1990 schrieb Kevin Costner mit seinem Regiedebüt
Dances with Wolves ein wenig Filmgeschichte, und gewann mit einem überlangen Pro-Indianer-Western, der dem amerikanischen Publikum jede Menge Untertitel zumutete, sieben Oscars, darunter die für den besten Film und die beste Regie. Danach folgte das
Waterworld-Debakel und
The Postman, der fast unter Ausschluß der Öffentlichkeit lief, und es wurde sehr, sehr still um den Darsteller, der zu seinen erfolgreichsten Zeiten schon mal als neuer James Stewart oder Gary Cooper gehandelt wurde. (Phil Alden Robinsons
Field of Dreams mit Costner in der Hauptrolle wurde sogar manchmal als modernes
It’s a wonderful life bezeichnet …)
Jetzt meldet sich Costner erneut mit einem Western zurück, dessen Geschichte einerseits an Clint Eastwoods Unforgiven (1992) erinnert, den wohl letzten wirklich erfolgreichen Western (sowohl an der Kinokasse als auch bei der Oscar-Verleihung). Und andererseits an Fred Zinnemanns Klassiker High Noon (1952), der ja passenderweise tatsächlich mit Gary Cooper besetzt war. Annette Bening spielt heuer sozusagen die Rolle von Grace Kelly, wobei die durchaus spröde Liebesgeschichte diesmal nicht mit der Hochzeit beginnt (ich habe aber auch nicht behauptet, daß sie damit endet …).
1882. Charley Waite und Boss Spearman sind seit fast zehn Jahren zusammen als Cowboys unterwegs, als sogenannte Freegrazer, die mit ihren Rindern über die Prärie ziehen. In ihrer kleinen Crew sind außerdem der Hund Tic, der gutmütige Koloss Mose (Abraham Benrubi) und der junge Einwanderer Button (Diego Luna, demnächst in "Havanna Nights - Dirty Dancing 2"), mit dessen "Erziehung" Boss noch ziemlich beschäftigt sind.
Nach den erwarteten Marlboro-Cinemascope-Impressionen folgt ein nächtlicher Sturm mit Regen und Gewitter (die Witterungsverhältnisse in diesem Film stellen selbst noch Unforgiven in den Schatten), der Pferde und Rinder in alle Winde zerstreut und den Planwagen halb in einem Schlammloch verschwinden lässt. Mose wird in die nächste Stadt geschickt, um Vorräte zu holen, während man das Vieh wieder zusammentreibt, aber als er nach zwei, drei Tagen nicht wieder zurück ist, macht man sich Sorgen, und Charley und Boss suchen die Stadt auf, um festzustellen, daß man Freegrazer dort mit Ungeziefer gleichsetzt, solange Gutsbesitzer Baxter (Michael Gambon) und der offensichtlich auf seiner Gehaltsliste stehende Sheriff Poole (James Russo) das Sagen haben. Soweit ist die Situation also immerhin noch ein klitzekleines bißchen besser, als wenn Gene Hackman Legislative, Judikative und Exekutive in Personalunion vertritt. Der übel zusammengeschlagene und ins Gefängnis geschmissene Mose sieht dies aber wahrscheinlich anders.
Ich will jetzt nicht den ganzen Film nacherzählen, aber der Showdown am Schluß ist dann auch wieder Gary Cooper auf zwei Personen aufgeteilt, und der Grad der Gewalttätigkeit bewegt sich irgendwo zwischen den beiden Vorbildern hin und her.
Hört sich soweit nicht besonders inspiriert an, aber Costner gelingt es, durch das Buch und die überragenden zwei Hauptdarsteller, einen zunächst fast minimalistisch erzählenden Western ganz langsam an Dramatik, Verwicklungen und charakterlichen Entwicklungen gewinnen zu lassen, und kleine Details wie Hunde, Schweizer Schokolade, kubanische Zigarren oder ein Teeservice sorgen neben dem grandiosen Ensemble (dabei auch Michael Jeter, der Mülltonnen-Transvestit aus The Fisher King in seiner letzten Rolle) dafür, daß man tasächlich mitgeht mit den Figuren, wie es gerade im Western-Genre nicht immer gelingt.
Man verzeiht die drei Steppenpanoramas zuviel, die ein oder zwei Momente, die etwas zu sehr auf die Tränendrüse drücken - und sogar das Ende, das zehn Minuten früher unkonventioneller und besser geraten wäre. Und man findet sich in einem Film, der nach zehn Jahren Funkstille mal wieder beweist, daß der Western nicht todzukriegen ist, solange sich Regisseure wie Costner, Eastwood oder Lawrence Kasdan um das Genre kümmern.
Nachtrag: Manch Kritiker störte sich an den politischen Implikationen des Films. In einer kürzlich erstellten Umfrage fand man heraus, daß High Noon der Lieblingsfilm der meisten (noch lebenden) US-Präsidenten ist. Man kann die Story des Films natürlich politisch interpretieren (Befreiung einer Stadt mit Waffengewalt etc.), aber meines Erachtens ist das nur eine Fingerübung von Journalisten, die sich einfach nicht damit anfreunden können, daß Kevin Costner einen wirklich anständigen Film vorgelegt hat. Daß er darin eine Person spielt, die nicht immer "anständig" oder politisch korrekt vorgeht (Besonders schön: Das Duell mit dem Revolverhelden), sollte doch als Vorwand reichen, ihm einen Strick daraus zu drehen und sich selbst als politisch aufmerksamen Beobachter hochzustilisieren. Langweilige Taktik, liebe Kollegen!