Ich habe eine Schwäche für asiatische Filme. Genauso wie für skandinavische, deutsch-, englisch- oder französischsprachige, Animationsfilme oder Science Fiction. Aber nur bei den asiatischen gibt es das Problem, daß ich bei beispielsweise drei schwarzhaarigen Frauen schon höllisch aufpassen muß, sie nicht durcheinander zu bekommen. Und bei
A Tale of two Sisters haben nicht nur die zwei Schwestern die gleiche Haarfarbe, sondern auch deren Stiefmutter, eine öfters auftauchende geisterhafte Erscheinung und auch jene Frau ganz am Anfang des Films, die bei einem Interview in einer psychiatrischen Anstalt sehr wortkarg ist, und der das schwarze Haar so ins Gesicht fällt, daß man ihr Gesicht nun wirklich nicht erkennen kann. Der Psychiater möchte gern wissen, wie sie heißt, ob sie ihre Familie auf einem Foto wiedererkennt, und was damals passiert ist. Sie antwortet auf keine der Fragen, aber der Film schickt uns dann doch auf die Rückblende, die diese Fragen beantworten soll. Der Film ist übrigens eine moderne Adaption eines koreanischen Märchens (Der Originaltitel besteht aus den Namen der Hauptfiguren, die jedoch im Film nicht auftauchen), aber da ich mich da nicht so auskenne, nützt es mir auch mein fundiertes Wissen über die Werke der Gebrüder Grimm nichts.
Es waren einmal zwei Schwestern. Die eine war etwas älter und hübscher und hieß Su-mi. Die andere war etwas langsamer und hieß Su-yeon. Deren Vater hatte eine neue Frau an seine Seite genommen, die Mu-hyun hieß, und mit der sich die Kinder nicht gut verstanden. Während Su-yeon unter unerklärbaren Alpträumen und Visionen litt und insbesondere Angst vor einem bestimmten Wandschrank hatte, schürte sich Su-mis Hass auf die Realität und insbesondere die Stiefmutter, der sie eigentlich alles zutraute, während der Vater offensichtlich völlig schimmerlos durchs Leben wackelte und das Ansehen der geliebten Mutter mit Füßen trat für diese geschwätzige, zu Wutausbrüchen neigende Person.
Zwischen den beiden Schwestern bestand eine besondere Bindung. Während Su-mi immer besorgt über ihre jüngere Schwester war, folgte ihr Su-yeon oft, insbesondere, wenn sie nachts von einer seltsamen, ziemlich tot aussehenden weiblichen Gestalt in ihrem Zimmer heimgesucht wird, die auch noch zwischen den Beinen blutet. Daß eine der Schwestern in dieser Nacht ihre Periode hat (erst dachte ich, es wäre Su-mi gewesen, aber ich will es nicht beschwören), deutet irgendwie auf eine Verbindung. Und wenn man dann erfährt, daß auch die Stiefmutter gerade ihre Tage hat, ahnt man eine hinterhältige Verschwörung.
Doch wenn Mu-hyun zum Abendessen ihren Bruder Sun-kya und dessen Frau Mi-hee einlädt, dabei versucht, die perfekte Gastgeberin zu sein, aber die Schwänke aus der gemeinsamen Kindheit durcheinanderbringt, bevor die Schwägerin einen epileptischen Anfall bekommt und glaubt, unter der Spüle ein Mädchen gesehen zu haben, hat man irgendwie das Gefühl, daß auch Mu-hyun zumindest teilweise das Opfer dieser Geistererscheinung sein könnte und nicht deren Initiator. Und sie wird doch wohl auch kaum ihre geliebten Vögel selbst umgebracht haben, oder?
A Tale of two Sisters lässt sich Zeit, die zum Teil ungestellten Fragen zu beantworten. Was geschah mit der Mutter? Wieso hat Su-yeon Angst vor dem Wandschrank, was wird nie wieder passieren, und was hat die Stiefmutter damit zu tun? Warum fragt man Su-mi dauernd, ob es ihr jetzt besser geht, obwohl doch eindeutig ihre Schwester die größeren psychischen Probleme zu haben scheint? Oder habe ich die beiden wieder verwechselt wie bei der Szene, wo ich eigentlich gedacht habe, die beiden schlafen in Su-mis Bett und nicht in dem von Su-yeon (siehe oben)?
Fragen über Fragen, doch die Antworten haben es auch in sich. Das viel zu große Landhaus mit seinen seltsamen Geräuschen, den knarrenden Türen und den immer wieder auftauchenden toten Vögeln* oder anderen blutigen Objekten sorgen für eine Stimmung wie etwa bei The Others, und insbesondere der Einsatz von Stereo-Ton-Effekten ist geradezu genial. Man hört jemanden (Su-yeon? Su-mi? einen Geist?) im Obergeschoß langlaufen oder plötzlich gibt einem ein wirres Lachen oder ein unterdrückter Schrei, der direkt aus dem Publikum zu kommen scheint, einen größeren Schreck als das grausige Mädchen unter der Spüle …
Im Gegensatz zu The Others ist hier aber die Musik recht sparsam eingesetzt, und eines der auffallendsten inszenatorischen Merkmale ist neben der entfesselten, oft sprunghaft in den subjektiven Bereich vordringenden Kamera die Angewohnheit, immer wieder die Füsse der Schwestern zu zeigen. Was mir bei der Unterscheidung auch nicht wesentlich helfen konnte, obwohl ich zugeben muß, daß dieser Fußfetischismus nie dazu benutzt wurde, den Zuschauer in die Irre zu führen, sondern vor allem, um die Atmosphäre noch zu steigern. Schon zu Beginn des Films sitzen die Schwestern am nahen See und man hat das Gefühl, Bruce persönlich stürzt sich gleich auf die unter Wasser aufgenommenen Füsse der einen Schwester. Doch - und dafür bin ich dem Film unendlich dankbar - es gibt keine Wasserleiche in A Tale of two Sisters. Weitere Beruhigungsformeln kann ich an dieser Stelle jedoch nicht anbieten …
* Einen Kanarienvogel im Bett zu finden ist ja immer noch besser als einen Pferdekopf beim Aufwachen neben sich liegen zu haben …