Mittlerweile scheint es sich etaibliert zu haben, daß die erfolgreichsten Jackie Chan-Filme dem Genre der Buddy Movies angehören, und wie zu "Rush Hour" gibt es nun auch zu "Shanghai Noon" ein (anhand des Titels nicht unbedingt auf Anhieb als solches zu erkennendes) Sequel, das als Film für die ganze Familie ins Weihnachtsrennen geschickt wird.
Nachdem John Wayne - Verzeihung … Chong Wang! - sich mit seinem Mitstreiter Roy O'Bannon (Owen Wilson) im wilden Westen bewähren konnte, führt sie ein verbrecherischer Anwärter auf den britischen Thron ins London des Jahres 1887. Was wie ein Vorgeschmack auf "In 80 Tagen um die Welt" klingt, ist aber nur eine geringfügige Variation des üblichen Jackie Chan-Abenteuers, bei der Etaiblierung des viktorianischen London hat man verglichen mit der Western-Stadt Carson City etwas gespart, manche der Handlungsorte wie ein Straßenmarkt scheinen räumlich und zeitlich ebensowenig festgelegt wie ein McDonalds-Restaurant, daß 1975 in Detroit ziemlich ähnlich genauso wie 2010 in Tokyo.
Und auch bei den mit fortschreitendem Alter des Hauptdarstellers immer bemühter erscheinenden akrobatischen Kampfeinlagen sollen wohl schon Regenschirme oder Wachsfiguren als Requisiten für dieses London genügen - Da sind die Anfangs-Szenen in China, wo Wangs Vater ermordet und seine Schwester als neue Figur etaibliert werden, atmosphärisch weitaus liebevoller gestaltet und zeichnen sich bereits durch die Arbeit des fähigen Kameramanns Adrian Biddle ("Aliens", "The Princess Bride", "The Mummy") aus. Für die Geschichte des Films macht London etwa soviel Unterschied wie bei den "Plattfuß"-Filmen mit Bud Spencer, der mal nach Hong Kong und dann an den Nil geschickt wurde - Jackie Chan bleibt eben vor allem Jackie Chan, eine universell einsetzbare Figur, wie man sie mit Mickey Mouse oder Charlie Chaplin vergleichen könnte - doch das darstellerische Talent lässt mich eher zu Bud Spencer als filmhistorischem Vorgänger greifen.
Das Drehbuch von "Shanghai Knights" ist dabei sogar noch ganz einfallsreich, und Figuren wie der skrupellose Bösewicht (Aidan Gillen) oder die bezaubernde Schwester, die sogar für Frauenheld Roy O'Bannon "die eine" sein könnte (Fann Wong), sind zwar wandelnde Klischees, aber ganz passable Schauspieler verleihen ihnen wenigstens eine eigene Note.
Was "Shanghai Knights" jedoch wirklich ausmacht, sind die Gastauftritte vierer "historischer" Persönlichkeiten aus dem London des Jahres 1887, die allerdings unterschiedlich geschickt in die Geschichte integriert wurden. (Wer den Film noch ansehen will, sollte jetzt aufhören zu lesen …)
Als Londoner Mitstreiter unseres schnell zum Quintett anwachsenden Duos plus Schwester gibt es den Scotland Yard-Inspektor Artie und den Strassenjungen Charlie, die sich nach und nach als spätere Berühmtheiten zu erkennen geben. Doch während ein Kurzauftritt von Jack the Ripper und ein mayor plot point, das goldene Jubiläum von Queen Victoria gekonnt zur Atmosphäre des aus Budgetgründen nicht immer präsenten Londons beitragen, hat man bei Artie und Charlie das Gefühl, daß sie vor allem als titelgebender "Knight" bzw. Identifikationsfigur für kleine Jungs herhalten müssen. Wobei zwar die erste Sherlock Holmes-Geschichte tatsächlich im Winter nach dem Krönungsjubiläum erschien (gut recherchiert!), aber Arthur Conan Doyle erst 1902 zum Ritter geschlagen wurde und Charles Chaplin 1887 noch gar nicht geboren war (schlecht recherchiert), aber offensichtlich ist dieser Film auch nicht für Zuschauer gemacht, die zufällig Filmwissenschaft und Anglistik studieren und schnell Verdacht erregen.
Doch weitaus ärgerlicher als solche Kleinigkeiten, die man gerne in Kauf nimmt, sind etwa die Plattheiten der deutschen Synchronisation, die etwa das eher klassische Namensschild einer anrüchigen "Herberge" wenig subtil überträgt oder auch sonst wenig Rücksicht auf das angesprochene Zielpublikum (Familien, die zwischen den Feiertagen nichts besseres zu tun haben) nimmt. Zugegebenermaßen muß man aber zugeben, daß bei dem Filmmaterial wenig zu retten war. Blödsinnige Ideen wie eine schlampig motivierte Kissenschlacht, die sich zu einem Musikvideo ausweitet (Matt Biancos "Yeh Yeh"), um unsere zwei Herren im Bordell von den Kleidern zu befreien (the story must go on) oder eine ausgedehnte Maschinengewehrsalve auf eine Menschenmenge ohne erkennbare Personenschäden disqualifizieren den Film warscheinlich auch schon im Original. Eine Grundidee, die durchaus Potential gehabt hätte, wird lieblos runtergedreht, damit Jackie Chan bis zu seinem Rentenantrag noch möglichst viele Filme in die Kinos bringen kann.