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Oktober 2003
Thomas Vorwerk
für satt.org

Dogville
DK 2003

Dogville (R: Lars von Trier)

Buch
und Regie:
Lars von Trier

» Kritik von
» Simon Spiegel

Wolfzeit
F/AU/D 2003

Wolfzeit (R: Michael Haneke)

Buch
und Regie:
Michael Haneke

Kinostart:
1. Januar 2004

Caniden-Illu

Lars von Triers Dogville

& Michael Hanekes Wolfzeit



La ville du chien



Michael Hanekes erst im nächsten Jahr in Deutschland anlaufender neuer Film Wolfzeit (eine ausführliche Rezension folgt Ende des Jahres) und Lars von Triers Dogville verbindet mehr als nur die Struktur des Titels und die Einbeziehung ähnlicher Tierarten. Beide Filme handeln auch von Tieren, selbst wenn man nur recht wenige Hunde (oder gar Wölfe) in den beiden Filmen sieht.

"Der Mensch ist ein Wolf gegen sich selbst", so die Übersetzung eines französischen (und nicht etwa klingonischen) Sprichworts. Beide Filme zeigen, wie das animalische im Menschen in Extremsituationen wieder zum Vorschein kommt. Wobei sich eine Extremsituation natürlich schon allein aus dem Fakt ergibt, daß man eine Figur in einem Haneke- oder von Trier-Film ist, wenn auch in diesen beiden speziellen Filmen der genialischen enfants terribles des europäischen Kinos die Extremsituation jederzeit erkennbar ist, wenn sie auch mysteriös und "anders" bleibt. In beiden Filmen entwickelt sich die Geschichte aus einer Situation, wie sie für Vierbeiner den täglichen Überlebenskampf darstellen könnte. In Dogville wird ein Knochen gestohlen, in Wolfzeit zwingt der Kampf um ein Revier zwei Rudelführer zu einem unfreiwilligen Kampf. Wie in Wolfzeit mal gesagt wird, sollte man einem streunenden Hund nicht zuviel Vertrauen entgegenbringen - früher oder später würde er zubeißen. Dies könnte man auch für eine Basis-Interpretation von Dogville nutzen. Grace wird zunächst durch einen Knochen angelockt, macht sich dann nützlich und wird mit Leckerchen belohnt, doch wenn es dann heißt all work and no play und sie beginnt zu "knurren" und "Laut zu geben", wird sie wie ein Hund an die Kette gelegt - und ihr Lebenswille gebrochen. Erst, als sie ihre Freiheit wiedergewinnt, zeigt sie, was sie durch ihren Aufenthalt im Dorf der Hunde gelernt hat …

Bei Wolfzeit geht es nicht um einen Neuzugang in der Meute - die gesamte menschliche Zivilisation (zumindest das, was wir davon sehen) wird umstrukturiert. Es gibt fortan Rudelführer und Einzelgänger - und je nachdem, für welche Art des Lebens man sich entscheidet - die Opfer fallen unterschiedlich aus. Ähnlich ist es auch für Grace, die sich entscheidet, dem Rudel Dogville beizutreten. Zunächst übertreffen die Vorteile klar die Unannehmlichkeiten - doch gerade als zerbrechliches Weibchen wird man zum Objekt der männlich animalisch ausgelebten Lust (Trotz weiblicher Hauptfiguren in beiden Fällen merkt man hier ganz klar, welches Geschlecht hinter der Kamera fungiert), und auf welche Art man dann das Rudel verlässt (so es gelingt), ist jedem selbst überlassen.

Dogville und Wolfzeit sind zwei Filme, die einerseits klar die Handschrift ihrer Autoren zeigen, die aber trotz ihrer Radikalität nicht ganz so innovativ sind, wie sie vorgeben - Die Regisseure verlassen nur kurz ihr Revier, beißen kurz und brutal zu und ziehen sich dann wieder in die schützende Behausung ihrer Filmographie zurück. Dennoch sind die beiden Filme in Zeiten, in denen das Recht des Stärkeren auch die Weltpolitik bestimmt und solche feigen Beißattacken zur Tagesordnung gehören, vor allem als Allegorien sehr willkommen.




Lars von Trier
Lars von Trier



Michael Haneke
Michael Haneke




"Die Idee hinter Grace's Behandlung durch die Bewohner von Dogville war, daß es gefährlich ist, wenn man sich anderen als Geschenk darbietet. Die Macht, die dies Leuten über ein Individuum verleiht, korrumpiert sie. Wenn man sich verschenkt, kann es nicht funktionieren. Man muß auch Beschränkungen setzen. Ich denke, daß die Leute in Dogville ganz okay waren, bis Grace vorbeikam, genau wie ich mir sicher bin, daß Amerika ein wunderschönes Land wäre, wenn dort niemand außer den golfspielenden Millionären leben würde."
Lars von Trier



"Wolfzeit hat keine Botschaft zu verbreiten und auch kein Rezept, wie man mit den dargestellten Problemen fertig werden könnte. Das ist kein Brechtsches Lehrstück. Der Film versucht nichts weiter, als die Menschlichkeit in uns zu mobilisieren. Und das ist letztlich ja auch eine politische Haltung: den anderen als Du wahrzunehmen."
Michael Haneke