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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




März 2006
 

Cinemania 26:
Berlinale Marathon

minibärDieses Cinemania ist etwas anders, weil es nicht nur separat verfasste Rezensionen zu einem Überbegriff zusammenfastt, sondern als "Kritiker-Tagebuch" einen etwas außergewöhnlichen Berlinale-Tag zusammenfasst. Die Rezensionen wurden zwar dennoch so verfasst, daß sie auch für sich stehen können, doch insbesondere die Überleitungen zwischen den Rezensionen, die sich mit dem Tagesverlauf befassen, und mitunter noch Zusatzinformationen geben, verbinden die Einzelfilme stärker als sonst bei gemeinsamen Kinostart-Terminen, Genres oder Herstellungsländern


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Cinemania 26:
Berlinale Marathon

[Alle Rezensionen von Thomas Vorwerk]

Berlinale 2006

7:00 Uhr
Mein Wecker klingelt. 43 Minuten zum Duschen, Anziehen, und zur Bushaltestelle latschen. Gefrühstückt habe ich schon zwischen 3:00 und 4:00 Uhr, während ich einen Großteil des extrem spannenden dritten Viertels des eine Woche zurückliegenden Superbowls schaute, den ich während der Berlinale in Stückchen nachhole.

7:43 Uhr
Sogar der Busfahrer gähnt noch. Immerhin ist das Wetter eine klitzekleine Spur besser geworden. Im Bus lese ich ein Kapitel aus Elmore Leonards Glitz. Man hat ja noch andere Hobbys und Interessen neben dem Kino (auch wenn ich ohne Soderbergh und Tarantino wahrscheinlich nie auf diesen Autoren gestossen wäre …).

8:02 Uhr
Habe noch fast zwanzig Minuten bis zum ersten Filmstart und komme auf die Idee, mich vielleicht im Presse-Center des Hyatt für satt.org-Kollegin Kathi anzustellen, die für mich während des Marathons eine Karte für den am nächsten Tag laufenden Retrospektive-Film Yorokobi mo kanashimi mo ikutoshitsuki / Monate und Jahre in Freuden und Schmerz besorgen soll. Für die Filme der Retrospektive sind nämlich auch die Pressekarten scharf kontingentiert. Stelle nach etwa sieben Minuten aber fest, daß Kathi schon einen viel besseren Platz in der Schlange ergattert hatte. Wackele also zum Kino.

8:20 Uhr

Der Kick
(Andres Veiel,
Panorama)

Deutschland 2006, Buch: Andres Veiel, Gesine Schmidt, Kamera: Jörg Jeshel, Henning Brümmer, Schnitt: Katja Dringenberg, mit Susanne-Marie Wrage, Markus Lerch, 82 Min.

Andres Veiel, einer der bekanntesten (und besten) deutschen Dokumentarfilmer (Black Box BRD, Die Spielwütigen), hat nebenbei auch mal ein Theaterstück auf die Bühne gebracht, das er nun verfilmt hat. Hierbei wird der in der Nacht vom 13. Juli 2002 im Ort Potzlow in der Uckermark verübte "Skinheadmord" anhand von diversen Gesprächen mit zweien der Tätern und diversen Zeugen und Angehörigen neu aufgerollt. Ähnlich wie bei einem Dokumentarfilm hat Veiel über zwanzig Gespräche geführt, die jedoch diesmal von zwei Schauspielern nachinszeniert werden, und zwar nicht als Frage-Antwort-Gespräche, sondern immer als (teilweise auch aus den Akten übernommene) protokollartige Einzelaussagen.
Wie Veiel aus den Fragmenten dieser Gespräche eine nachvollziehbare Narration zusammenbastelte, entspricht auch ganz der Praxis des Dokumentarfilms, bei dem bekanntlich der Schnitt in gewisser Weise das Drehbuch übernimmt. Das Drehbuch von Der Kick (Der Titel bezieht sich auf die von American History X inspirierte Tötungsmethode) ist meisterhaft, die Inszenierung eher zurückhaltend. In einer leeren, abgedunkelten Fabrikhalle, in die nur vereinzelt der Verkehrslärm der Umwelt dringt, agieren die zwei Darsteller abgesehen von einem stilisierten "Vernehmungsraum" gänzlich ohne ablenkende Kulissen, für den Kinozuschauer wird die Theaterinszenierung am Maxim-Gorki-Theater nacherfahrbar, auch wenn hier selbst jene Elemente, die im theater ähnlich funktioniert haben müssen, auf filmischere Art nachvollzogen werden, als Paradebeispiel mag die detaillierte Ausleuchtung gelten.
Viel stärker als im Theater kann der Film sich natürlich auf die Gesichter der Darsteller konzentrieren, was die Beleuchtung nur noch verstärkt. Wie etwa Susanne-Marie Wrage mehrfach die Transformation von der gedrungenen Statur eines der Täter zur weitaus "erhabeneren" Mutter des Opfers vollzieht, wird durch die mal verbrecherische, dann fast engelsgleiche Lichtsetzung fortgeführt, wenn auch die darstellerische Leistung durch technische Unterstützung keinesfalls geschmälert werden soll. Wie S-M Wrage war auch Markus Lerch bereits bei Veiels Theaterinszenierung einer der Darsteller, und man merkt beiden auch an, daß sie das Material besser kennen und durchdrungen haben, als es bei neuen Darstellern wahrscheinlich möglich gewesen wäre. Unter den diversen Versuchen, insbesondere tagesaktuelle Theaterstoffe direkt auf die Leinwand zu übertragen, sticht Der Kick schon durch seine Intensität, die ein Theatererlebnis wahrscheinlich noch verdichtet, heraus. Ob Veiel mit diesem Film den Übergang vom Dokumentarfilm zum inszenierten, in Zukunft womöglich sogar fiktiven Film vollziehen will, bleibt abzuwarten, trotz der Schauspieler bleibt Der Kick vor allem eine Umsetzung eines Protokolls (insbesondere, wenn die Täter bei Detailbeschreibungen plötzlich ihre üblich Diktion durchbrechen und sehr sachlich werden, wird klar, daß das Material teilweise mehrere "Überarbeitungen" hinter sich hat). Und damit ist Der Kick auch noch sehr nah an Veiels Dokumentararbeiten.

