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Januar 2004
Thomas Vorwerk
für satt.org

Rana's Wedding - Jerusalem, another Day
USA 2003

Rana's Wedding - Jerusalem, another Day (R: Hany Abu-Assad)

Regie:
Hany Abu-Assad

Buch:
Ihab Lamey, Liana Badr

Kamera:
Brigit Hillenius

Musik:
Mariecke van der Linden, Bashar Abd Rabbou

Darsteller:
Clara Khoury (Rana), Khalifa Natour (Khalil), Ismael Dabbag, Walid Abed Eslalam, Zuher Fahoum

Kinostart:
22. Januar 2004

Rana's Wedding
Jerusalem, another Day



Nach einer Nacht, in der sie offensichtlich keinen Schlaf finden konnte, und einer alptraumähnlichen Sequenz, in der sie sich inmitten überdimensionalen Familienfotos findet, wobei sie die "guten Ratschläge" ihrer Angehörigen vernehmen darf, wie sie ihr Leben zu führen hat, macht sich Rana um sechs Uhr morgens auf, um wie Tykwers Lola in Berlin innerhalb einer Deadline schier unmögliches zu schaffen. Ranas Vater hat ihr eine Liste akzeptabler (und williger) Ehemänner gegeben, wenn sie nicht bis 16 Uhr für einen davon entschieden hat, soll sie mit ihm nach Ägypten fliegen.


Rana's Wedding - Jerusalem, another Day (R: Hany Abu-Assad)

Rana's Wedding - Jerusalem, another Day (R: Hany Abu-Assad)

Rana's Wedding - Jerusalem, another Day (R: Hany Abu-Assad)

Rana's Wedding - Jerusalem, another Day (R: Hany Abu-Assad)

Schon, wenn Rana das Haus verlässt, wird klar, daß die 17jährige nicht zu den entscheidungsfreudigen oder gar konzentriert vorgehenden Menschen gehört, aber sobald sie auf die Straße tritt, werden wir der großen Stärke aber auch Schwäche des Films gewahr, denn wie der zweiteilige Titel schon vorwegnimmt, hat dieser Film zwei Hauptfiguren: Zum einen Rana, die statt irgendeines Anwalts oder Arztes lieber den Mann, den sie liebt (einen nicht über jeden Zweifel erhabenen Theaterregisseur namens Khalil), heiraten will - und zum anderen den Ostteil der heiligen Stadt Jerusalem, den Rana nun auf der Suche nach ihrem Schicksal durchschreiten wird.

Hierbei ist zwar schon das morgendliche Erwachen der Stadt interessant, aber natürlich wird mit fortschreitender Stunde die Extremsituation der geteilten Stadt immer klarer. Die israelischen Soldaten gehören zum Alltagsbild, die unterschwellige Gefahr ist allgegenwärtig. Ein hastig hervorgekramtes Handy kann wie eine Handgranate oder Pistole wirken, eine liegen gelassene Plastiktüte ruft das Bombenräumkommando auf den Plan. Unaufhörlich verändert sich auch die Topographie der Stadt, entstehen neu Barrikaden, man muß neue Wege finden (was das Hochzeitsglück nicht begünstigt).

Auch wenn der Film eine große Intensität entwickelt, sowohl im Bild der Stadt als auch im Kampf Ranas gegen die Ungerechtigkeiten des Patriarchat (wenn dieser Aspekt auch nicht zu stark betont wird), ist offensichtlich, daß die idealisierten Figuren Rana und Khalil (die anfänglichen Zweifel über dessen Treue verlieren sich leider total im Laufe der Geschichte) ebenso wenig diesem Alltagsdrama entsprechen wie auch einige der Konflikte mit den Israelis weniger dokumentarisch (man drehte ohne Erlaubnis) als überspitzt erscheinen. Eine der eigenwilligsten Szenen des Films zeigt palestinensische Schulkinder, die Steine auf die verhassten Soldaten werfen, bis dann eines wie nebenbei angeschossen wird. Dadurch wird Rana ausnahmsweise auch zum Handeln animiert, und es wird klar, daß Rana mal wieder ebenso unentschieden ist wie der Regisseur, der nach einem Dokumentarfilm über den "Ford Transit" (die früheren israelischen Militärtransporter, die zu palästinensischen Taxis wurden, gehören zu den geheimen Hauptdarstellern des Films) nicht zwischen symbolisierter Sozialkritik oder einer überzeugenden Charakterstudie entscheiden konnte, es aber meines Erachtens schafft, diese sehr disparaten Elemente des Films größtenteils zu vereinen, wenn es auch immer wieder "bröckelt", was aber teilweise auch zum Reiz des Films beiträgt, während die zu "gelackten" Stellen (als Symbol des Aufbegehrens scheint Rana beispielsweise überhaupt nicht zu transpirieren) noch am ehesten sauer aufstoßen.