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September 2003
Thomas Vorwerk
für satt.org

Bruno Ganz - Behind Me
CH 2002

Bruno Ganz - Behind Me (R: Norbert Wiedmer)

Buch
und Regie:
Norbert Wiedmer

Schnitt:
Stefan Kälin

Kamera:
Norbert Wiedmer, Peter Guyer, Bruno Ganz

Ton:
Balthasar Jucker, Dieter Meyer, Olivier JeanRichard, Pavol Jan Jasovsky

Darsteller:
Bruno Ganz, Klaus Michael Grüber, Peter Stein, Ruth Walz, Giorgio Battistelli

85 Min.

Kinostart:
25. September 2003

Bruno Ganz - Behind Me


Der Schweizer Regisseur Norbert Wiedmer legt ein Portrait seines Landmanns vor, das weit über die üblichen Schauspielerbiographien hinausgeht. Statt Interviews und zahlreicher Filmausschnitte begleitete Widmer seinen Star über den Zeitraum von drei Jahren, und statt fertiger Arbeiten sieht man vor allem Theaterproben seines Auftritts als "Faust" oder die Aufnahmen einer CD, für die Ganz T. S. Eliots "The Waste Land" vorliest. Dabei wird vor allem bei "Faust" klar, wie der Schauspieler an seine Grenzen stößt. Schon wegen des reinen Textvolumens, das in einer zweiteiligen Marathoninszenierung zu bewältigen ist, aber bei einem Radiogespräch offenbart Ganz auch, daß er im Gegensatz zur Auffassung vieler seiner Fans, die in ihm den Faust-Darsteller sehen, mit der Figur relativ wenig anfangen kann, weil ihm einfach die Zeit und Muße fehlte, den Charakter Faust bis ins Detail zu durchleuchten. Bei den Proben sieht man das im Ansatz auch, wenn Ganz bei Dauermonologen öfter an der selben Stelle abbrechen muß, doch für den Zuschauer ist vor allem interessant, wie sein Regisseur in die Proben eingreift, der Schauspieler wie ein Videorecorder immer wieder im Text vor- und zurückspulen muß, bis dann ein Resultat erreicht wird, mit dem alle Parteien zufrieden sind.


Bruno Ganz - Behind Me (R: Norbert Wiedmer)


Bruno Ganz - Behind Me (R: Norbert Wiedmer)


Bruno Ganz - Behind Me (R: Norbert Wiedmer)


Bruno Ganz - Behind Me (R: Norbert Wiedmer)


Bruno Ganz - Behind Me (R: Norbert Wiedmer)

Bei den Tonaufnahmen zu "The Waste Land" erscheint die Zusammenarbeit viel harmonischer, Ganz selbst ist oft mit Takes noch nicht völlig zufrieden, statt einer lückenlosen Interpretation des höchst intellektuellen Textes zieht Ganz es vor, dem Text eine musikalische Qualität zu verleihen, und dem Hörer sämtliche Deutungen offen zu lassen.

Ähnlich funktioniert auch dieser Film, denn wie Wiedmer und seine Mitarbeiter mit dem zur Verfügung stehenden Bild- und Tonmaterial umgehen, hat schon etwas sehr musikalisches. So wird eine Märchenerzählung aus dem Film "Heller Tag" zur akustischen Einführung von Aufnahmen, die Ganz höchstpersönlich von seiner zweiten Heimat Venedig drehte, die Musikeinspielungen der CD dienen zur Untermalung weiterer Impressionen, die wir sozusagen mit den Augen unserer Hauptfigur erkunden.

Dabei spielt immer wieder das Wasser eine große Rolle, im Märchen, in Venedig, und wie selbstverständlich auch in den Texten, die der Schauspieler rezitiert:

"Sweet Thames, run softly, till I end my song."

Einer der Höhepunkte des Films ist die Aufführung der Oper "Experimentum Mundi" bei den Salzburger Festspielen 1999, und auch hier spielt das Wasser wieder eine Rolle in den von ganz vorgetragenen Texten, auch wenn die musikalische Untermalung aus Alltagsgeräuschen diverser Handwerksständen kaum erdverbundener sein könnte.

Viele dieser Zusammenstellungen zunächst unvereinbar erscheinender Facetten des Künstlers Ganz erscheinen geradezu genial, etwa wenn man aus dem zweiten zitierten Film, Kurt Gloors "Der Erfinder", die absurde Stabsarzt-Szene sieht, bei der Ganz Schwerhörigkeit mimt, und wir ihn als nächstes bei einer Fernsehdokumentation tatsächlich zur Schweizer Armee eingezogen sehen.

Für diejenigen, die mit den (Film-)Arbeiten von Bruno Ganz nicht vertraut sind, gibt es auch einige Einblicke in die Karriere des Darstellers. Bei der Verleihung des Berliner Theaterpreises wird ein Ausschnitt von "Pane e tulipani" eingespielt, bei dem der Halbitaliener sogar singt, und seine Lebensgefährtin, die Theaterfotografin Ruth Walz, zeigt einige ihrer Schätze, die unser Kameramann Bruno ganz dann wieder einzufangen sucht.

Leider kann der Film die mehrfach erreichte Intensität nicht über die gesamte Laufzeit aufrecht erhalten, und manche Szenen erscheinen überflüssig wie die pubertäre Spitzbübigkeit, eine ältere Bekannte gegen ihren Willen auf dem Material festzuhalten, aber solche Kapriolen verzeiht man gern.

Für Fans von Bruno Ganz ebenso sehenswert wie für Freunde Goethes oder T.S. Eliots.