9:40 Uhr
Hetze schnell zum Presse-Counter im Hyatt, vor dem tatsächlich fast nichts los ist, um meinerseits jetzt für Kathi eine Karte zu besorgen. Das klappt, aber der Vöslauer-Kühlschrank ist noch nicht aufgefüllt, und zum Pinkeln reicht die Zeit auch nicht mehr.

10:00 Uhr

Knallhart
(Detlev Buck,
Panorama Special)

Deutschland 2006, Buch: Zoran Drvenkar, Gregor Tessnow, Lit. Vorlage: Gregor Tessnow, Kamera: Kolja Brandt, Schnitt: Dirk Grau, Musik: Bert Wrede, mit David Kross (Michael Polischka), Erhan Emre (Hamal), Oktay Özdemir (Erol), Kida Khodr Ramadan (Barut), Jenny Elvers-Elbertzhagen (Miriam Polischka), Hans Löw (Gerber), Arnel Taci (Crille), Kai Michael Müller (Matze), Jan Henrik Stahlberg (Dr. Klaus Peters), Amy Mußul (Lisa), Eva Löbau (Elke), 98 Min., Kinostart: 9. März 2006

Detlev Bucks bester (und letzter guter) Film Wir können auch anders lief 1993 auch auf der Berlinale und bekam immerhin eine lobende Erwähnung und den Leserpreis der "Berliner Morgenpost". Danach folgten immer belanglosere Komödien wie Männerpension, Liebe Deine Nächste und Liebesluder, bei denen der einzige erwähnenswerte Verdienst des Regisseurs darin bestand, jeweils gutaussehende Nachwuchsdarstellerinnen (Marie Bäumer, Lea Mornar, Mavie Hörbiger) zu entdecken und sie verführerisch ins Licht zu setzen - abendfüllend war das aber bei weitem nicht.
Knallhart gibt einem aber wieder Hoffnung für diesen einst verheißungsvollen Regisseur, was nicht zuletzt daran liegt, daß der Film in vielerlei Hinsicht eine Abkehr von der zuletzt versandeten Karriere Bucks ist. Knallhart ist Bucks erste Nicht-Komödie, bei der er erstmals nicht am Drehbuch beteiligt war. Und schon beim bekannten Boje-Buck-Kaninchen des Vorspanns merkt man, daß sich einiges geändert hat.
An seinem 15. Geburtstag ist für Michael Polischka (im folgenden nur noch Polischka genannt) plötzlich das zuvor wohlbehütete Leben in Zehlendorf vorbei, denn Dr. Peters (Jan Henrik Stahlberg) setzt seine Gespielin, Polischkas Mutter (Jenny Elvers-Elbertzhagen), kurzerhand vor die Tür. Auf die Schnelle und unter den gegebenen Umständen (die Mutter muß sich sogar das Geld fürs Taxi beim Sohn leihen) findet man nur eine ziemlich heruntergekommene Bleibe in Neukölln, auf die nicht mal ich mich eingelassen hätte (Behelfsdusche in der Küche etc.).
An der neuen Schule findet Polischka zwar erstaunlich schnell neue Freunde (auch wenn diese einen Hang zum Alkoholismus haben), doch genausoschnell fällt er auch Erol und seiner Gang auf, und verliert erstmal seine Barschaft und die schmucken Turnschuhe, als Gegenleistung gibt es nur eine Runde Nasenbluten und den dringenden Auftrag, bis zum nächsten Tag mehr Kohle (sozusagen Schutzgeld) aufzutreiben. In seinen unangebrachten Sternchensocken schlurft Polischka nach Hause, die Warnung seiner neuen Freunde Crille und Matze, daß Erol "ungesund wie Brotschimmel" ist, prägt fortan Polischkas Handlungen, doch Erol ist ihm meistens einen Schritt voraus, erst als der in der Hackordnung der Neuköllner Kriminalität höherstehende Hamal auf Polischka und sein "ehrliches Gesicht" aufmerksam wird, wird er von Erol vorerst in Ruhe gelassen, denn Polischka arbeitet jetzt als unauffälliger Drogenkurier, was auch solange gut geht, bis bei seinem ersten wirklich großen Auftrag ausgerechnet Erol auftaucht und es wohl für eine gute Idee erachtet, den Rucksack mit der Erlössumme auf dem dach einer S-Bahn landen zu lassen …
Bucks Drahtseilakt funktioniert, er bewegt sich mit Leichtigkeit zwischen realistischem Sozialmillieu, aneinandergereihten Klischees, die dennoch authentisch wirken, und ein paar Ehrerweisungen an Genreklassiker (Hamal lernt man beispielsweise beim Barbier kennen, wo sich ja schon Tony Camonte in Scarface und Al Capone in The Untouchables gerne aufgehalten haben). Die Darsteller überzeugen allesamt, und selbst für Winzrollen wurden bekannte - aber nicht zu bekannte - Gesichter verpflichtet (beispielsweise Eva Löbau aus Der Wald vor lauter Bäumen). Einzig die allzu moralische Rahmenhandlung und der etwas harmlose Schluß verwundern ein wenig, können aber den allgemein sehr positiven Gesamteindruck nicht wirklich schmälern. Kleine Details wie das Doppelleben Erols, das Auftauchen eines Fuchs (inspiriert durch Collateral?) oder die surreale Episode beim Drogen-Großkunden Hagenbeck geben dem Film eine Kantigkeit, die man bei Buck selbst in seinen frühen Werken nie erlebte.
Am nächsten Tag stand ich übrigens mal zwischen CinemaxX 5 und 7 und kramte in meiner Tasche, als ein ausgesucht höflicher junger Mann mich um Feuer bat.
Es dauerte einen Moment, bis ich sein Gesicht zuordnen kann, es war niemand geringeres als Oktay Özdemir, der Darsteller des Erol (erst jetzt entdeckte ich auch Buck, Hamal und Polischka vor Kino 5), dem ich dann nicht für seine Darstellung gratulierte, sondern dafür, daß er im richtigen Leben eben nicht den Klischees über meinen Wohnort Neukölln entsprach.

