Lady Chatterley
(R: Pascale Ferran)
Frankreich / Belgien 2006, Buch: Pascale Ferran, Roger Bohbot, Pierre Trividic, nach der zweiten Fassung des Romans “Lady Chatterley’s Lover” von D. H. Lawrence, Kamera: Julien Hirsch, Musik: Béatrice Thiret, mit Marina Hands (Lady Constance Chatterley), Jean-Louis Coulloc’h (Olivier Parkin), Hippolyte Girardot (Sir Clifford Chatterley), Hélène Alexandridis (Mrs. Bolton), Hélène Fillières (Hilda), 168 Min.
Vorführungen: (alle Angaben ohne Gewähr) Samstag, 10. Februar, 20 Uhr 30 im Cubix 7+8, Sonntag, 11. Februar, 21 Uhr im Zoo-Palast 1, Montag, 12. Februar, 10 Uhr im CinemaxX 7, Dienstag, 13. Februar, 14 Uhr 30 im Cubix 9, Sonntag, 18. Februar, 14 Uhr 30 im International
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D. H. Lawrences Lady Chatterley’s Lover eilt der Ruf der Pornographie voraus; der Gerichtsprozess um die Penguin-Version von 1960 – die erste nicht gekürzte Veröffentlichung in England – zog starkes Interesse auf sich und verschob die Grenzen des Akzeptablen dauerhaft. Die Version, die diesem Film zugrunde liegt, ist eine mildere, bereinigte Fassung, die bereits 1932 in London erschien; sie ist die längste der drei Fassungen und gilt bei manchen Lesern als die gelungenste. An heutigen Standards gemessen sind aber wohl alle drei Versionen des Buchs, wie auch diese neue Verfilmung, harmlos und weit entfernt davon, als Pornographie bezeichnet werden zu können. Zwar gibt es hier durchaus nackte Haut und Sex zu sehen; die Liebesbeziehung zwischen Lady Chatterley und dem Wildhüter ihres Mannes, Oliver Parkin, passiert jedoch auf so liebevolle und fast unbeholfene Art und Weise, dass man nur von einer großen Liebesgeschichte sprechen kann. Nicht einmal die fast drei Stunden Laufzeit können dem schieren Vergnügen, den beiden dabei zuzuschauen, wie sie sich verlieben, Abbruch tun.
1921. Die 26-jährige Constance Chatterley lebt mit ihrem Mann, Sir Clifford, auf einem einsam gelegenen englischen Landgut. Clifford wurde im ersten Weltkrieg verletzt und ist seither querschnittsgelähmt. Der jungen Frau fehlt es offensichtlich an Intimität und Zärtlichkeit, wobei der Film offen lässt, ob einzig Cliffords Behinderung daran die Schuld trägt. Offensichtlich von Parkins kraftvoller Erscheinung angetan, besucht die Lady immer häufiger die abgelegene Waldhütte, die er als Werkzeuglager nutzt. Dort züchtet er Hühner und Fasane; sie gesellt sich bald dazu, beobachtet die Hühner beim Brüten, beginnt Blumen zu pflanzen. Neben der körperlichen Anziehung ist es so vor allem die Liebe zur Natur, die die beiden miteinander verbindet und zusammenbringt: Er berührt sie zum ersten Mal, um sie zu trösten – die Unschuld und Hilflosigkeit eines kleinen Kükens hatte sie zu Tränen gerührt. Überhaupt hat die Natur die dritte Hauptrolle in diesem Film – immer wieder gibt es lange Einstellungen, ganze Szenen, die die wechselnden Farben und Formen der Jahreszeiten einfangen; dies sind dabei die einzigen Momente des Films, in denen er sich eine musikalische Untermalung erlaubt. Lady Chatterleys besondere Wertschätzung von “Natürlichkeit” zeigt sich außerdem in der ungewöhnlichen Nähe der Bilder zu ihrem Ausgangsmaterial, etwa den Kostümen der Hauptdarstellerin Marina Hands; sie besitzen eine physische Qualität, die sich dem Zuschauer unmittelbar zu erschließen scheint, auch ohne Detailaufnahmen – man meint den Stoff tatsächlich fühlen zu können. So gelingt es Lady Chatterley, von der wachsenden Leidenschaft der beiden Hauptfiguren auf indirekte, und dennoch sehr konkrete und sinnliche Weise zu erzählen.
Einen weiteren Akzent legt der Film auf die Interaktion der beiden über Klassenbarrieren hinweg. Die meisten ihrer Gespräche beziehen sich auf diesen Aspekt und bringen Parkins anfängliche Angst, von ihr ausgenutzt zu werden, zum Ausdruck, ebenso wie Lady Chatterleys Naivität, der nichts ferner liegen könnte. (Wie etwa ihr völlig ernst gemeintes “Wie kann ich mich je bei Ihnen bedanken?” demonstriert.) Nach und nach entsteht so eine Gegenseitigkeit, die über das rein Körperliche hinausgeht, und bei der keinerlei Zuweisungen von außen mehr eine Rolle spielen, egal ob sie den Ehestand, die Klassenzugehörigkeit oder das Geschlecht betreffen. Die beiden befinden sich in einer Art Naturzustand, den der Film ins Bild setzt, indem er die beiden ungehemmt und nackt im Regen durch den Wald laufen und sich lieben lässt. Sie sind ihr gegenseitiges “Zuhause”, ihre Heimat geworden, wie Parkin selbst feststellt. Wenn D. H. Lawrence den Tabubruch, den er mit dem Roman beging, für nötig erachtete, um eine bestimmte Aussage zu treffen, so besteht diese wohl in der Darstellung dieses egalisierenden Moments der leidenschaftlichen Liebe.
Das etwas abrupte, offene Ende erscheint schließlich wie der einzig angemessene Ausgang dieser Liebesgeschichte: Er erlaubt sowohl die Hoffnung auf eine romantische Erfüllung des Liebesglücks, als auch unter den gegebenen Umständen durchaus realistische Zweifel daran – ohne der Liebe an sich jedoch etwas von ihrer Schönheit zu nehmen.