heu
Im nordöstlichen Baden-Württemberg, nahe der bayrischen Landesgrenze, liegt im Kreis Schwäbisch-Hall das Dorf Gammesfeld. Gemeinsam mit drei anderen Ortschaften bringt es Gammesfeld auf ca. 530 Einwohner, ein Dorf wie viele andere.
Was Gammesfeld aber auszeichnet, ist die kleinste Bank Deutschlands. Seit 1967 führt der mittlerweile 70 Jahre alte Fritz Vogt die Bank in Personalunion. Er ist Vorstand, Buchhalter, Kassierer und Sekretärin und hat sogar verschiedene Arbeitsplätze für diese Tätigkeiten hinter seiner Banktheke. Die 230 Mitglieder der Genossenschaftsbank sind ihm alle persönlich bekannt, er pfeift auf elektronische Datenverarbeitung und kalkuliert mit einer 1938 angeschafften Thales-Rechenmaschine mit Kurbel. Und das hat durchaus Methode, denn die Ausgaben für Computer, Faxgerät etc. würden allenfalls zu Lasten der wenigen Kunden gehen, und durch seine nicht gerade zeitgemäß erscheinende Kontoführung kann er beste Konditionen bieten. Das Kapital der Gemeinde liegt unabhängig auf einem Stuttgarter Konto, immerhin 12 Millionen Euro.
Durch die Prominenz der Bank gab es nicht nur Fernsehauftritte, einige schlauer Anleger wollten auch schon ein Konto eröffnen, doch das geht nicht, "weil sie keine Gammesfelder sind". Und sogar einen Banküberfall gab es, denn auf Kameraüberwachung und dergleichen verzichtet Vogt natürlich auch.
Die beiden jungen Frauen, die mit "Schotter wie Heu" ihren zweiten langen Dokumentarfilm vorlegen, wollten aber nicht nur die Bank zeigen, sondern auch das Dorf Gammesfeld, mit dem Edeka-Laden und der integrierten Bäckerei, der freiwilligen Feuerwehr (inkl. Markus Immel, dem "Flammenheld aus Gammesfeld") oder der "Muswiese" im Nachbardorf, für die schon die jüngsten sparen, während Fritz Vogt nur den Kopf schüttelt über diese Geldverschwendung. Sockenkauf und Kuhfladen-Bingo werden dort zu einem gesellschaftlichen Ereignis, dem sich kaum jemand entziehen kann.
Aber nicht nur die selbstgedrehten Aufnahmen von Schönheitswettbewerben, bei denen das Dorf oft gut abschnitt, werden vorgeführt, auch die dunklen Seiten werden nicht verschwiegen - die überdurchschnittliche Selbstmordrate (11 seit 1973) oder die nicht ganz so beunruhigende Scheidungsrate (Vogt: "Nicht daß sie meinen, daß wir in einer heilen Welt leben. Bei uns gehen Ehen zu Bruch, daß es nur so pfeift.")
Doch trotz allem ist "Schotter wie Heu" ein Heimatfilm, mit Untertiteln für den Hohenlohischen Dialekt, und zwei patenten Mädels, die nach und nach auch in die Gemeinde aufgenommen werden, von heiratswilligen Dörflern verfolgt werden oder auch mal einfach nur eine Katze filmen. Dies gehört zu den Reizen des Films, ebenso wie die Beobachtung anderer Kameracrews ("Den Blumentopf zehn Zentimeter nach hinten …") und die auch mal ins Geschehen einbezogenen Regisseurinnen, für viele Dokumentarfilmer ein absolutes Tabu.
Und im Verlauf des Films lernt man nicht nur wie schon bei "Die Blume der Hausfrau" ein paar Brocken Schwäbisch, man kommt den Gammesfeldern auch wirklich nahe, wie es nur in den besseren Dokumentarfilmen gelingt. Und in Anbetracht des fehlenden Nachfolgers für Fritz Vogt sieht es trotz perfektem Übergang zum Euro nicht gut aus für die Zukunft der Bank, und unabhängig, ob man seine eigenen Kontobewegungen über Online-Banking kontrolliert, wird man dabei ein wenig wehmütig ums Herz.