Der junge, aus München stammende Regisseur Florian Gallenberger hatte bereits mit seinem in Mexiko spielenden Kurzfilm Quiero Ser 2001 einen Kurzfilm-Oscar gewonnen, und entsprechend lag die Last der Erwartung auf dem Anfang 30jährigen. Doch statt mit dem Oscar im Handgepäck triumphierend nach Deutschland zurückzukehren, entschied er sich für seinen ersten Langfilm erneut für einen exotischen Spielort, wenn auch unterstützt von deutschen Produzenten wie Helmut Dietl.
Indien. Der alte Ravi fährt mit seiner Limousine zu einer verlassenen Teppichfabrik bei Kalkutta, von wo aus ihn Erinnerungen in seine Jugend führen, als er sich als 11jähriger durch Entbehrungen und nächtliches Teppichknüpfen schon früh in der hauptsächlich durch fast sklavenartige Kinderarbeit geführten Fabrik "nach oben" arbeitet. Sein Ehrgeiz und Geschäftssinn halten ihn aber nicht davon ab, dem hübschen Neuzugang Masha ritterlich einen Teil seines Abendessens abzugeben – der Beginn einer lebenslangen Liebe. Doch das Schicksal erlaubt es den beiden nicht, ihr gemeinsames Glück zu finden. Als der Fabrikbesitzer Masha an einen Mädchenhändler verkaufen will, kauft Ravi sie mit seinen Ersparnissen frei. Beim Abschied verspricht sie ihm, jeden Vollmond im größten Shiva-Tempel von Kalkutta auf ihn zu warten. Jahre später hat Ravi, inzwischen der beste Knüpfer der Fabrik, genügend Geld, um Masha in die Stadt der tausend Lichter zu folgen. Es ist Vollmond, der Shiva-Tempel wogt in bunter, Bollywood-typischer Atmosphäre, aber die Blicke der beiden inzwischen erwachsen gewordenen Protagonisten treffen sich nicht. Viele Jahre später werden sie von einem weiteren unglücklichen Zufall ein drittes Mal getrennt. Der Schicksalskreis schließt sich in der Rahmenhandlung, in der der alte Mann ein letztes Mal auf seine große Liebe trifft.
Schatten der Zeit übernimmt und verfeinert die Handlungsstrukturen klassischer Melodramen, wie sie auch im Bollywood-Kino immer wieder hervortreten – und deshalb wird hier auch nicht mehr über den Inhalt des Films, über die Antwort auf die Frage, ob sie sich "kriegen" werden, verraten. Denn trotz einer gewissen Formelhaftigkeit des Drehbuchs ist die Liebesgeschichte von Ravi und Masha durchaus ergreifend, dutzendfach ergreifender als alles, was Helmut Dietl in den letzten Jahren so auf die Beine gestellt hat. Ähnlich wie sein Held, der zunächst kleine Ravi, scheint auch Florian Gallenberger seine große Leidenschaft – für’s Kino – zur Motivation genutzt haben, die ihn für die Dreharbeiten sogar Bengali lernen ließ. Dem Film ist die Sorgfalt und Genauigkeit anzumerken, mit der der Regisseur seine Aufgabe angegangen ist. So dient Indien eben auch nicht nur als exotischer Schauplatz, stattdessen lebt der Film in und von den kulturellen Traditionen und der Geschichte des Landes. Seinen sozialen Aufstieg verdankt Ravi seinem merkantilen Pragmatismus, der ihn seine jeweiligen Lebensumstände erkennen, akzeptieren und (zumeist) zu seinen Gunsten nutzen lässt. So erscheint auch die Kinderarbeits-Sequenz in der Teppichfabrik nicht als aufgesetzt didaktisch, sondern die Kritik wird subtil in die Handlungsfäden eingearbeitet – wie Ravi erweist sich auch Gallenberger schon in jungen Jahren als handwerklicher Meister am cineastischen Webstuhl. Verwoben werden dabei auch Elemente/Tendenzen des indischen und des deutschen Kinos, die sich gegenseitig ergänzen, und dabei vor allem die Extreme beider Seiten geschickt vermeiden: statt einer brünftigen Bettszene subtile Erotik, statt bombastischer Ballszenen dezenter Musikeinsatz. Kino der Gefühle, das die Kulturen verbindet.