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April 2006
Thomas Vorwerk
für satt.org

Bambi 2 - Der Herr der Wälder
USA 2006

Plakat

Regie:
Brian Pimental

Buch:
Alicia Kirk

Story:
Brian Pimental, Jeanne Rosenberg

Lit. Vorlage:
Felix Salten

Schnitt:
Jeremy Milton, Mark Solomon

Musik:
Bruce Broughton

Songs (dt. Version):
Sandy (3), Michael Pan (1)

mit den Original- / dt. Stimmen von:
Patrick Stewart / Thomas Fritsch (The Great Prince), Alexander Gould / Luka Andres (Bambi), Brendon Baerg / Bruno Schubert (Thumper / Klopfer), Keith Ferguson / Wilfried Herbst (Eule), ? / Jannis Michel (Flower / Blume), Kristin Chenoweth / Anna Marie Fassbender (Faline / Feline), Anthony Ghannam / Adrian Kilian (Ronno), Brian Pimental / Michael Pan (Stachelschwein, Murmeltier), Makenna Cowgill & Idina Menzel & Emma Rose Lima & Ariel Winter / Celina Gaschina & Lea Mariage (Klopfers Schwestern), Carolyn Hennesy / Gundi Eberhardt (Bambis Mutter), Cree Summer / Schaukje Könning (Mena)

72 Min.

Kinostart:
27. April 2006

Bambi 2
Der Herr der Wälder

In Zeiten, wo sich sogar der traditionsreiche Disney-Konzern zugunsten von CGI-Animationen vom klassischen Zeichentrickfilm abwendet, ist wohl außer Sequels nicht mehr viel zu erwarten. Und da bereits erprobte Charaktere und Situationen weniger Entwicklungskosten erfordern, gibt es momentan nicht nur die bekannten Fernsehserien und Direct-to-Video-Fortsetzungen relativ aktueller Disney-Erfolge wie The Little Mermaid, Beauty and the Beast, Aladdin, The Lion King, The Hunchback of Notre Dame, Pocahontas, Tarzan oder Lilo & Stitch, auch die Klassiker werden nach und nach fortgesetzt, wie etwa bei Peter Pan, The Lady and the Tramp, The Jungle Book, The Rescuers oder der Winnie the Pooh-Reihe geschehen. Bambi 2 dürfte mit 64 Jahren zwischen dem Original und „Teil 2“ wohl die filmgeschichtlich späteste Fortsetzung sein (selbst bei Fantasia, bei dem nur das Konzept fortgesetzt wurde, musste nicht so lange warten), und es ist offensichtlich, daß derart extreme Wiederbelebungen überhaupt nur in der Animation möglich sind, denn wer will schon die Abenteuer einer 16jährigen (als Beispiel) mit einer 80jährigen fortgesetzt sehen? Mal ganz abgesehen davon, daß auch das Publikum ja mitaltert. Im Falle der Disney-Zeichentrick-Klassiker altern allerdings die Filme auch nicht annähernd so wie bei Realfilmen. Während man junge Leute heutzutage schon mit Filmen aus den 1980ern zum entnervten Stöhnen bringen kann, gibt es wohl keinen Film aus den 1940ern, der auch nur annähernd so neben neuesten Produktionen bestehen kann wie Bambi, Pinocchio oder selbst der heutzutage politisch nicht mehr korrekte (die Krähen!) Dumbo. Casablanca, Citizen Kane oder To Be Or Not To Be werden zwar heute noch immer geschaut (und das ist auch gut so!), aber jeder halbwegs gelungene Disney-Zeichentrickfilm aus alten Zeiten verkauft sich beispielsweise als DVD um ein vielfaches öfter als selbst einer der oben genannten Klassiker mit Audiokommentar von wahlweise Humphrey Bogart, Orson Welles oder Ernst Lubitsch (Wenn es sowas doch nur gäbe …)

Filmszene
Filmszene
Filmszene
Filmszene
Filmszene

Doch genug von alten Zeiten gefaselt, vom Ende des Zweiten Weltkriegs, als meine Eltern noch nicht einmal geplant waren. In Bambi ist zwar auch der Geist des Zweiten Weltkriegs zu spüren (immerhin geht es um eine Art Kriegswaise), doch vor allem geht es um den Reiz der unberührten (nordamerikanischen) Natur, in Disney-Manier anthropomorphisiert, und dennoch in strikten Kontrast zum Menschen, der nur tödliche Projektile und Feuersbrünste mit sich bringt. Der Mensch ist auch in Bambi 2 der Bösewicht, doch diesmal viel symbolhafter und allenfalls durch einige Jagdhunde „vertreten“. Die Panik, die sich 1942 im Tierreich breitmachte, ist diesmal nur ansatzweise wiederzufinden, und diesmal gibt es auch keine Toten zu beklagen.

