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Indochina 1920: Der Film beginnt mit der relativ plastisch dargestellten Zeugung der Titelhelden. In den verlassenen Tempelruinen von Angkor umkreisen sich zwei Tiger beim Liebesspiel. Annaud setzt bereits in den Anfangsminuten seines Films die Messlatte hoch an, arbeitet sehr filmisch mit Schattenspielen und ausgefeilten Kamerafahrten, die allerdings unter der aufdringlichen Musik leiden. Anderswo sieht man Aidan McRory (Guy Pearce), einen Tierhändler, wie er in einem Aktionshaus schmerzhaft erfahren muß, daß antike Kunstfunde inzwischen weitaus mehr wert sind als seine Beiträge zur Versteigerung, Tiertrophäen. Es kommt, wie es kommen muß, einige Zeit später will McRory Teile des alten Tempels zu Geld machen und trifft dabei auf die Tigerfamilie, bzw. die Reste davon, denn die Tigermutter ist bereits mit Sangha im Maul geflohen, nur Kumal bleibt zunächst im Tempel zurück, McRory wird ihn schließlich unter der Leiche seines Vaters hervorholen und mit sich nehmen. Der Film verfolgt nun die Abenteuer der beiden getrennten Brüder und führt sie schließlich bei einem als Großspektakel angepriesenen Tigerkampf wieder zusammen. Jederzeit ist offensichtlich, daß der Film vor allem für ein sehr junges Publikum konzipiert wurde, gerade die kleinen Abenteuer der jungen Tiger, die Fußball spielen, sich gegen kleine Gegner erwehren müssen oder generell mit den Widrigkeiten der Umwelt zu kämpfen haben, werden Kinder verzücken, der Knuddelfaktor der jungen Katzen ist immens. Doch viele Details der Geschichte sind auch für die erwachsenen Begleiter des Zielpublikums arrangiert, etwa hormonelle Verwirrungen und eine kleine Love Story, aber auch einige zarte Spitzen gegen Korruption, Tierhandel und die genetisch bedingte Verblödung der Mitglieder von Königshäusern. Wenn ein vietnamesischer Kinderchor aber die Marseilleise anstimmt, weiß man nicht mehr genau, ob dies ein politischer Kommentar sein soll oder doch mehr eine Beweihräucherung. Der Film beginnt wie eine Mischung aus Zeichentrick- und Realfilmen aus dem Hause Disney. Die Tempelruinen könnten direkt aus The Jungle Book übernommen sein, die tränenreiche Geschichte vom verstorbenen Elternteil eines Jungtiers kennt man aus Bambi und vielen anderen Filmen - und der inszenierte Stil der Tieraufnahmen erinnert auch an die in den 1950ern vorherrschende "Dokumentarfilm"-Prägung, wobei man sich auch bei Annaud noch oft fragt, warum für visuelle Scherze wie den zwischen Teddybären versteckten Tigerjungen sämtliche Logik auf der Strecke bleiben muss. Dann allerdings wird aus dem Film eine Art Gladiatorenfilm mit Tigern als Hauptdarstellern, was zwar innovativ erscheint, aber gerade auf der Storyebene nicht immer überzeugt. In der dem Pressepublikum vorgeführten Version des Films sind noch einige Szenen, die später entfernt werden sollten, weil sie ein junges Publikum verstören könnten, doch wenn man eine Geschichte um die Unzähmbarkeit von Tigern erzählen will, in der auch mal ein nerviger Schoßhund oder ein bösartiger Zirkusdresseur auf der Strecke bleiben, kann man das Blut nicht immer herausschneiden, vielleicht hätte Annaud sich lieber während der Story-Phase seines Projekts überlegen sollen, auf welche Weise er es vermeiden kann, dem jungen Publikum zuviel zuzumuten. So bleibt der Film etwas zwiespältig, denn zwar wird kindlichen wie erwachsenen Zuschauern viel geboten, aber gerade, wenn man schon etwas älter und weiser ist und den Film hin und wieder hinterfragt, ist es nicht zu übersehen, daß eine Konzentration auf Kinder- oder Erwachsenenfilm Deux freres sicher gutgetan hätte, bei L’ours ist dieser Balanceakt definitiv besser gelungen. |
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