Das Scrabble Filmfest findet statt am Samstag, den 3. Dezember 2005, ab 19 Uhr. Das Kino Eiszeit findet man in der Zeughofstraße 20 in Kreuzberg, relativ mittig zwischen den U1-Stationen „Görlitzer Bahnhof“ und „Schlesisches Tor“. Wer sich nebenbei auch im Scrabblen messen will, ob mit der Kinobesitzerin oder anderen Besuchern, sollte vorsorglich sein Brett und die Buchstabensteine mitbringen …
Scrabylon (Scott Petersen) USA 2003, Kamera: Scott Petersen, Nathaniel Starck, Schnitt: Scott Petersen, Musik: David Mann, mit Joe Edley, „G. I. Joel“ Sherman, Brian Cappelletto, Robin Pollock Daniel, Joe Edley, Matt Graham, John D. Williams jr., Chris Cree, Steven Fatsis, Mark Landsberg u. v. a., 50 Min.
Word Wars (Eric Chaikin, Julian Petrillo) USA 2004, Kamera: Laela Kilburn, Jay Hunter, Schnitt: Conor O’Neill, Musik: Thor Madsen, mit Joe Edley, Joel Sherman, Stefan Fatsis, Matt Graham, Marlon Hill u. v. a., 81 Min. sowie ferner der australische Kurzfilm Out on the Tiles, eine Simpsons-Episode und evtl. ein kleines Scrabble-Filmquiz, zu dem ich in meinem Text hoffentlich nicht zuviel verraten habe …
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Filmtipp Berlin: “Scrabble Filmfest“
Zu den besonderen Vorteilen im Leben eines Kinobetreibers gehört auch das Zusammenstellen von mitunter ganz persönlichen Programmen. Suzan Beermann vom Eiszeit-Kino in Kreuzberg ist eine passionierte Scrabble-Spielerin, und so kam ihr die Idee zu einem Scrabble-Filmfest. Das Wortspiel Scrabble spielt in nicht wenigen Filmen eine Rolle, und so könnte dieses Festival Wochen füllen: Man könnte in Hitchcocks Suspicion miterleben, wie Joan Fontaines Verdacht sich erhärtet, als sie bei einer Scrabblepartie mit dem Wort „murder“ konfrontiert wird. In Polanskis Rosemary’s Baby hingegen werden die Scrabblesteine irgendwann später wieder herausgekramt, um einem Anagram auf die Spur zu kommen (Bösewichte benutzen diese gern, man denke nur an Lord Voldemort).
Beim Eiszeit hat man sich bei dem Festival aber vor allem auf zwei längere Dokumentarfilme konzentriert, die einige Eigenheiten der US-amerikanischen Turnierszene beleuchten. Schon aufgrund der immensen Wortvielfalt der englischen Sprache nimmt Scrabble im englischsprachigen Raum (sowie auch dort, wo man spanisch oder französisch spricht) einen Status ein, von dem man hierzulande nur träumen kann. Sebastian Herzogs wöchentliches Scrabble-Rätsel (seit 1998) initiierte über den Umweg der begeisterten Wordtüftler unter den Lesern der Wochenzeitung "Die Zeit" und dem "Scrabble-Sommer", der mittlerweile in der Zeitung etaibliert ist, zwar auch jährliche Turniere, doch während man in den Staaten 10.000 Mitglieder in der National Scrabble Association zählt und der Hauptpreis bei der nationalen Meisterschaft mittlerweile 25.000 US-Dollar betragen, ist es hierzulande vor allem der Spaß am Spiel und das "Dabeisein" wie etwa auch beim vor einigen Wochen erstmals stattgefundenen deutschen Schülermeisterschaft in Hannover.
Wie man in den beiden Dokumentarfilmen erfährt, ist das Scrabble in den Staaten längst den Kinderschuhen erwachsen. Alte Haudegen wie Lester Schonbrun können noch aus jenen Zeiten berichten, als im legendären „Flea House“ in New York City in den 1960ern etwa Prominenz wie Peter Falk, Schachweltmeister Bobby Fisher oder Regielegende Stanley Kubrick ihre Kräfte im Scrabble maßen, doch bei den Spielen jener Zeit ging es zu wie im Billard-Film Haie der Großstadt: jeder war ein „Hustler“, ein Scrabble-Shark. 1968 gab es dann das erste „Scrabble Dictionary“ und gegen in der Frühzeit beliebte Tricks wurden inzwischen Regeln eingeführt, damit man beispielsweise nicht mehr beim Griff in die Tüte mit den Buchstaben mit Braille-Fertigkeiten die Buchstaben vorsortiert oder unliebsame Lettern einfach zwischendurch verschluckt. Die erste englischsprachige Scrabble-Weltmeisterschaft fand 1991 in London statt.