Stattdessen wird vor allem fortgesponnen, was wir eigentlich schon in Bambi sahen. Manch einer mag sich erinnern, daß der erwachsene Bambi zum Schluß des Films gegen einen Widersacher antritt, sich sein Weibchen verdient und Vater von Zwillingen wird. „The Circle of Life“ (wie es Elton John später in The Lion King besingt) ist wieder mal komplett. Nun geht es in Bambi 2 nicht etwa um The Next Generation (auch wenn Patrick Stewart einer der Synchronsprecher des Films ist), sondern eher um Bambi & Faline - the Early Years. Wir erleben nicht nur Bambis spätere Gefährtin Faline und die aus dem Original bekannten Thumper (dt.: Klopfer) und Flower (dt.: Blume) in nahezu dem selben Alter wie in Großteilen des Klassikers, dazu gesellt sich auch der später als Rivale auftretende Ronno, eine Art Draco Malfoy des Waldes (“Bambi … - ist das nicht ein Mädchenname?“). Als zusätzliches Personal gibt es ansonsten neben einem Murmeltier vor allem ein nicht wirklich überzeugendes Stachelschwein, das wie eine Art aufgebrachter Nachbar fungiert, und den heranwachsenden Waldkindern im übertragenen Sinne den über den Zaun geschossenen Fußball wegnehmen will …

Doch ähnlich wie bei Peter Pan 2 oder The Jungle Book 2 ist eigentlich nicht am interessantesten, was geändert oder neu hinzugefügt wird - das besondere an Bambi 2 ist, daß man es hier - besser als in jeder anderen Disney-Zeichentrickfortsetzung - tatsächlich geschafft hat, fast nahtlos an das Original anzuschließen. Klopfer und Blume sind noch so liebenswert wie damals (sogar die Synchronstimmen sind sehr ähnlich), Klopfers Schwestern nerven im Pubertätsalter zwar etwas stärker als im Original, sind aber dennoch ganz niedlich (Blume: „Ich finde sie süß!“ - Klopfer: „Du hast sie ja auch nicht an der Backe!“), und natürlich wird auch Bambis Vater, „der Herr des Waldes“, trotz seines Beharren auf die Etikette (“Ein Prinz ruft niemals ‘Juhu!’“) nach einigen Problemen ein richtig dufter Papi, nach dem Happy End für Erwachsene im Original wird nun also das Happy End für alle Waisen- und Scheidungskinder nachgeliefert.

Für den Puristen sind zwar die Farben etwas zu knallig, die Songs zu schwach, und auf den heutzutage unerlässlichen „Airbrush“-Effekt beim Kolorieren hätte man ebenso verzichten können wie auf den Pups-Scherz mit Blume, aber mit wie viel Liebe und Ehrfurcht die Macher den Film inszenierten, sieht man schon in einer der allerersten Szenen, einer Hommage auf die 1942 noch revolutionären 3D-ähnlichen Aufnahmen des Waldes (man ließ damals eine Kamera sozusagen in verschiedene direkt auf Glasscheiben gemalte Ebenen „hineinfahren“), wenn auch diesmal wahrscheinlich sehr viel einfacher realisiert. Selbst das CGI-animierte Geweih des „Herrn des Waldes“ wirkt wie handgezeichnet, und diese offensichtliche Liebe der Filmemacher zum Original geht auch auf den Zuschauer über - ganz egal, ob es sich dabei um ältere Semester handelt, die die Liebe zum Zeichentrickfilm nicht verloren haben - oder um die ganz jungen, die womöglich Bambi erst durch diesen Film kennenlernen.