The Guys
Von den Bildern des 11. September hat sich eines ganz besonders stark eingeprägt. Ein Bild, das, als es entstand, noch von völliger Unschuld und Harmlosigkeit zu sein schien: Die Aufnahmen einer Überwachungskamera, die zeigen, wie der Attentäter Mohammed Atta die Kontrollen am Flughafen passiert. Bilder wie dieses haben eine eigentümliche Kraft: Sie zeigen einem das
Davor eines Ereignisses, sie zeigen die letzten Augenblicke im Leben der Prinzessin Di oder den Mörder Anna Lindhs kurz vor seiner Tat - und sie zeigen Atta, als er mit seinen Komplizen noch keine 3000 Menschenleben vernichtet hatte. Bilder der Überwachung werden somit auch zu einem Gegenpol des kinematografischen Bildes, das bewusst inszeniert und dem Betrachter in seiner Nachträglichkeit bereits Gewesenes vor Augen führt - die körnigen Bilder der Kameras auf Flughäfen und in Kaufhäusern hingegen zeichnen scheinbare Banalitäten auf, die erst im Nachhinein, nach dem Ereignis, aus ihrem Kontext isoliert werden und eine dann beinah prophetisch anmutende Ahnung des Kommenden vermitteln. Während das Filmbild erst gestellt und dann abgefilmt wird, sind die Videoaufnahmen Attas oder Lady Dis zuerst abgefilmter Alltag und werden dann im Nachhinein zu Vorboten der kommenden Bilder des Todes oder der Zerstörung.
Es ist konsequent, wenn auch The Guys mit Bildern aus einer Überwachungskamera beginnt, denn Jim Simpsons Film beschäftigt sich ganz explizit mit der Verarbeitung der Anschläge in New York durch die Bürger der Stadt, und die körnigen, auf Leinwandformat gebrachten Bilder einer Überwachungskamera einer New Yorker Feuerwache verdeutlichen die Schwierigkeit, mit einem traumatischen Ereignis diesen Ausmaßes anhand konventioneller Filmbilder umzugehen. Die aufgezeichneten ruckartigen Bewegungen der Männer, die von einem Regen aus Papierfetzen des ersten fallenden Turms überschüttet werden und daraufhin mit ihrem Feuerwehrwagen in den Tod rasen, sind die einzige bildliche Repräsentation, die Jim Simpson in The Guys von seinen Helden gibt - und um Helden geht es, wie so oft, wenn Amerika über den 11. September spricht, auch hier. Nicht jene Helden, die CNN in unerträglich stilisierenden Bildern zeichnete, sondern ganz persönliche Helden, die vor der Katastrophe in der Küche der Feuerwache schlechte Spaghetti kochten und gute Witze machten, die sich um die probies, die Feuerwehrmänner auf Probe kümmerten, um ihre Spleens, ihre Stärken und Schwächen. The Guys versucht, ein menschliches Bild derjenigen zu zeichnen, die in Ausübung ihres Berufes am 11. September ihr Leben verloren: Nick (Anthony LaPaglia) ist einer der überlebenden Feuerwehrmänner, und da ihn die Aufgabe, für acht seiner gefallenen Mitstreiter und Freunde Trauerreden zu verfassen, überfordert, wendet er sich mit der Bitte, seiner Trauer ein in Worte gefasstes Gewand zu geben, an die Journalistin Joan (Sigourney Weaver).
The Guys verleugnet nicht seine Herkunft vom Theater: schon 2001 inszenierte Jim Simpson das gleichnamige Theaterstück von Anne Nelson in New York, und die theatrale Konfiguration der Figuren und Räume ist auch im Film deutlich spürbar. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, spielt The Guys im Wohnzimmer der Journalistin, die mit Nick über dessen getötete Freunde spricht. Einer nach dem anderen wird in seinen Erzählungen wiederbelebt, ein endloser Dialog, der sich in Freud'scher Trauerarbeit in Erinnerungen abarbeitet. Die Worte von Nick fasst Joan in schriftliche Form, nach jedem Gespräch über einen der Männer, deren Trauergottesdienste bald anstehen, wird die Rede der Journalistin verlesen, von Nick oder von ihr selbst. Am besten funktioniert The Guys allerdings paradoxerweise, wenn man den Hintergrund des 11. September ausblendet: Die Geschichte um den Trauernden, der seinem Verlust keine Form geben kann, und die Hilfe, die er dadurch erfährt, dass seine Gefühle schriftlichen Ausdruck finden, ist glaubhaft und überzeugend. Die Verschriftlichung der Erinnerung schafft jene Distanz zwischen Trauerndem und den Verstorbenen, die Freund als notwendig ansah, um sich von dem Verschwundenen zu lösen und all die Bindungen, die zu ihm geführt haben, in sich selbst oder zu anderen neu zu knüpfen.
Problematisch wird die Trauerarbeit, die Jim Simpson mit seinem Werk leisten möchte, wenn die persönliche Erinnerung zum Pathos wird: so etwa, wenn in der letzten Szene des Films die letzte Trauerrede nicht mehr im intimen Rahmen des privaten Wohnzimmers verlesen wird, sondern die Trauerfeier gezeigt und ein Feuerwehrhelm in Andenken an den heldenhaft Gestorbenen durch die Kirche getragen wird. Es ist ein Verdienst des Filmes, die Gesichter und Körper der Opfer nicht in Rückblenden zu zeigen, die Erinnerung an sie nur in den körnigen Bildern der Überwachungskamera und den Worten der Trauernden zu wecken, dieses Verdienst wird jedoch aufs Spiel gesetzt, wenn mit dem Helm eine ikonenhafte Überzeichnung der Erinnerung statt findet, die dem Filmzuschauer in tränendrüsen-sicherer Inszenierung auch noch die weinenden Trauergäste, den bewegten Redner und die mitgenommene Journalistin zeigt. Dennoch bleibt The Guys ein Versuch, mit einem traumatisierenden Ereignis umzugehen, der zwar nicht die Kraft und Vielschichtigkeit des Episondenfilms September 11 erreicht, der bereits vor einem Jahr in den Kinos zu sehen war, der es aber dennoch schafft, in konventionellerem Rahmen eine zumindest in Teilen überzeugende Visualisierung von kollektiver Trauerarbeit zu geben, die sich wohl letztlich immer in der persönlichen Biografie verfangen muss.