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November 2003
Thomas Vorwerk
für satt.org

Zwischen Fremden
Between Strangers

CA/I/USA 2002

Zwischen Fremden (Between Strangers) (R: Edoardo Ponti)

Buch
und Regie:
Edoardo Ponti

Kamera:
Gregory Middleton

Schnitt:
Roberto Silvi

Musik:
Zbigniew Preisner

Darsteller:
Sophia Loren (Olivia), Mira Sorvino (Natalia Bauer), Deborah Kara Unger (Catherine), Pete Postlethwaite (John), Klaus Maria Brandauer (Alexander Bauer), Gérard Depardieu (Max), Malcolm McDowell (Alan), Wendy Crewson (Amanda Trent), Andrew Tarbet (George), John Neville (Orson)

Kinostart:
27. November 2003

Zwischen Fremden
Between Strangers



Ohne das geringste Vorwissen ging ich in diesen Film und war zunächst mal positiv überrascht angesichts der internationalen und hochkarätigen Besetzungsliste. Wichtig ist hierbei, daß der Vorspann die Darsteller in alphabetischer Reihenfolge präsentiert, ich also noch keinen Schimmer hatte, was für eine Art Film mich erwartete. Zunächst sah alles danach aus, daß der Regisseur und Drehbuchautor sich von den Werken von Paul Auster inspirieren ließ (und ich hoffe, daß dieser Eindruck nicht nur durch Mira Sorvino hervorgerufen wurde): Gescheiterte Existenzen wie der von Malcolm McDowell dargestellte Alan (dem man auch eine ganz nette "Clockwork Orange"-Hommage im Film verdanken kann), und jede Menge Künstler mit dunklen Geheimnissen, die sich erst langsam zu offenbaren scheinen.


Zwischen Fremden (Between Strangers) (R: Edoardo Ponti)

Zwischen Fremden (Between Strangers) (R: Edoardo Ponti)

Zwischen Fremden (Between Strangers) (R: Edoardo Ponti)

Zwischen Fremden (Between Strangers) (R: Edoardo Ponti)

Zwischen Fremden (Between Strangers) (R: Edoardo Ponti)

Doch dann kündigte die teilweise schon recht schmalzige Musik (von Kieslowski-Hauskomponist Preisner ist man subtileres gewohnt) an, was beim Kinostart sicher niemand mehr überraschen wird: "Between Strangers" ist vor allem ein "Frauenfilm" vom Schlage "Grüne Tomaten", und in der dargebotenen Penetranz kann ich mit diesem Mode-Genre leider wenig anfangen.

Drei Frauen spielen die Hauptrollen: Zum einen haben wir da Sophia Loren, die Mutter des Regisseurs. Immerhin bekam die noch immer gutaussehende ehemalige Diva die beste Geschichte von ihrem Sohn auf den Leib geschrieben: Olivia, eine Supermarktangestellte, die nebenbei auch noch ihren an den Rollstuhl gefesselten und ebenso phlegmatischen wie lieblosen Mann versorgen muß, hat zwei gegensätzliche, aber miteinander verwobene Träume, und geheime Kohlezeichnungen von ihren Visionen sind die einzigen Auswüchse ihrer jahrelang unterdrückten Kreativität, die ihr Mann (Pete Postlethwaite) nur verhöhnt.

Natalia (Mira Sorvino), die Tochter eines berühmten Fotografen (Klaus Maria Brandauer), hat es geschafft: Ihr erstes Cover auf dem "Time Magazine". Nur dumm, daß sie sich nicht daran erinnern kann, dieses Foto geschossen zu haben …

Die berühmte Cellistin Catherine (die ziemlich Unbekannte Deborah Kara Unger in einer Rolle, um die sie Nicole Kidman oder Renée Zellweger beneiden würden) zieht sich von ihrer Familie zurück, um mit ihrem nach 22 Jahren aus dem Gefängnis entlassenen Vater (McDowell) abzurechnen. Mit der Handfeuerwaffe in der manteltasche ist sie eine Gefahr für sich und andere …

Hört sich soweit doch ganz interessant an … Die erste Hälfte des Films ist auch durchaus gelungen, doch dann schiebt sich die Struktur des Drehbuchs immer mehr in den Vordergrund. Da gibt es ein seltsames kleines Mädchen, das unseren drei Protagonistinnen wie eine lachende Vision erscheint und es kristallisiert sich immer mehr heraus, daß es in den Geschichten der Frauen um ein und dasselbe geht: Um die Entscheidung zwischen Mutterfreuden, Karriere oder Kreativität. Alle drei frauen müssen sich von ihrer Vergangenheit befreien, und gewisse Grenzen überschreiten, aber spätestens, wenn sich herausstellt, daß alle drei (zumindest symbolisch) ihre Töchter vernachlässigt haben, und nur eine von ihnen die Chance hat, diesen Fehler wieder gutzumachen … wenn sich weiterhin herausstellt, daß sich die Männer in diesem Film größtenteils als Ignoranten, selbstsüchtige Ekel oder andere Missetäter herausstellen, während all die Mütter und Töchter für das unterdrückte Gute der Menschheit stehen, dann fühlt man sich als Zuschauer gleich welchen Geschlechts ein bißchen für blöd verkauft.

Das Schlußbild des Films, vom Regisseur als Grundidee und Kern des Streifens überhöht, ist dann allerspätestens die Stelle, wo man nicht mehr an eine Chronologie des Zufalls denkt, wie man sie von Auster kennt, sondern sich nur noch wundert, warum manche Regisseure sich einbilden, sie könnten auch Drehbücher schreiben, denn mit einem halbwegs talentierten Autoren hätte hieraus ein schöner Episodenfilm werden statt dieses falsch verstandenen Feminismus-Lehrstücks für 45jährige Hausfrauen.