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April 2006 | Thomas Vorwerk für satt.org | |
Bambi 2
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Doch genug von alten Zeiten gefaselt, vom Ende des Zweiten Weltkriegs, als meine Eltern noch nicht einmal geplant waren. In Bambi ist zwar auch der Geist des Zweiten Weltkriegs zu spüren (immerhin geht es um eine Art Kriegswaise), doch vor allem geht es um den Reiz der unberührten (nordamerikanischen) Natur, in Disney-Manier anthropomorphisiert, und dennoch in strikten Kontrast zum Menschen, der nur tödliche Projektile und Feuersbrünste mit sich bringt. Der Mensch ist auch in Bambi 2 der Bösewicht, doch diesmal viel symbolhafter und allenfalls durch einige Jagdhunde „vertreten“. Die Panik, die sich 1942 im Tierreich breitmachte, ist diesmal nur ansatzweise wiederzufinden, und diesmal gibt es auch keine Toten zu beklagen.
Stattdessen wird vor allem fortgesponnen, was wir eigentlich schon in Bambi sahen. Manch einer mag sich erinnern, daß der erwachsene Bambi zum Schluß des Films gegen einen Widersacher antritt, sich sein Weibchen verdient und Vater von Zwillingen wird. „The Circle of Life“ (wie es Elton John später in The Lion King besingt) ist wieder mal komplett. Nun geht es in Bambi 2 nicht etwa um The Next Generation (auch wenn Patrick Stewart einer der Synchronsprecher des Films ist), sondern eher um Bambi & Faline - the Early Years. Wir erleben nicht nur Bambis spätere Gefährtin Faline und die aus dem Original bekannten Thumper (dt.: Klopfer) und Flower (dt.: Blume) in nahezu dem selben Alter wie in Großteilen des Klassikers, dazu gesellt sich auch der später als Rivale auftretende Ronno, eine Art Draco Malfoy des Waldes (“Bambi … - ist das nicht ein Mädchenname?“). Als zusätzliches Personal gibt es ansonsten neben einem Murmeltier vor allem ein nicht wirklich überzeugendes Stachelschwein, das wie eine Art aufgebrachter Nachbar fungiert, und den heranwachsenden Waldkindern im übertragenen Sinne den über den Zaun geschossenen Fußball wegnehmen will …
Doch ähnlich wie bei Peter Pan 2 oder The Jungle Book 2 ist eigentlich nicht am interessantesten, was geändert oder neu hinzugefügt wird - das besondere an Bambi 2 ist, daß man es hier - besser als in jeder anderen Disney-Zeichentrickfortsetzung - tatsächlich geschafft hat, fast nahtlos an das Original anzuschließen. Klopfer und Blume sind noch so liebenswert wie damals (sogar die Synchronstimmen sind sehr ähnlich), Klopfers Schwestern nerven im Pubertätsalter zwar etwas stärker als im Original, sind aber dennoch ganz niedlich (Blume: „Ich finde sie süß!“ - Klopfer: „Du hast sie ja auch nicht an der Backe!“), und natürlich wird auch Bambis Vater, „der Herr des Waldes“, trotz seines Beharren auf die Etikette (“Ein Prinz ruft niemals ‘Juhu!’“) nach einigen Problemen ein richtig dufter Papi, nach dem Happy End für Erwachsene im Original wird nun also das Happy End für alle Waisen- und Scheidungskinder nachgeliefert.
Für den Puristen sind zwar die Farben etwas zu knallig, die Songs zu schwach, und auf den heutzutage unerlässlichen „Airbrush“-Effekt beim Kolorieren hätte man ebenso verzichten können wie auf den Pups-Scherz mit Blume, aber mit wie viel Liebe und Ehrfurcht die Macher den Film inszenierten, sieht man schon in einer der allerersten Szenen, einer Hommage auf die 1942 noch revolutionären 3D-ähnlichen Aufnahmen des Waldes (man ließ damals eine Kamera sozusagen in verschiedene direkt auf Glasscheiben gemalte Ebenen „hineinfahren“), wenn auch diesmal wahrscheinlich sehr viel einfacher realisiert. Selbst das CGI-animierte Geweih des „Herrn des Waldes“ wirkt wie handgezeichnet, und diese offensichtliche Liebe der Filmemacher zum Original geht auch auf den Zuschauer über - ganz egal, ob es sich dabei um ältere Semester handelt, die die Liebe zum Zeichentrickfilm nicht verloren haben - oder um die ganz jungen, die womöglich Bambi erst durch diesen Film kennenlernen.
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