11:38 Uhr
Zeit genug zum Pinkeln, ich treffe sogar Kathi und kann ihr ihre Eintrittskarte geben. Zu Trinken habe ich aber immer noch nichts und gegessen habe ich heute auch noch nichts.

11:50 Uhr

1:1 (One to One)
(Annette K. Olesen,
Panorama Special)

Originaltitel: 1:1 (En til En), Dänemark / Großbritannien 2005, Buch: Kim Fupz Aakeson, Kamera: Kim Høgh, Schnitt: Molly Malene Steensgaard, Musik: Kåre Bjerkø, mit Mohammed-Ali Bakier (Shadi), Joy K. Petersen (Mie), Annete Støvelbæk (Søs), Helle Hertz (Großmutter Bonnie), Subhi Hassan (Tareq), Jonas Busekist (Per), Brian Lentz (Ole), Paw Henriksen (Polizist), Rose Copty (Ummm Tareq), Nassin Al-Dogom (Abu Tareq), Thomas Kirschner (Benji), Khadije Nasser (Nura), Ahmed El-Daoud (Wisam, Tareqs Freund), Mohammed Samhi (Mo, Boxtrainer), Trine Appel (Merete), 90 Min.

Auch Annette K. Olesen ist auf der Berlinale keine Unbekannte mehr, liefen doch ihre Filme Små Ulykker (Kleine Missgeschicke) und Forbrydelser (In deinen Händen) 2003 bzw. 2004 im Wettbewerb. Warum sie in diesem Jahr zugunsten eines anderen dänischen Beitrags aufs Panorama-Abstellgleis geschoben wurde, ist nicht bekannt. Wollte man nicht zuoft dieselbe Regisseurin in den Wettbewerb berufen? Oder der Debütantin Pernille Fischer Christensen mit ihrem En Soap eine Chance geben? Oder war womöglich das Thema der Integration von Muslimen in Dänemark in einem Film, bei dem Gewalt eine nicht unwichtige Rolle spielt, zu brenzlig? (Wobei ich hier zugeben muß, daß ich nicht weiß, wie früh diese Auswahlentscheidung fiel, und ob zu jener Zeit das heikle Thema jener dänischen Karikatur bereits hohe Wellen schlug.) Interessant jedenfalls, daß die Internationale Jury eine ähnliche Linie fuhr wie das Auswahlgremium für den Wettbewerb, und in einer betonten Geste der Verbrüderung den "Großen Preis der Jury" ex aequo ausgerechnet an einen dänischen und einen iranischen Film vergab.
Mit 1:1 (En til En) hätte das zugegebenermaßen nicht unbedingt den selben Effekt gehabt, denn ähnlich wie in Knallhart geht es auch hier um das Gewaltpotential in einer Neukölln nicht unähnlichen Sozialbausiedlung am Rande von Kopenhagen. Entsprechend dem Titel, der weniger einem Fußballresultat als dem Prinzip "Auge um Auge, Zahn um Zahn" Rechenschaft trägt, sieht man während des Vorspanns noch Architekturpläne, die Überblendung (und Umsetzung) in die Realität scheint dann aber weniger geordnet. Während die 16-jährige Mie mit ihrem Freund Shadi (dessen Eltern aus Palästina stammen) länger als erlaubt ausgeht, wird Mies 19jähriger Bruder Per zufällig von einem Polizisten gefunden, offenbar war er zusammengeschlagen worden, das schnelle Eingreifen des Polizisten (Paw Henriksen, in den letzten zwei Berlinale-Jahrgängen in Nebenrollen in Anklaget und Bagland zu sehen) rettet ihm womöglich das Leben. Während Mie mit ihrer Mutter, der Sozialarbeiterin Søs (Annete Støvelbæk, bekannt aus Italiensk for Begyndere) am Bett des komatösen Jungen wachen, sieht Shadi zuhause, wie sein Bruder Tariq, bereits einmal für Körperverletzung bestraft, ein blutiges Kleidungsstück auswäscht, sein Freund hat eine blutende Nase, und