Brian Cappelletto erreichte damals als erster Scrabble-Kinderstar immerhin den zweiten Platz, wie viele seiner Kollegen hält er dem Spiel seitdem die Treue und gehört mit einigen anderen kauzigen Kerlen zu den Stars der zwei Filme. Da gibt es etwa Joe Edley, den dreifachen US-Meister, der zwischen seinen Spielen immer wieder mit Tai-Chi-Übungen und Meditationen zwischen den Spieltischen umhertapert. Chris Cree nutzte im Jahr 1995 eine andere Entspannung zwischen den Spielen und gewann während des in Las Vegas stattfindenden Turniers in den Casinos nebenan mal kurz $ 256.000, auch wenn ihm die $ 50.000 für den Titel lieber gewesen wären. Joel Sherman ist der womöglich einzige professionelle Scrabble-Spieler. Nachdem er wegen eines Magenleidens (das „gastro intestinal“ führte zu seinem Spitznamen „G. I. Joel“) seinen Bankjob aufgeben musste, machte er die Not zur Tugend und sein Hobby zu einem eigenständigen Broterwerb, auch wenn er behauptet „you can`t make a living with Scrabble“. In Interviews scheint er geradezu spitzbübisch stolz darauf zu sein, daß er mit seiner Gabe so gar keinen Beitrag abliefert, der der US-Gesellschaft irgendwie von Vorteil sein könnte.
Nicht jeder Scarbble-Spieler nimmt das Spiel so ernst wie G. I. Joel oder der Zenmaster Edley: Marlon Hill etwa nutzt die Spielpausen eher für einen Joint oder einen kurzen Ausflug mit einer Prostituierten. Marlon, der auch beim landesweiten Scrabble-Schulprogramm engagiert ist, schläft auch mal gerne etwas länger, lässt seine Spielzeit bereits zur Hälfte ablaufen, bevor er dann kaum gewaschen am Tisch auftaucht - und dennoch hin und wieder gewinnt. Mithilfe der bekannten Schachuhren stehen bei Turnieren jedem Spieler im Match nur 25 Minuten zur Verfügung, beim Überziehen gibt es Strafpunkte, die auch schon mal ein Spiel entscheiden. Denn beim Scrabble geht es nicht nur darum, aus nahezu jeder Kombination von sieben Buchstaben ein sieben oder achtbuchstabiges Wort zu basteln (um die begehrten 50 Joker-Punkte zu bekommen), gerade mathematisches Wissen scheint unerlässlich, um gegen Ende des Spiels nicht nur zu wissen, welche Buchstaben noch in der Tüte warten, sondern auch die Wahrscheinlichkeit der nächsten Buchstaben abzupassen, um vielleicht dann doch eher das A als das E zu spielen. Profi- und Semi-Profi-Spieler kennen nicht nur jedes der zwanzig Worte auswendig, das ein Q, aber kein U benötigt (darunter etwa „Qatnoza“ oder „Qwerty“), es dauert auch nicht lange, bis man begriffen hat, daß die Bedeutung der gelegten Worte absolut überflüssig ist. Solange man weiß, daß Worte wie „thebaine“, „resojets“ oder „poltroon“ existieren, muss man auch nicht befürchten, daß der Gegner den Schiedsrichter mit dem Lexikon herbeiruft. Wenn es das kritisierte Wort nämlich doch gibt, setzt der Gegner einmal aus.
Wie wichtig auch die psychologische Kriegsführung am Scrabble-Brett ist, demonstrieren einige Beispiele. Mit einem gut geblufften Wort kann man ebensosehr gewinnen wie etwa mit jenem Begriff, den eine Scrabble-Spielerin ihrem Exfreund bei einem Wiedersehen am Brett um die Ohren haute. Nach dem „Ratface“ verlor der Ex drei Spiele in Folge. In der Simpsons-Folge Bart becomes a Genius (ebenfalls im Programm des Festivals) kann man auch miterleben, wie nicht das Wort, sondern die Erklärung eines „Kwijibo“ (balding northamerican ape) zu den üblichen Handgreiflichkeiten zwischen Vater und Sohn führt. Bei Turnierspielen sind inzwischen viele politisch unkorrekte Verhaltensweisen nicht mehr gestattet. Wenn man aber seinen Gegner dadurch verwirren kann, daß man zwischen den Spielzügen jeweils einen Schluck aus der Essigflasche nimmt, so ist das nach wie vor gestattet.
Nach Genuß der zwei Dokumentarfilme, die sich vor allem in ihrem Budget und der sorgfältigeren Nachbereitung bei Word Wars unterscheiden (auch wenn mir persönlich Scrabylon besser gefiel), kann man im Eiszeit übrigens auch Scrabble spielen, man sollte jedoch vorsichtshalber Brett und Steine mitbringen, da das kleine Kino nicht so einen gewichtigen Sponsor finden konnte wie etwa die oben bereits erwähnte Schülermeisterschaft, bei der „ABC Russisch Brot“ von Bahlsen neben dem Scrabble-Vertreiber Mattel aushalf.
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