Bilder © 2006 Twentieth Century Fox
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Borat
(R: Larry Charles)
Originaltitel: Borat - Cultural Learnings of America for Make Benefit Glorious Nation of Kazakhstan; USA 2006; Buch: Sacha Baron Cohen, Anthony Hines, Peter Baynham, Dan Mazer; Kamera: Luke Geissbuhler, Anthony Hardwick; Schnitt: Craig Alpert, Peter Teschner, James Thomas; Musik: Erran Baron Cohen; Kostüme: Jason Alper; mit Sacha Baron Cohen (Borat Sagdiyev), Ken Davitian (Azamat Bagatov), Pamela Anderson (Herself); 82 Min.; Kinostart: 2. November 2006
Der Komiker Sacha Baron Cohen, besser bekannt unter dem Namen Ali G (einer von ihm kreierten Figur), ist wahrscheinlich einer der besten Gründe, sich stundenlang mit YouTube zu berieseln. Seine unverschämten Interviews mit Promis wie David und Victoria Beckham sind so gut wie Wigald Boning oder Harald Schmidt zu ihren besten Zeiten (also vor etwa einem Jahrzehnt). Die Figur des kasachischen Journalisten Borat Sagdiyev besitzt inzwischen auch Kultstatus, und so gibt es nun abermals einen Kinofilm (wie seinerzeit Ali G in da House), der in seiner satirischen Schärfe und dem völligen Fehlen irgendeiner political correctness schon mal ohne Gleichen ist.
Das Presseheft zum Film will uns weismachen, daß die Episoden, die Borat bei seinen Reisen durch die Vereinigten Staaten erlebt, allesamt ebenso improvisiert und mit “echten” Menschen entstanden sind, wie man es aus der Fernsehserie kennt. Der Stern spricht sogar von einer "Dokumentar-Satire", beide lassen aber dabei völlig außer acht, daß beispielsweise die erste Viertelstunde des Films (in Borats "Heimatdorf") komplett inszeniert ist, und auch ein Budget von 17 Mio. Dollar (Angabe ebenfalls aus dem Stern) für einen Dokumentarfilm irgendwie seltsam wirkt. Borats kasachische (aber englischsprachige) Version der US-amerikanischen Nationalhymne hätte bei einem richtigen texanischen Rodeo sicher zu verschärfter Lynchjustiz geführt, doch während man sich einige der Reaktionen von Passanten (etwa, wenn Borat seine Notdurft in der Rabatte verrichtet oder seine Libido durch eine Schaufensterpuppe angeregt wird) noch als mit versteckter Kamera gefilmt vorstellen kann, fragt man sich, ob die Filmemacher allen Ernstes glauben, wir nehmen ihnen ab, daß die Kinder, die von dem in Borats Eiswagen hausenden Bären vergrault werden, davon nichts wussten (allein sicherheitstechnisch undenkbar) oder sie überhaupt den Bären gesehen haben (und nicht einen Typen mit einem Schild "Jetzt erschreckt weglaufen"). Ebenso fragwürdig (jetzt rein darauf bezogen, was die vermeintliche "Authentizität" angeht) ist die Szene mit dem netten jüdischen Ehepaar, bei dem Borat mal übernachtet, bis er deren “Geheimnis” entdeckt (“Man sieht nicht einmal ihre Hörner”), bei dem offensichtlich ein "Animal Wrangler" beschäftigt war (mal ganz abgesehen davon, daß ich die beiden für gute Schauspieler halte), und auch die tumultartigen Szenen bei einer Signierstunde und dem nackten Hereinplatzen von Borat und seinem übergewichtigen Produzenten (Ken Davitian) bei einer Tagung imitieren zwar Spontanität, entspringen aber offensichtlich einem Drehbuch, von dem das Presseheft behauptet, es hätte gar keines gegeben.
Nur eine vage Outline, die zwischendurch immer wieder geändert werden musste, soll existiert haben. Da fragt man sich natürlich, warum man dafür nicht weniger als vier Drehbuchautoren und mit Todd Philips (Road Trip) einen weiteren Storylieferanten benötigt hat. Und man könnte auch noch erwähnen, daß man mit dem Co-Produzenten Jay Roach (Meet the Parents / Fockers, die drei Austin Powers-Filme) und dem Regisseur Larry Charles (Seinfeld, Curb your Enthusiasm) im Team einige Humor-Experten angesammelt hat, aber keinerlei Dokumentarfilmexperten.
Natürlich wäre der Film noch witziger (und er ist schon verdammt scheißwitzig!!!), wenn man durchweg glauben könnte, daß die Benimmlehrerin, der Humor-Coach, der Fahrlehrer und die Feministinnen, die an Borat schier verzweifeln, allesamt “echt” sind (und einige sind es wahrscheinlich sogar), doch spätestens dadurch, daß keiner von ihnen im Film durch Balken oder ähnliches unkenntlich gemacht wurde, wird diese Glaubwürdigkeit schon sehr strapaziert.
In Zeiten, wo fake documentaries und Internet-Hype Filmerfolge ermöglichen, die zuvor undenkbar gewesen wären (The Blair Witch Project, Open Water), gestattet man auch Borat, hin und wieder ein bißchen zu schummeln, solange der dadurch entstehende Film noch besser wird. Den “Wahrheitsgehalt” des Films und diverser PR-Meldungen der Kasachischen Botschaften vernachlässigt man am besten, ähnlich wie bei den haarsträubendsten Stunts aus Jackass. Wer sich nur darauf konzentriert, unterhalten zu werden (und dabei braucht man sich hier wirklich nicht anzustrengen, das Gegenteil zu erreichen, wäre weitaus schwieriger), wird nachvollziehen können, warum Borat von allen Komödien auf der Internet Movie Data Base das höchste Rating der Nutzer hat.
“Please be warn that since it contain foul cursings, needless violence and a close-up of a man’s bishkek, it has been given most strict certificate in Kazakhstan, meaning no one under age of 3 will be able to see it. Also this film have been very controversial in my country because of amount of anti-Semitisms in it - however, eventually our Censor decide there was enough and allow its release.”