die beiden beharren darauf, daß dies bei einem "Spaßkampf" passierte (Tariq ist ein aufstrebendes Talent im lokalen Boxverein). Während der Verdachtsmoment gegen Tariq immer mehr wächst und auch Außenstehende sich einzumischen beginnen, wird es für Shadi immer schwieriger, seiner Freundin, die er auch noch vor seinen Eltern geheimhält, beizustehen. Sowohl der Polizist, der sich für den von ihm gefundenen jungen Erwachsenen verantwortlich fühlt, als auch Pers nicht wenig nationalistisch angehauchte Freunde machen sich auf die Suche nach den Tätern, und gemäß des Filmtitels wird auch jemand gefunden, der dafür büsst. Das Thema des Films ist uralt (Romeo & Julia), doch wie Kim Fupz Aakeson, einer der zwei dänischen Drehbuchautoren, neue Gründe findet, warum jeder dem anderen etwas verschweigt, und die ganzen Konflikte dadurch erst brisant werden, ist genauso bemerkenswert wie die jungen Darsteller. Mehr Spannung, mehr Glaubwürdigkeit und mehr Zündstoff als der dänische Wettbewerbsbeitrag, bei dem das Buch übrigens auch von Kim Fupz Aakeson stammt.

13:20 Uhr
Nach meinen letzten zwei schnellen Ausflügen zwischen zwei Vorstellungen (die ersten vier Filme dieses Tages sollten alle im selben Kino laufen), entscheide ich mich, für die verbleibenden zehn Minuten einfach auf meinem Platz zu verharren, doch ein Kino-Angestellter informiert mich und eine weitere Journalistin, daß die Vorführung von Leonard Cohen I’m Your Man für 14 Uhr im CinemaxX 5 (direkt unter der 9, in der ich mich befinde) angesetzt wurde. Ich erkenne sofort, daß dies terminprobleme bringen könnte, aber auch, daß ich so 40 Minuten Freizeit habe, genug, um mich im Hyatt mit Vöslauer auszustatten, aus dem Pressekeller des Berlinale-Palast aktuelle Materialien aus meinem Postfach abzuholen und bei Mr. Clou eine Gemüselasagne zu mir zu nehmen.

13:55 Uhr
Ich warte vor dem Kino, aus dem noch die letzten Zuschauer des vorigen Films herauströpfeln. Und ich warte. Und ich warte. Am nächsten Tag habe ich dann erfahren, daß es eine verbesserte Version des Zettels mit den Panorama-Pressevorführungen gab, über den die meisten Journalisten bereits im Vorfeld darüber informiert worden waren, daß Leonard Cohen I’m Your Man nicht um 13:30 Uhr im CinemaxX 9, sondern eine halbe Stunde später im Forums-PV-Kino 5 laufen sollte, weil der Film eine HD-Projektion benötigt, die nur dort installiert ist. Dummerweise war die Kopie des Films dann aber doch auf Digibeta, wodurch sich der Beginn der Vorführung um weitere 20 Minuten verzögerte, und ich ernsthaft in Bedrängnis geriet, denn somit würde der Film bis 16:05 Uhr gehen, und um 16:00 Uhr sollte die Vorführung von Wuji in der eigentlich fast immer überbelegten 7 beginnen.

14:20 Uhr (vormals 14:00 Uhr, ursprünglich 13:30 Uhr)

Leonard Cohen:
I’m Your Man
(Lian Lunson,
Panorama Dokumente)

USA 2005, Kamera: Geoff Hall, John Pirozzi, Schnitt: Mike Cahill, Musik: Leonard Cohen, mit Leonard Cohen, Nick Cave, Jarvis Cocker, Beth Orton, U2, Kate McGarrigle, Anna McGarrigle, Rufus Wainwright, Martha Wainwright, Antony, Linda Thompson, Teddy Thompson, The Handsome Family u.a., 105 Min.

