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September 2004
Thomas Vorwerk
für satt.org

In the Cut
USA / Australien 2003

Filmplakat

Regie:
Jane Campion

Buch:
Jane Campion, Susanna Moore

Lit. Vorlage:
Susanna Moore

Kamera:
Dion Beebe

Schnitt:
Alexander de Franceschi

Musik:
Hillmy Örn Himarsson

Darsteller:
Meg Ryan (Frannie Avery), Mark Ruffalo (Detective Malloy), Jennifer Jason Leigh (Pauline), Nick Damici (Detective Rodriguez), Sharrieff Pugh (Cornelius Webb), Kevin Bacon (John Graham), Micheal Nuccio (Frannies junger Vater), Alison Nega (dessen Verlobte)

118 Min.

Kinostart:
30. September 2004

In the Cut


Filmszene
Filmszene
Filmszene
Filmszene
Filmszene
Filmszene

Nachdem sie in Against the Ropes eine Box-Managerin gespielt hatte, kommt nun ein anderer (früherer) Versuch von Meg Ryan, sich von ihrem immersüßen Romantic Comedy-Image zu befreien, in die deutschen Kinos. Wer Susanna Moores gleichnamige Romanvorlage (dt.: Aufschneider) kennt, wird es schwer haben, sich Ms Ryan in dieser Rolle oder auch nur dieser Geschichte vorzustellen, doch die neuseeländische Regisseurin Jane Campion hat es auch schon verstanden, aus dem Komödienwirbelwind Holly Hunter (The Piano) oder der (damaligen) Superstargattin Nicole Kidman (Portrait of a Lady) ernstzunehmende Schauspielerinnen zu "extrahieren". Campion schreckt auch nicht davor zurück, die düstere Atmosphäre des Buchs in einen Erotik-Thriller zu übertragen, bei dem diesmal nicht (wie im Mainstreamkino üblich) alle primären Geschlechtsorgane herausgeschnitten wurden, auch wenn das Buch noch um einige Nuancen expliziter ist als es ein Film ohne R-Rating jemals sein kann.

Nachdem der Film mit unscharfen, verwackelten Stadtbildern und farbenprächtigen Herbstimpressionen beginnt und man über den Soundtrack ("Que sera, sera") doch noch relativ nah am üblichen Meg Ryan-Image aus When Harry met Sally etc. entlangschrappt, entfernt sich der Vorspann spätestens mit der Einblendung des Filmtitels und dessen blutroter Visualisierung vom üblichen Prinzessinnen-Dasein der Hauptdarstellerin. Frannie Avery (Meg Ryan) unterrichtet an einer Uni (natürlich über Virginia Woolfs In the Lighthouse), sie sieht das Schreiben als eine Leidenschaft, scheint sich besonders für phallische und vaginale Symbolik zu interessieren und scheibt sich für ihre geplante Monographie über den Slang die Kraftausdrücke ihrer Studenten (Broccoli, Virginia, meow) nieder wie einst Prof. Higgins. (Im Buch wird dieser sprachwissenschaftliche Teil natürlich noch weitaus stärker beleuchtet, dafür wir im Film mehr Wert auf die U-Bahn-Gedichte gelegt.)

Bevor sich Frannie in der Unterwelt des Sexus verliert, wird ihr unausgelebter Trieb immer wieder über Symbole vergegenwärtigt, eine Zigarette, die in einer Kaffeetasse "gelöscht" wird oder auch später die Impotenz signalisierende Wasserpistole eines der zwei Polizisten, die sie nach einer sexuell motivierten Gewalttat in der Nachbarschaft zunächst befragen und später schützen sollen.

Einer der zwei Polizisten, Detective Malloy (Mark Ruffalo, mal wieder einzigartig), interessiert sie besonders, unter anderem wohl auch deshalb, weil sie in einer Nachtbar, in der sie sich mit ihrem Studenten Cornelius getroffen hatte, auf der Suche nach der Toilette Zeugin eines Blow-Jobs wurde. Den Kopf des Mannes hat sie nicht gesehen, doch er trug einen ähnlichen Anzug wie Malloy und hatte auch das gleiche Tattoo auf der Hand. Noch folgenschwerer für alle Beteiligten: Bei der Frau handelt es sich um das spätere Mordopfer …

Frannie steht vor dem Problem, das in den 1980ern ganze Serien von Filmen wie Basic Instinct vorantrieb: Ist ihr Lover nur die Antwort auf Jahre des Hungers nach Sex oder wird er ihr den Tod bringen? Ebenso wie im Buch wird die Präsentation diverser Verdächtiger (der Student, die Polizisten, der Exmann, der es jetzt mit der Halbschwester treibt) in den Hintergrund verlegt, Frannies Erkundung der Sexualität ist wichtiger als die Lebensgefahr. Der Film ist bei der Auflösung zwar nicht so radikal wie das Buch , gewinnt aber unter anderem durch verschachtelte Symbolik oder die visuelle Ausführung einer Episode aus dem Leben von Frannies Vater - und natürlich durch die Besetzung, die selbst noch für Nebenrollen mit Vollblutschauspielern wie Jennifer Jason Leigh oder Kevin Bacon auffahren kann.