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August 2005 | Thomas Vorwerk für satt.org | ||
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Sábado
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Daß Sábado aus Chile kommt und nur 65 Minuten geht, ist nicht das Auffälligste an diesem Film, der "in Echtzeit" in einer einzigen Einstellung gedreht wurde. Was Hitchcock bei Rope (Cocktail für eine Leiche, 1948) rein technisch noch nicht möglich war, und was bei Filmen wie Russian Ark auch recht schnell ermüdend wirken kann, wird hier zu einer spritzigen Idee, die das Publikum der Berliner Premiere in den Hackeschen Höfen trotz einer während der Vorstellung ausgefallenen Lautsprecherbox begeisterte.
Antonia schnappt sich einen Kameramann (Gabriel Díaz, der Kameramann des Films spielt sozusagen auch mit), schärft ihm ein, unter keinen Umständen die Aufnahme abzubrechen, und dringt mit ihm zusammen kurz vor der Hochzeit in die Wohnung der zukünftigen Braut Blanca ein, um diese darüber zu unterrichten, daß Víctor, ihr Gatte-in-spe nicht nur schon länger etwas mit Antonia hat und sie dabei auch schwängerte, sondern er noch die vergangene Nacht nach dem Junggesellen-Abschied bei ihr verbracht habe. Ob Antonias Besuch ein Freundschaftsdienst unter Frauen oder eine Rache, einen Kampf um Víctor darstellt, wird nicht ganz klar, ist für den weiteren Verlauf des Film aber auch ohne Bedeutung, denn Blanca "übernimmt" einfach den Kameramann, verspricht ihm die Gage, die man jetzt bei der ausfallenden Herstellung des Hochzeitstapes spart, und konfrontiert Víctor mit dieser Neuigkeit - mit dem Kameramann im Schlepptau taucht Blanca einfach in Víctors Badezimmer auf, und der Duschende, der noch Seife im Gesicht hat, verfolgt, nur mit einem widerspenstigen Handtuch bekleidet, in der wohl witzigsten Szene des Films seine Ex-Zukünftige, um zu retten, was noch zu retten ist.
Die zweite Hälfte des Films will ich an dieser Stelle nicht ausplaudern, nicht alles ist so überzeugend wie die Grundidee, aber bis zum Schluß kann das Drehbuch mit einigen Überraschungen aufwarten. Die in Chile recht bekannte Hauptdarstellerin Blanca Lewin trägt den Film mit ebensoviel Kompetenz wie ihr zumeist unsichtbares Gegenüber - der maulfaule Kameramann, der es sogar schafft, sich selbst beim Sekttrinken abzulichten.
Trotz Verzicht auf die Montage, trotz vorgeschriebener Improvisation gelingt es dem Film, das Tempo mal anzuziehen, aber auch mal Zeit zum Kontemplation zu lassen (schließlich können nicht sämtliche während des Films angefahrenen Schauplätze jeweils einen Katzensprung voneinander entfernt sein), und dadurch funktioniert Sábado nicht nur als filmisches Experiment, sondern auch als (nicht ganz) abendfüllende Unterhaltung der etwas anderen Art.
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