Kollege Platthaus schreibt in der FAZ vom 18. Februar, daß sich nur "Das letzte Einundzwanzigstel" dieses Films lohne, der zum meistherausgeschrienen Geheimnis verkommene Auftritt von U2, die gemeinsam mit Leonard Cohen, der auf dem Tribute-Konzert zu seinem 70. Geburtstag plötzlich (und vermeintlich unerwartet) auf der Bühne steht, dessen Tower of Song trällern. Durch meine im Vorfeld beschriebene Notsituation war für mich bereits sehr früh klar, daß ich auf U2 verzichten würde, was mir auch keine Seelenpein verursachte, denn seit ca. Rattle & Hum interessiere ich mich für Bono und seine Mannen nur geringfügig stärker als beispielsweise die Kelly Family.
Viel schlimmer war für mich, daß ich bis zum heutigen Tage nicht weiß, ob Jarvis Cocker noch einen zweiten Song gespielt hat. Wenn Nick Cave und Rufus Wainwright zweimal auf die Bühne dürfen, dann doch wohl auch Jarvis, den ich nur in einem schnuckligen Duett mit Beth Orton (auch sie bekam einen zweiten Song) beobachten durfte, weil ich letztendlich gut 25 Minuten vor Ende des Films das Kino verließ, um rechtzeitig zu Wuji zu kommen (das sich dieses Opfer nicht gelohnt hat, macht die sache nur noch schlimmer). Natürlich ist es schade, wenn eine ganze Rezension fast ausschließlich von einer der wenigen Organisationspannen auf der Berlinale handelt, doch wenn man stundenlang seinen Terminplan zusammenstellt, um dann ohne eigene Schuld in Verzug zu kommen, ist es nicht immer einfach, objektiv zu bleiben.
Auch für mich war Leonard Cohen I’m Your Man ein zu kreuzbaves Stück Dokumentarfilm, bei dem aus unerfindlichen Gründen eigentlich jede Gesangsdarbietung des Konzerts (fast durchgehend mit der gleichen Begleitband) unterbrochen wurde, um Cohen selbst oder einige seiner Interpreten zu Wort kommen zu lassen. Natürlich immer mit irgendwelchen Anknüpfungspunkten zum ausgeklungenen, unterbrochenen oder anstehenden Song. Sicher ist es interessant, daß der inzwischen kahl werdende Nick Cave durch die Entdeckung von Songs of Love and Hate im Plattenschrank der älteren Schwester eines Freundes plötzlich den Eindruck hatte, die "coolest person in the world" zu sein, denn in einem australischen Kuhkaff findet man solche Schätze natürlich nicht unbedingt. Doch dummerweise hatte ich mich auf einen Konzertfilm gefreut, und irrsinnigerweise ging ich sogar davon aus, daß die Darbietungen in etwa die Qualität des Cohen-Tribute-Albums I’m Your Fan haben würden. Weit gefehlt. Nick Cave ist in uninspirierten Momenten noch grandios, und Jarvis Cocker’s Kabbeleien mit Beth Orton waren für mich das herausragende Sechzehntel des Films, doch wenn beispielsweise Rufus Wainwright Everybody Knows runterträllert, als handele es sich um Tanzmusik für irgendwelche Hinterwäldler, die noch nie etwas von Leonard Cohen gehört haben, dann kann man das in meinen Augen nicht "Tribute" nennen, sondern "Rip-Off". Überhaupt ist es mir ein Rätsel, wonach die Künstler ausgewählt wurden, Leonard Cohen ist sicher nicht der beste Sänger der Welt, aber er hat eine bemerkenswerte Stimme und ein treffsicheres Gespür, wie man einen Song aufbaut. Wenn dann ein womöglich Gesangstraining-erfahrener, mir unbekannter Künstler daraus ein Whitney Houston-ähnliches Gejaule macht, dann bin ich fast schon wieder froh, daß ich früher gehen durfte. Aber wehe, ich habe einen zweiten Jarvis-Song verpasst …

15:40 Uhr
Zu Wuji gibt es weniger Gedränge als erwartet, offenbar haben andere Journalisten den im Vorfeld geäußerten Warnungen zum Film mehr Gehör geschenkt als ich. Ausnahmsweise darf ich auch mal wieder neben meiner Kollegin Kathi sitzen, mit der ich diesen Marathon am liebsten zusammen durchgestanden hätte, doch es ist ja schon schwierig, an einem Berlinale-Tag zwei gemeinsame Filme zu finden, die beide interessieren …

16:00 Uhr

Wuji
(Chen Kaige,
Wettbewerb außer Konkurrenz)

Int. Titel: The Promise, China / USA 2005, Buch: Chen Kaige, Kamera: Peter Pau, Schnitt: Zhou Zing, Musik: Klaus Badelt, mit Hiroyuki Sanada (Guanming), Jang Dong-Gun (Kunlun), Cecilia Cheung (Qingcheng), Nicholas Tse (Wuhuan), Liu Ye (Guilang), Chen Hong (Göttin), 120 Min.

