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Dezember 2004
Daniel Walther
für satt.org

Ravioli
Österreich 2003

Filmplakat

Regie:
Peter Payer

Buch:
Alfred Dorfer

Kamera:
Thomas Prodinger

Schnitt:
Cordula Werner

Musik:
Lothar Scherpe/ Peter Herrmann

Kostüm:
Thomas Olah

Darsteller:
Alfred Dorfer (Heinz Hoschek), Gertraud Jesserer (Mama Hoschek), Branko Samarovski (Papa Hoschek), Günther Paal (Geist der 70er / Tod), Michou Friesz (Karin Weichselbaumer)

79 Min.

Kinostart:
16. Dezember 2004

Ravioli

"Ist Optimismus nur eine Form von Informationsmangel?"


Filmszene
Filmszene
Filmszene
Filmszene
Filmszene

Wenn wir nun mal von der Wahrheit dieser Frage, die Heinz Hoschek sich und uns stellt, ausgehen würden, könnte man anhand des Films ableiten, dass er einen hervorragenden Informationsstand besitzt. Denn Heinz Hoschek schaut alles andere als optimistisch in die Zukunft. Der Film beginnt damit, dass er in die Wohnung der Eltern zieht, nachdem seine Mutter gestorben ist und sein Vater ins Pflegeheim gezogen ist. In die Situation, in das schon verlassene Nest zurückzukehren ist er nur gekommen, weil er seine Anstellung als Bankfilialleitervertreter verloren hat und darüber hinaus seine Ehe gescheitert ist. So sitzt er in Unterwäsche auf der Couch der Eltern im Wohnzimmer und erinnert sich unter dem Einfluss von Valium (heruntergespült mit Alkohol) an vergangene bessere Tage. Und während er so vor sich hin sinniert, verliert sich Hoschek in Erinnerungen und Rausch-Phantastereien. Er trifft Menschen aus der Vergangenheit und allegorische Figuren, mit denen er sich angeregt unterhält, wie z. B. als er auf dem Friedhof das Grab der Mutter pflegt und diese auftaucht und ihm zum Tee einlädt. Wie er da so sitzt und in Gedanken schwelgt, stolpert er auch über Wünsche und Interessen. So hat er schon sein Leben lang eine Vorliebe für Wasser, welches dazu führt, dass er sich entschließt, jetzt wo er gerade schon die Zeit hat, noch mal etwas auszuprobieren z.B. Bademeister zu werden, um so die vielleicht erlösende Wende nochmals zu schaffen. Nur diesen Eindruck bekommt man einfach nicht und er selbst scheint auch nicht davon auszugehen.

Ravioli ist eine Gratwanderung zwischen der ironisierenden und durchaus sehr witzigen Art und Weise, wie Hoschek seine Situation, die nun wieder eigentlich gar nichts Lustiges hat, zu nehmen weiß. Eben dieser „Sweet & Sour“ Konflikt verschafft einem Film wie diesen auch Wirkung und macht ihn sehenswert. Wenn Heinz H. im Rausch nochmals auf reale Figuren aus seinem Leben trifft, aber auch auf allegorische wie Gott, Tod, den Geist der 70er oder Gabriel ist das meistens furchtbar witzig, aber darüber hinaus sind seine Reflektionen über sein Leben aber auch das Philosophieren mit den Figuren gleichwohl sarkastisch wie auch clever. Der Film birgt natürlich gesellschaftskritische Komponenten und bezieht sich durchaus auf gegenwärtige soziale Zustände, die nicht nur in Österreich zu finden sind. Ohne belehrend zu sein schafft es Ravioli, durch die Darstellung von Heinz H. bei der finalen Rundumbetrachtung seines Lebens, der Welt und sogar des Universums ein wenig Nachdenklichkeit zu erzeugen, die eben gerade durch das unterschwellig eingebrachte an Form gewinnt und deshalb auch nicht ganz so plump daher kommt. Eine weitere ganz persönliche Beobachtung konnte ich bei mir machen als ich feststellte, daß es mir durchaus möglich ist, Österreicher (hier vielleicht auch spezieller Wiener) beim Sprechen zuzuhören und das es anscheinend vom gesagten abhängt wie unangenehm mir der Akzent vorkommt. Der Film wird bei all dem Fokus auf die Hauptfigur natürlich stark von seinem Hauptdarsteller, der eben deutlich mit Akzent spricht, getragen. Alfred Dorfer ist mir bis jetzt noch unbekannt gewesen und ist in Österreich als Kabarettist und Schauspieler bekannt und hat mit seinem kabarettistischen Stück „heim.at“ die Grundlage für den Film geliefert. Es wurden Elemente aus dem Bühnenstück genommen und für den Film umgearbeitet. Wenn man um diese Information weiß, kann man im Film natürlich den Ursprung bei bestimmten Szenen wie den Allegorien deutlich ausmachen, weil man sich diese auch sehr gut auf einer Bühne vorstellen könnte. Das Alfred Dorfer Kabarettist, ist merkt man und es kommt ihm dann selbstverständlich zu gute, wenn Heinz Hoschek mit hervorragender Rhetorik und ein wenig Ironie einen seiner Gedanken ausbreitet oder sich mit einer der Figuren unterhält. Das Heinz H. im Laufe des Filmes immer mehr den Bezug zur Realität verliert und die Auftritte von z. B. religiösen Figuren sich häufen merkt man auch in der Bildsprache, wenn die Farben nicht so kräftig oder etwas ausgeblichen sind, ist es möglich Phantasie/Rausch und Realität zu unterscheiden. Auch erscheinen Ausflüge in seine Vergangenheit wie z. B. Urlaub am Meer in bekannter Handvideokamera-Optik, die wohl die meisten von spannenden Aufnahmen diverser Familienereignisse her kennen. Die Aneinanderreihung der Bilder ist mitunter etwas wild, aber sehr stimmig mit den teilweise abenteuerlichen Selbstgesprächen, die Hoschek lebhaft und mit trockenem Witz führt. Diese sichtbare Dreiteilung der Handlungsebenen hilft natürlich der Geschichte abwechslungsreicher und somit lebhafter zu sein. Der Film ist mit seinen 79 Minuten zwar nicht besonders lang, aber dafür wird die angebotene Zeit optimal genutzt. Der Regisseur Peter Payer hat natürlich seinen Teil dazu beigetragen, was ich nicht vergessen möchte zu erwähnen denn mit Alfred Dorfer zusammen haben beide eine Komödie mit viel schwarzen Humor und etwas Tragik gemacht in der Payer den „One Man“ Abgang Hoschek's gekonnt inszeniert. So ist die Benennung des Films nach einer bekannten Dosen Teigware, die auch kalt zu essen ist, für einen Menschen wie Heinz H. mit seiner Situation eine sehr passende Metapher für seinen Zustand, aber matschig oder schlabberig ist der Film deshalb zum Glück nicht.