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Die Chroniken von Narnia:
Der König von Narnia
Originaltitel: The Chronicles of Narnia: The Lion, the Witch and the Wardrobe; USA 2005, Literarische Vorlage: C. S. Lewis, Regie: Andrew Adamson, Buch: Anne Peacock, Andrew Adamson, Christopher Markus, Stephen MacFeely; Kamera: Donald McAlpine; Schnitt: Sim Evan-Jones, Jim May; Darsteller: Georgie Henley (Lucy Pevensie), Skandar Keynes (Edmund Pevensie), William Moseley (Peter Pevensie), Anna Popplewell (Susan Pevensie), Tilda Swinton (Jadis, White Witch), James McAvoy (Mr. Tumnus), Kiran Shah (Ginarrbrik), Jim Broadbent (Prof. Kirke), Elizabeth Hawthorn (Mrs. MacReady), James Cosmo (Father Christmas), Liam Neeson (Stimme Aslan), Ray Winstone (Stimme Mr. Beaver), Dawn French (Stimme Mrs. Beaver), Rupert Everett (Stimme Fox); 140 Minuten; Kinostart: 8. Dezember 2005
Gelegentlich wundert man sich, einen Film nach einem weltbekannten literarischen Bestseller zu sehen, von dem man noch nie etwas gehört hatte. Kann es sein, daß die Vorlage vielleicht erst durch ihre Verfilmung zu dem Bestseller wurde, mit dem die Film-Promotion wirbt? Der weltberühmte Bestseller von C. S. Lewis ist hierzulande ebenso unbekannt wie sein Autor, anders als in der angelsächsischen Welt. The Chronicles of Narnia: The Lion, the Witch and the Wardrobe ist bereits die vierte Verfilmung dieses 1950 erschienenen Kinderbuches. Regisseur und Special-Effects-Spezialist Andrew Adamson setzt hier nicht nur ein bewährtes Stück Fantasy-Literatur in Szene, er schafft auch die Möglichkeit zur Fortsetzung: Die Chroniken umfassen insgesamt sieben Bände, Der König von Narnia ist nur einer davon.
Im England des Zweiten Weltkrieges nehmen vier Geschwister an einer Kinderlandverschickung teil und finden Aufnahme bei einem in ländlicher Abgeschiedenheit allein mit seiner gestrengen Haushälterin (Elizabeth Hawthorn) lebenden Professor (Jim Broadbent). Eines Tages entdeckt Lucy (Georgie Henley), die Jüngste, beim Spielen in einem alten Garderobenschrank einen geheimen Zugang zu einer anderen Welt: Narnia. Sie findet Anschluß an einen freundlichen Faun, Mr. Tumnus (James McAvoy). In Narnia herrscht ewiger Winter, seit Jadis, die böse Weiße Hexe (Tilda Swinton) das Regiment übernommen hat. Edmund (Skandar Keynes), der Zweitjüngste, folgt seiner Schwester durch den Garderobenschrank und gerät an die Weiße Hexe. Die kann sehr charmant sein, wenn sie will, und so wird Edmund bald ihr Komplize. Es gibt eine Prophezeiung, daß vier Menschenkinder ihren Thron stürzen werden, und das will sie verhindern. Als schließlich alle Kinder in Narnia sind, verrät Edmund seine Geschwister an die Hexe. Statt Belohnung gibt’s jedoch erst mal eine Runde Kerker. Die drei übrigen – Lucy und die Teenager Susan (Anna Popplewell) und Peter (William Moseley) befinden sich mit Herrn und Frau Biber (Ray Winstone, Dawn French) auf der Flucht vor der Hexe. Unterwegs treffen sie auf den Weihnachtsmann, der ihnen magische Geschenke macht.