Nach dem überwältigenden Erfolg von Ang Lees Crouching Tiger, Hidden Dragon wird das Erfolgsrezept immer wiederholt: Man schnappt sich einen etaiblierten südostasiatischen Regisseur, der nicht die geringste Erfahrung mit Martial Arts-Filmen oder historischen Schlachtengemälden benötigt, würzt das Ganze mit einigen asiatischen Superstars, gibt mit einem Rekordbudget und einem epochalen Einspiel an, und die westlichen Kinobesucher werden schon in die Säle strömen. Mittlerweile wird das Rezept sogar schon für US-Produktionen wie The Last Samurai oder Memoirs of a Geisha zweckentfremdet (hier reicht auch ein amerikanischer Regisseur ohne Vorbildung), doch vor allem ist auffällig, wie die Qualität der asiatischen Retorten-Blockbuster beständig abnimmt. Zhang Yimous Hero war noch ein fast ebenbürtiger Nachfolger, bei House of Flying Daggers vom selben Regisseur fühlte ich mich im Kino schon ziemlich verschaukelt und daueranimiert zum Gähnen. Chen Kaiges Wuji ist in dieser Reihe der bisherige absolute Tiefpunkt.
Daß ich von den Darstellern keinen kennen, will ich dem Film nicht zum Vorwurf machen, und in den ersten zehn Minuten, in einem Prolog, der das Treffen zweier Kinder schildert, die offensichtlich im folgenden Film eine Rolle spielen, war ich noch voller freudiger Erwartung, denn das Spiel um Vertrauen und Verrat inmitten eines sich zum Horizont erstreckenden Schlachtfeldes schien durchaus vielversprechend. Doch dann kam die gute Hexe Glinda aus The Wizard of Oz dahergeschwebt, nur mit dem Unterschied, daß die Tricks und Spezialeffekte 1939 weitaus besser waren. Chen beleidigt den Zuschauer mit spiegelnden CGI-Wasserflächen, unausgefeilten Büffelherden, Liebesszenen, bei denen selbst das ungeschulte Auge die green screen dahinter wahrnimmt. Verglichen mit Wuji wirkt Kung Fu Hustle wie ein Paradebeispiel für Realismus, und - was noch schlimmer ist - der Höhepunkt der Zuschauerbeleidigung ist ein Drehbuch, das womöglich während einer ausgedehnten Toilettensitzung untergekritzelt wurde und auch entsprechend zum Himmel stinkt. Man fühlt sich wie die Filmfigur, die für 132 gelieferte Sklaven 1330 Silberstücke erhält und selbst mit auf die symbolische Schlachtbank geführt wird, denn es bleibt ja nicht allein bei den Logiklöchern im Buch ("Woran erkenne ich den König?" - "Er trägt kein Schwert") und den schlechten CGI-Effekten, auch tragen hier alle Sklaven dieselbe Perücke, nicht nur der koreanische Hauptdarsteller, sondern der ganze Film ist schlecht synchronisiert, und nach diesem Film darf eigentlich niemand mehr über Star Wars Episode III oder Shark Boy and Lavagirl meckern, Chen Kaige hat mit Wuji das nichtnutzige und peinliche Kino der kompletten Artifizialität neu erfunden. Das einzig positive ist, daß der nächste asiatische Weltblockbuster eigentlich nur besser werden kann …

18:00 Uhr
In einer halben Stunde vom Potsdamer Platz zum Urania zu kommen, ist meistens kein Problem. Diesmal traf ich vor und im Kino sogar noch Andreas und Martina, die meine Warnung vor Wuji ebensowenig ernstnahmen wie Hye-Jeung, die den koreanischen Hauptdarsteller des Films sofort heiraten würde, mir aber nach der Sichtung des Films (ebenso wie Andreas und Martina) eingestand, daß auch sie den Streifen extrem ärgerlich fand.

18:30 Uhr

The Science of Sleep
(Michel Gondry,
Wettbewerb außer Konkurrenz)

Frankreich 2005, Buch: Michel Gondry, Kamera: Jean-Louis Bompoint, Schnitt: Juliette Welfling, Musik: Jean-Michel Bernard, Ausstattung: Pierre Pell, Stéphane Rosenbaum, mit Gael Garcia Bernal (Stéphane Miroux), Charlotte Gainsbourg (Stéphanie), Alain Chabat (Guy), Miou-Miou (Christine Miroux), Pierre Vaneck (Monsieur Pouchet), Emma de Caunes (Zoë), Aurélia Petit (Martine), 105 Min.

