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September 2003
Thomas Vorwerk
für satt.org

Spuk am Tor der Zeit
D 2002

Spuk am Tor der Zeit (R: Günter Meyer)

Regie:
Günter Meyer

Buch:
Günter Meyer, Hans-Georg Struck

Kamera:
Sebastian Richter

Schnitt:
Matthias Behrens

Musik:
Jörg Rausch

Darsteller:
Friedrich Lindner (Marco / Wilhelm), Walter Plathe (Bürgermeister), Nina Hoger (Renate), Jörg Malchow (Christian), Laura Berghäuser (Marie), Marielle Chakker (Jessica), Sarah Tkotsch (Steffi), Tobias Retzlaff (Andreas), Saskia Grasemann (Maja), Reiner Heise (Pacholke), Franz Viehmann (Bauer Melchior)

Kinostart:
18. September 2003

Spuk am Tor der Zeit


Bereits in seiner DEFA-Zeit drehte Günter Meyer drei "Spuk"-TV-Kinderserien ("Spuk unterm Riesenrad" (1979), Spuk im Hochhaus" (1983) und "Spuk von draussen" (1987)), von denen die ersten zwei auch je als Zweiteiler ins Kino kamen. Nachdem er durch die Fernsehserie "Die Trotzkis" (1994) auch gesamtdeutsch zu Ruhm kam, besann er sich wieder auf seine Anfänge und hat mittlerweile drei neue je vierteilige "Spuk"-Serien inszeniert ("Spuk aus der Gruft" (1997), "Spuk im Reich der Schatten" (2000) und jetzt "Spuk am Tor der Zeit" (2002)), die nicht nur erfolgreich im Kinderprogramm liefen, sondern auch jeweils ins Kino kamen.


Spuk am Tor der Zeit (R: Günter Meyer)


Spuk am Tor der Zeit (R: Günter Meyer)


Spuk am Tor der Zeit (R: Günter Meyer)


Spuk am Tor der Zeit (R: Günter Meyer)


Spuk am Tor der Zeit (R: Günter Meyer)

Die Besetzung wurde natürlich inzwischen "erneuert", aber die Hauptdarsteller sind inzwischen schon ein eingespieltes Team, allen voran der 15jährige Friedrich Lindner als Marco, "Der Landarzt" Walter Plathe als sein Vater, der Bürgermeister des kleinen Ortes Roggelin in der Nähe von Potsdam (wo Günter Meyer in den 60ern sein Regie-Studium absolvierte).

Das marode Gewölbe der Roggeliner Gruft ist baufällig, ausgerechnet bei einer Touristenführung wird durch Steinschlag der Sarg der Mumie des Balthasar von Kuhlbanz beschädigt. Der Bürgermeister sieht sich gezwungen, die Gruft abzureißen. Sein Sohn Marco lauert indessen in der vermeintlich romantischen Gruft auf seinen ersten Zungenkuß, doch sein Schwarm Jessica spielt ihm einen üblen Scherz. Gedemütigt sammelt er die verstreuten Überreste seines verhinderten Rendezvous auf und entdeckt dabei eine seltsame Wandtafel, die ihn zurück in die Zeit schickt, genauer gesagt ins Preußen des Jahres 1766. Dort wird er mehrfach mit dem Schinkendieb Wilhelm verwechselt, der sich als sein ihm wie ein Zwillingsbruder ähnelnder Urahn erweist. Kurzentschlossen nimmt Marco den Bruder, den er sich immer gewünscht hat, mit in seine Zeit, doch Helikopter, Computerspiele und das freizügige Fernsehprogramm sind etwas zuviel für den Mitte des 18. Jahrhunderts geborenen Burschen. Als sich dann jedoch herausstellt, daß Wilhelm im Gegensatz zu Marco ein begnadeter Fußballspieler ist (eine Disziplin, bei der Marco eine Chance sieht, Jessicas störenden Freund Andreas auszustechen), benutzt Marco all seine Überredungskünste (und Bestechungsmittel wie ein Schweizer Taschenmesser), um durch einen gelungenen Verwechslungstrick plötzlich zum Liebling Jessicas aufzusteigen …

Dummerweise nutzt Wilhelm die Gelegenheit, nicht nur den Kühlschrank seiner nichtsahnenden Gastfamilie auszuräumen, sondern auch den Werkzeugkeller und den Küchenschrank mit dem guten Porzellan. Marco sorgt zwar auch für einen regen Warenaustausch zwischen den Jahrhunderten, indem er der schönen gleichaltrigen Marie mit Tütenmilch imponiert (zu ihrer Zeit musste man für ein Gals Milch den ganzen tag arbeiten), aber schließlich nimmt das Ganze überhand, als Marco im Jahre 1766 für die Diebstähle seines Ururur-Großvaters bestraft werden soll, während jener bei der Party der schönen Jessica schlechte Tischmanieren zeigt und sich mal wieder mit Andreas anlegt. Dann stellt sich auch noch heraus, daß Marie eine Lungenentzündung hat, und trotz dem bevorstehenden Abriß der Gruft (und damit des Zeittunnels) will Marco seiner ersten wirklichen Liebe (Jessica ist schon ziemlich oberflächlich) lebensrettende Penicillin-Tabletten bringen, selbst wenn er dafür ziemlich viel riskieren muß.

Auch wenn das Budget dieses Films es kaum mit den Spezialeffekten bei "Harry Potter" aufnehmen kann, gelingt es Meyer, mit simplen Tricks eine glaubhafte Atmosphäre aufzubauen, bei der sogar die Doppelrolle des jungen Hauptdarstellers mit einigen gezielten Trickaufnahmen zumindest Kinder überzeugen wird.

So gewann "Spuk am Tor der Zeit" auch mit hauchdünnem Vorsprung den "Augsburger Kinderfilmdrachen 2002" vor dem Favoriten "Tsatsiki", wo die Viertklässler sowohl die Spannungselemente und den Musikeinsatz (für meine Verhältnisse etwas zu "dick") lobten, aber auch die traurig endende erste Liebesgeschichte zwischen den Jahrhunderten.

Teilweise merkt man dem Film als geübter Zuschauer zwar noch an, daß er ursprünglich für ein anderes Medium konzipiert wurde, aber auch im Kino kann der "Spuk"-Film (der eigentlich nur Science Fiction-Elemente in sich trägt) selbst ein erwachsenes Publikum amüsieren, wobei aber klar bleibt, daß er vor allem das zeug hat, die Halbwüchsigen zu begeistern.