Auf ihrer Flucht vor der Weißen Hexe und ihrem Wolfsrudel begegnen die Kinder verschiedenen sprechenden Tieren. Bald wird klar, daß sie den Löwen Aslan finden müssen, den Widersacher der Hexe und glorreicher Anführer der Guten. Irgendwann sind alle vier Kinder bei Aslan (türkisch für 'Löwe') und seinem Heerlager. Vor der entscheidenden Schlacht kommt Jadis persönlich ins Lager und fordert Edmunds Herausgabe, auf die sie ein Recht hat, da er ein Verräter ist und ihr alle Verräter in Narnia gehören. Aslan bietet sich selbst im Tausch an, die Hexe stimmt zu. Heimlich schleicht Aslan nachts aus dem Lager zum Sammelplatz der Bösen und opfert sich. Lucy und Susan, die ihm unbemerkt gefolgt sind, sehen mit Entsetzen, wie fiese Gestalten über Aslan herfallen, ohne daß der sich wehrt. Als die Mädchen am nächsten Morgen wiederkehren, um nach dem Löwen zu sehen, können sie nur noch seinen Tod feststellen. Wie durch ein Wunder verschwindet jedoch der Leichnam von dem steinernen Opfertisch und der Löwe schreitet von Licht umflossen hinter eine Kuppe herauf auf die Mädchen zu. Keinen Moment zu früh, denn andernorts tobt unter Peters Führung bereits die letzte Schlacht um Sieg oder Niedergang, und Aslan trifft gerade noch rechtzeitig mit Verstärkung ein, um das Kampfglück zum Guten zu wenden. Als die Hexe geschlagen ist, werden die vier Kinder zu Königen und Königinnen von Narnia ernannt und leben glücklich bis – nein, nicht bis ans Ende ihrer Tage, sondern bis sie als junge Erwachsene zufällig auf der Jagd wieder den Weg durch den Wandschrank finden. In der Welt der Menschen sind gerade mal ein paar Stunden vergangen.
Die Romanvorlage und mit ihr das Drehbuch weisen einige inhaltlich recht krude Elemente auf. Es scheint, als habe der Autor alle guten Sachen kunterbunt in einen Topf geworfen. England, Kinder, Zweiter Weltkrieg, Fliegeralarm. Schon diese Mischung öffnet Herzen. Sprechende Tiere, Winter, Schnee, böse Eishexe, Zwerge, Ritterrüstungen, Reiter, mittelalterliche Waffentechnik: Schwerter, Pfeile, Steine, Brechwerkzeuge. Fabelwesen der griechischen Mythologie: Faune, Zentauren, Minotaurus. Monströse Scheusale aus The Lord of the Rings (der weitere visuelle Vorlagen liefert). Schwarze Magie gegen religiöse Wunder. Und zwischendrin auch noch der Weihnachtsmann samt Rentierschlitten. Igitt! Wahrscheinlich wird sich jedoch kein Kind an dieser Geschmacksverirrung stören, vertraute Motive erhöhen bekanntlich das Vergnügen und Stil ist erst in späteren Jahren ein Kriterium.
Die Auferstehung des Löwen Aslan ist reiner Kitsch. Wie auf Wikipedia zu lesen ist, veranschaulichen die Narnia-Bände „verschiedene Aspekte des christlichen Glaubens auf eine Weise, die diesen auch für Kinder zugänglich macht". Wer’s glaubt. Mit wenig Aufmerksamkeit läßt sich erkennen, daß der Löwe die Weiße Hexe einfach gelinkt hat. „Sie weiß nicht, was Opfer wirklich bedeutet", salbt Aslan eitel daher. Ihm war nämlich schon vorher bekannt, daß er aufgrund seines selbstlosen Opfers wiederauferstehen würde. Das dargebrachte Opfer sinkt damit in den Rang eines Zahnarztbesuchs: unangenehm zwar, aber es geht vorbei und hinterher ist man wieder wie neu.
Der Film hat jedoch vieles, das für ihn einnimmt. Die Figur des Verräters Edmund ist sehr überzeugend geraten, da er eben nicht unsympathisch dargestellt wird, sondern einfach als verwirrter Mensch, der mit sich selbst nicht im Reinen ist und Mist baut. Tilda Swinton ist hinreißend, bei keiner möchte man sich lieber gruseln. Der König von Narnia lebt von der Liebe zu Details. Die eisgleiche Krone der Weißen Hexe wird beispielsweise bei jedem Auftritt kleiner, sie scheint zu schmelzen, je mehr Jadis an Einfluß verliert. Die einander abwechselnden Episoden, der zeitliche Wechsel zwischen Verfolgungsjagd, Beschwörungen, kurzen Ruhepausen und neuen Gefechten bilden einen stimmigen Rhythmus. Das herausragendste Element sind jedoch zweifelsfrei die bildbearbeiteten Tiergesichter, die menschliche Mimik nahezu perfekt wiedergeben und doch unverkennbar Wolf, Fuchs, Löwe oder Biber sind. Dabei sind die Gesichts- und vor allem die Mundbewegungen genauestens auf die gesprochenen Sätze abgestimmt. Diese ausgereifte Technik wird auch genußvoll immer wieder ins Bild gebracht. Sekundenlang verweilt die Kamera auf Aslans Mund, hängt wie verliebt an seinen Lippen und reizt den faszinierenden Effekt aus, ohne ihn zu überreizen. Schon die grundsoliden Biber lohnen den Kinobesuch, und auch der Rest ist sehenswert.