Im letzten Jahr sah ich an der selben Stelle Wes Andersons The Life Aquatic, und war trotz Bombenbesetzung nicht sehr amüsiert. Was mir hingegen Michel Gondrys ersten selbstgeschriebenen Langfilm ein wenig ans Herz wachsen ließ, war die unerschreckte Kindsköpfigkeit, mit der er ein abendfüllendes "Best of" seiner Videoclip-Arbeiten, das Andreas beispielsweise als "Augsburger Puppenkiste" verhöhnt, auf sein Publikum loslässt. Gael Garcia Bernal ist offensichtlich das alter ego seines Regisseurs, ein Stéphane, der wenig überraschend auf seine Stéphanie trifft, auch wenn er sich zum Anfang mehr für Zoë interessiert.
Für einen sechsten Tagesfilm ist The Science of Sleep ein gelungenes Gegenmittel gegen den Schlaf, auch wenn ich mir keine Mühe mehr machte, die Traum- und Realitätsebene des Films detailliert auseinanderzudividieren, sondern mich einfach an jenen Elementen erfreute, für die ich Gondry so mag.
So hat er offensichtlich die Farbklecksmaschine, die er auf der DVD seiner Videoarbeiten vorführt, mittlerweile perfektioniert, wie man schon im Vorspann sehen kann. Und auch jenes aus Eierpappen und anderem Krimskrams zusammengebastelte Fernsehstudio, aus dem Stéphane den Film begleitet, wirkt wie eine Fortführung der Björk-Videos Human Behaviour und Venus as a Boy, wo ja ebenfalls gekocht (bzw. gebraten) wird.
Anders als in Human Nature und Eternal Sunshine of the Spotless Mind geht es in The Science of Sleep konträr zum Titel keineswegs um die Wissenschaft, Gondry hat sich einfach mit einer rudimentär vorhandenen Handlung einen Spielplatz geschaffen, an dem er mit altbackenen Tricks wie Zellophanwellen und Wattewölkchen seine Film-Traum-Welt entwerfen kann, in der sogar ein politisch völlig unkorrekter Katastrophen-Kalender (das September-Blatt sieht man nicht) ein verkaufsschlager werden kann. Wie Gondry benutzt auch Stéphane offensichtliche Tricks wie eine Blue screen oder Stop-Motion-Effekte und für mich verschwammen die drei Ebenen der realen und imaginären Welt Stéphanes sowie des Filmemachers Gondry zu einem amüsanten Abend, der sich zwar nicht mit den nach Charlie Kaufman-Drehbüchern entstandenen Gondry-Filmen messen kann, der aber eine Unschuld auf die Kinoleinwand bannt, die ich dort lange nicht mehr gesehen habe. Natürlich ist ein Gag wie der mit den Füssen im Gefrierfach völlig blödsinnig, aber wenn man sich eingesteht, daß man trotzdem darüber lachen kann, und man sich trotz 105 Minuten selbst in einem sechsten Tagesfilm nicht langweilt, ahnt man, daß einen auch noch der achte Gondry-Film stärker begeistern kann als beispielsweise der sechste Film von Wes Anderson, der sich vergleichsweise viel zu ernst nimmt.

20:15 Uhr
Für die Rückfahrt zum CinemaxX habe ich diesmal erstaunlich viel Zeit, ich lese noch ein weiteres Kapitel Elmore Leonard und stehe schon bald in der Schlange zum nächsten Film, bin aber noch überraschend wach.

21:00 Uhr

Wittgenstein
(Derek Jarman,
Teddy Twenty Tribute)

Großbritannien 1992, Buch: Terry Eagleton, Derek Jarman, Ken Butler, Kamera: James Welland, Schnitt: Budge Tremlett, Musik: Jan Lathan Koenig, mit Karl Johnson (Wittgenstein), Michael Gough (Bertrand Russell), Tilda Swinton (Lady Ottoline Morrell), John Quentin (Maynard Keynes), Sally Dexter (Hermine), 72 Min.

Ich bin weder ein großer Freund von Derek Jarman noch interessiere ich mich für Philosophie, doch Wittgenstein war der einzige Film, der zu diesem Zeitpunkt in meinen Terminplan passte, um wirklich einen Rekord zu schaffen, den ich auch niemals wieder brechen oder einstellen möchte. Und irgendwie dachte ich mir, daß es besonders gewagt wäre, als siebten Film ausgerechnet etwas Philosophisches zu schauen. Doch der Film war nicht nur kurz (72 Minuten), sondern vor allem kurzweilig.
Laut Derek Jarman hätte Wittgenstein gerne eine philosophisches Werk geschrieben, das komplett aus Witzen besteht. Dementsprechend nimmt sich dieses seltsame Portrait auch aus. So erfahren wir allerlei seltsame Anekdoten, daß Wittgenstein mal den selben Geschichtslehrer gehabt haben soll wie Adolf Hitler, oder daß Ludwigs Bruder, ein angesehener Konzertpianist, im Krieg seinen Arm verlor, woraufhin Ravel ihm eigens ein Stück für einen einhändigen Klavierspieler schrieb. Unter solchen Voraussetzungen hat ja vielleicht sogar der blinde Xylophonspieler aus Woody Allens Broadway Danny Rose noch Grund zur Hoffnung.
Apropos Xylophon: Nicht nur lässt Jarman Wittgenstein für die erste Viertelstunde des Films von einem (immerhin aufgeweckten) Knaben spielen, auch taucht schon früh ein (natürlich grüner) Marsmensch auf, dessen Xylophon-Schlägel eine erstaunliche Ähnlichkeit mit seinen "Fühlern" hat. Manche Scherze wie der Hinweis "Sie sollten mehr Hegel lesen" gingen an mir Ignoranten völlig vorbei, aber immerhin musste ich während des Films weitaus weniger mit dem Schalf kämpfen als ich erwartet hatte.

