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Dezember 2004 | Benjamin Happel für satt.org | ||
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Das Phantom der Oper
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1925 war es ein Spektakel: Das Phantom der Oper in Filmform, stumm zunächst, erst nach einigen Jahren kam eine Fassung des Filmes auf den Markt, die mit der neuen Technik des Tons auftrumpfen konnte. Was dennoch bereits an der Stummfilmfassung des Stoffes spektakulär war, war die Farbe. Natürlich aus Kostengründen noch nicht im gesamten Film, aber dennoch in ausgesuchten Sequenzen: Der Auftritt des Phantoms bringt auch die Farbe mit in den Film. Vielleicht nur ein Zufall, vielleicht aber auch eine Reminiszenz an den Klassiker des Horrorkinos, wenn Joel Schumacher auch seine Adaption des Stoffes schwarzweiß beginnen lässt. Das Opernhaus sieht man da von außen, kurz darauf die Versteigerung des Kronleuchters, dessen Sturz ins Publikum die wohl bekannteste Stelle der Geschichte sein dürfte. Der alt gewordene Raoul (Patrick Wilson) ist auch anwesend bei der Versteigerung, und seine Erinnerung an die Geschehnisse leiten die Rückblende ein in die eigentliche Handlung des Films. Der Kronleuchter steigt wieder auf, die Bühne wird illuminiert, und damit hält die Farbe auch Einzug in Schumachers Verfilmung von Andrew Lloyd Webbers erfolgreichem Musical.
Es wäre schön, wenn sich Schumacher in seinem Film öfter an der Filmgeschichte orientiert hätte, aber sein Spiel mit der Ankunft der Farbe bleibt als relativ einsames Stilmittel zurück. Spätestens seit Einzug des Tonfilms ist die Adaption von Bühnenmusicals eine Herausforderung für Filmemacher – zuletzt hat sich ganz explizit Chicago mit den Fragen der Inszenierung in Theater und Film auseinander gesetzt. Die Songeinlagen wurden dort zu Nummern, die ganz offensichtlich auf die Ästhetik der Bühne zurückgriffen und die Beschränkungen der Konstruktion von Kulisse und Raum, den Blick aus dem Zuschauerraum auf das distanzierte Spektakel bewusst reproduzierte. Anders handelte schon vor vielen Jahrzehnten einer wie Busby Berkeley: Seine Musicals waren eine Feier der Möglichkeiten des Films, der sich in der Entfesselung seiner Kamera und der Verwandlung der Schauspielerkörper in ornamentale Muster erging. Schumacher entscheidet sich für keinen der beiden Wege. Einfach nur langweilig bleibt seine Inszenierung der Songeinlagen, immer wieder kreisen seine Großaufnahmen um die singenden Gesichter der Helden. Weder versucht er in seiner Webber-Adaption eine Reflexion auf das Zusammenspiel von Zuschauer und Bühne, noch taucht er ein in die Mainstream-geschulte und doch komplexe Ästhetik beispielsweise eines Moulin Rouge!. Sicher erfreut sich die Leinwand im Phantom der Oper auch der überbordenden Kostüme und der aufwändigen Kulissen, dennoch bleibt es einfallslos, wie all dies weniger in Szene gesetzt als vielmehr einfach abgefilmt wird.
Webbers Musical war und ist ein Welterfolg und ist bereits die dritte seiner Arbeiten, die verfilmt wird – Jesus Christ Superstar und Evita brachten bereits vor Jahren seine Kompositionen ins Kino. Das Phantom, sagt er, habe er schon Mitte der 80er verfilmen wollen, ebenfalls mit Joel Schumacher in der Regie. Daraus wurde nichts, da Schumacher mit der Produktion zahlloser Blockbuster und leider auch vieler sehr mittelmäßiger Streifen beschäftigt war. Jetzt hat es doch geklappt, allerdings merkt man dem Projekt die Jahre an, die es auf dem Buckel hat. Das ist nicht immer schlecht – das 80er-Jahre-Revival, noch immer nicht ganz vorbei, wird den Synthesizer- und Keyboardrhythmen des Filmes sicher einige Zuschauer mehr in die Arme treiben. Und jene Songs, die die elektronische Musik so sehr zelebrieren wie das Titellied, sie gehören auch zu den Höhepunkten des Films. Wenn das singende Phantom (Gerard Butler) seine Angebetete Christine (Emmy Rossum) in sein Verlies führt und dazu die Musik durch die Katakomben der Pariser Oper donnert, dann ist das ein Augenblick, in dem die angestaubten Mittel der Inszenierung so gut zur in allen Kaufhäusern des Landes bereits zu oft gespielten Musik passen, dass der Film tatsächlich so etwas wie Charme entwickelt. Einen Charme des Trash und des Camp vielleicht, aber immerhin ein Augenblick der Sympathie. Hätte Webber die Rechte an seinem Stück in die Hände eines Visionärs wie Tim Burton gegeben, dann wäre vielleicht aus seinem Musical etwas Neues, etwas unerwartetes geworden. Aber das hat er vermutlich gar nicht gewollt, denn seine Musik ist erfolgreicher Kommerz, und in dieser Hinsicht passt die unaufgeregte Regie Schumachers, die so gar nichts riskiert, dann vielleicht doch ganz gut – auch wenn man sich mehr erwartet, mehr gewünscht hatte.
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