Werner Herzog, der sich in letzter Zeit verstärkt dem Dokumentarfilm widmet, hatte 2002 die Möglichkeit, gleich zweimal das wichtigste buddhistische Ritual, die unregelmäßig an verschiedenen Orten stattfindende "Kalachakra Initiation" zu filmen.
Zunächst sehen wir in Bodh Gaya (Indien), wie sich Tausende Pilger versammeln, wobei einige von ihnen sich streng traditionell dem heiligen Ort genähert haben und die Distanz in einer Folge von demütigen "Niederwerfungen" mit dem eigenen Körper abgeschritten haben. Bei beispielsweise 4.000 Kilometern sollte man dafür schon dreieinhalb Jahre einkalkulieren, Überbeine und eine wundgescheuerte Stirn bleiben bei der ungewohnten Fortbewegungsart nicht aus. Solche Extremfälle geben dem westlichen Betrachter einen gewissen Einblick in das Wesen des Buddhismus, und der erste Teil des Films entwickelt schon allein durch die Atmosphäre in Bodh Gaya eine Intensität, die sich leider nicht über den gesamten Film halten kann.
Obwohl der Dalei Lama (Seine Heiligkeit hat den Filmemacher unterstützt, Dreherlaubnisse gegeben und gibt auch einige kurze Interviews) dem Ritual aus Krankheitsgründen nicht beiwohnen kann, ist es faszinierend, mitanzusehen, wie sich die Menschenmengen zusammenrotten und sich in Gebetsritualen ergeben, bis die Mönche das Sandmandala, das titelgebende "Rad der Zeit" mit seinen 720 Gottheiten und für Uneingeweihte schwer verständlichen symbolischen Inhalten erstellt haben, das dann ehrfürchtig, aber schnellen Schrittes von den Gläubigen betrachtet wird.
Herzog selbst begibt sich zwischendurch zum heiligen Berg Kallash in Tibet, wobei er hier keine Drehgenehmigung erhält und sich nicht mit seinem kleinen Team, sondern allein mit einer Digitalkamera bewaffnet auf den Weg macht. Er selbst ist mit dem Resultat zufrieden, meiner Meinung nach fällt der Mittelteil aber nicht nur ästhetisch stark ab, und umso interessanter wird es dann, wenn der Dalai Lama auf Wunsch der buddhistischen Gemeinde Österreichs Graz besucht, um einer zweiten Kalachakra Initiation im Jahre 2002 (Zumeist liegen mehrere Jahre zwischen diesen Ritualen) beizuwohnen. Die ehrenvolle Stadthalle sieht natürlich im direkten Vergleich mickrig aus, und einiges erscheint allzu klinisch hier, aber im Grunde genommen wiederholt sich das Ritual, nur daß diesmal seine Heiligkeit selbst die ersten Handgriffe beim Erstellen des Sandmandalas vornimmt. Die mehrtägige Fertigung und die die Initiation beendende Zerstörung des farbenfrohen, einige Quadratmeter großen Bildes, das ausschließlich aus vorsichtig aufgestreutem farbigem Sand besteht, stellt eindeutig den Höhepunkt des Films dar, wie auch aus Martin Scorseses "Kundun" vor allem Eindrücke über diese exotische Farbenpracht in der Erinnerung des Betrachters verblieben.
Leider gelingt es aber auch Werner Herzog nur ansatzweise, der Kraft der Bilder und der Faszination der buddhistischen Religion überzeugende filmische Ausdrucksmittel entgegenzustellen, die Dokumentation wirkt etwas kraftlos und fahrig, trotz blendender Zusammenarbeit mit dem Dalei Lama sieht man nur wenig von ihm, es scheint, als würde Herzog unter der Kraft der Eindrücke kapitulieren, einige stark inszenierte Momente können nicht darüber hinwegtäuschen, daß in den nicht einmal anderthalb Stunden des Films einfach zu vieles wie Füllwerk erscheint und anderes dafür aus unerklärlichen Gründen nicht gezeigt wird und Fragen offen bleiben, in meinem Falle vor allem die, ob sich denn auch in Graz einige Gläubige der Initiation durch "Niederwerfen" genähert haben und wie die Umwelt darauf reagiert hat. Aber es ist offensichtlich, daß mir sowohl die generelle Gläubigkeit als auch die demütige Ehrfurcht gegenüber dem Filmemacher Herzog abgeht.