22:25 Uhr
Diesmal hatte ich wieder zwei Filme kurz hintereinander im selben Kino, ich ging nur kurz zwischendurch auf Toilette und holte mir vorm Kino ein Brezel und sonst passierte nichts.

22:45 Uhr

Fucking Åmål
(Lukas Moodysson,
Teddy Twenty Tribute)

Deutscher Kinotitel: Raus aus Åmål, Schweden 1998, Buch: Lukas Moodysson, Kamera: Ulf Brantås, Schnitt: Michal Leszczylowski, Bernhard Winkler, Musik: Rubyn, Lars Gullin, Broder Daniel u. a., mit Alexandra Dahlström (Elin), Rebecca Liljeberg (Agnes), Erica Carlson (Jessica), Mathias Rust (Johan Hult), Stefan Hörberg (Markus), Ralph Carlsson (Agnes’ Vater), Maria Hedborg (Agnes’ Mutter), 89 Min.

Nachdem ich Lukas Moodysson bei dieser Berlinale schon nach Container vor der Leinwand stehen sehen durfte (in einem seltsamen Hut und Schuhen, die mich mit ihren knallgelben Intarsien an "Gamaschen-Colombo" erinnerten), tauchte er auch vor dieser Vorführung kurz auf und berichtete, daß die Einwohner von Åmål ihn beim Start des Films wenig mochten, ihn aber inzwischen zu schätzen gelernt hatten (auch wenn er nicht bestätigen wollte, daß sein Film den Tourismus dort angekurbelt habe). Zu dieser Vorführung will ich nur kurz bemerken, daß es beim "Schlußmachen per Telefon" Szenenapplaus gab, und das mir auffiel, was Herzen in den Filmen von Moodysson für eine Rolle spielen. In Fucking Åmål sagt mal eine Figur "My heart is going to burst", in Lilya 4-ever hört man den Rammstein-Song Mein Herz brennt, und die Abschlußworte von Moodyssons kurzer Erklärung zu Container waren "My heart is full".
Nachfolgend eine geringfügig verbesserte Rezension, die beim ursprünglichen Deutschen Kinostart des Films (Dezember 1999) abgefasst wurde:

Einige Teenager in einem schwedischen Provinzkaff: Agnes, gerade 16 geworden, hat in den zwei Jahren, seitdem es ihre Eltern hierher verschlagen hat, keine Freunde gefunden. Sie lebt in ihrer eigenen Welt, offenbart sich nur ihrem PC (als Tagebuchersatz), passt sich nicht an, sondern liest Gedichte, ist Vegetarierin und insgeheim (noch) nicht praktizierende Lesbe. Das Objekt ihrer Begierde: Elin, das frühreife blonde 14jährige Früchtchen, das in der Schule zwar angesagt ist, der aber wegen einiger wilder Knutschereien natürlich nachgesagt wird, sie sei eine Schlampe. Doch auch Elin ist nicht zufrieden mit ihrem Leben: Alles ödet sie an, selbst die Jungs. Da setzt der Zuschauer eins und eins zusammen, aber ganz so einfach macht Regisseur und Autor Moodysson es uns nicht. Denn zum Erwachsenwerden gehört es auch, kennengelernt zu haben, wie es ist, verletzt zu werden. Unprätentiös und ohne schmückendes Beiwerk zeigt uns die oft wie in einem Tennisspiel hin- und hergerissene Kamera Liebeskummer, Schulhof-Mobbing und die ersten Erlebnisse, aber ohne verklärten Abstand und Ironie (von der Szene, die uns zeigt, wie man die Dinger aus der knisternden Tüte nicht besonders geschickt einsetzt, mal abgesehen), sondern mit einer drastischen Direktheit, wie Larry Clarks Kids, nur liebevoller. Apropos liebevoll, der Musikeinsatz lässt dann doch mal an Subtilität vermissen, aber im Wirbelwind der Gefühle sieht man darüber schon mal hinweg.
Die schwedischen Eltern waren übrigens ziemlich erschreckt, wie gut der Film gerade bei Jugendlichen ankam.
Ready or not, we’re coming out now!

0:15 Uhr
Ich erwischte nach zweimal Umsteigen am Kotti noch die letzte U-Bahn und ging dann zufrieden ins Bett.

Coming soon in Cinemania 27 (Berlinale für alle):
Das normale "Kinostart"-Cinemania in einer Berlinale-Sondernummer mit lauter Filmen, die kurz nach ihren Berlinale-Auftritten bereits regulär in den Kinos laufen: Elementarteilchen, The New World, Der Räuber Hotzenplotz, Requiem, Stay, Syriana, Der Tiger und der Schnee.