Back to the Roots
Mike Nichols' Debütfilm war die Adaption von Edward Albees Theaterstück Who's Afraid of Virginia Woolf? (1966), die durch die eindrucksvolle Schwarzweiß-Photographie und das Casting des Mehrfach-Ehepaars Taylor/Burton von sich reden machte. Fast vierzig Jahre später legt Nichols, um den es seit Working Girl (1988) etwas ruhiger geworden war, erneut mit einer Theaterverfilmung sein Comeback vor, und wieder geht es fast ausschließlich um vier Personen.
In jeder Szene von Closer sprechen zwei der vier Personen miteinander, einzig die Tatsache, daß es auch je eine rein männliche bzw. weibliche Szene gibt, verhindert, daß das Stück wie Smoking / No Smoking von einem Darstellerpaar in Doppelrollen vorgetragen werden könnte. Nichols kaschiert die Theaterherkunft etwa dadurch, daß es schon in der ersten Szene des Films einen Autounfall gibt (von dem man auf der Bühne sicher nur über einen Umweg erfährt), und daß einige der Settings wie die Vernissage von Annas (Julia Roberts) Photographien, das Striplokal, in dem Alice (Natalie Portman) arbeitet, einem Aquarium, in dem sich Anna und Larry (Clive Owen) treffen oder einer großräumigen Wohnung, in der sie später leben, so gar nicht theaterhaft wirken.
In der Konstellation der Figuren und der (wie gesagt kaschierten) Dialoglastigkeit erinnert Closer ebenso wie in einem seiner bevorzugten Themen an Steven Soderberghs Debüt Sex, Lies and Videotape (1989), und statt einer Inhaltsangabe will ich kurz die Versuchsanordnung beschreiben: Zwei Amerikanerinnen treffen in London auf zwei Engländer, dabei handelt es sich bei jeweils einer Frau und einem Mann um Künstler (die Photographin und der verhinderte Schriftsteller Jude Law), ein Pärchen tendiert eher zur schonungslosen Wahrheit, während das andere sich in Verstellung und Täuschung übt, doch im Verlauf des Films lernt man dazu …
Wie bereits erwähnt, ist jede Szene des Films ein Dialog zwischen zwei der Personen, was durch einige Ellipsen und später angedeutete Rückblenden erstaunlich spannend bleibt. Jede der Figuren gewinnt dadurch an Konturen, daß sie auf Stärken des jeweiligen Darstellers aufbaut, etwa auf Jude Laws Spitzbübigkeit und Verletzlichkeit, auf Clive Owens aufbrausende Energie, auf die Unschuld von Natalie Portmans Augen oder gar auf Julia Roberts' vermeintliche Harmlosigkeit. Das funktioniert natürlich nicht für jeden Betrachter, aber insbesondere ein anzüglicher Internet-Chat oder eine spätere Szene zwischen Owen und Portman sollten eigentlich jeden Zuschauer von der durchgehenden Qualität des Films überzeugen - wenn man nicht gänzlich immun gegenüber diesem verkleinerten Reigen um entfachende Liebe und vergehende Gefühle, ums Hintergehen und Verlassenwerden ist.
Der wohl bekannteste Film von Mike Nichols dürfte The Graduate / Die Reifeprüfung (1967) sein, und ein Zitat daraus, das sich in die Filmgeschichte und das kollektive Bewußtsein eingeschrieben hat - "Mrs. Robinson, are you trying to seduce me?" - erfährt in Closer seine postmodern aktualisierte, ironisch gebrochene Neugeburt, wenn Clive Owen zu Natalie Portman in einer Situation, die ich hier nicht beschreiben werde, sondern die man gesehen haben muß, sagt: "Are you flirting with me?". Jeder, der mit diesem Film flirten will, wird auch auf seine Kosten kommen …