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Februar 2007 | Thomas Vorwerk für satt.org | |
Letters from Iwo Jima
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Fotos © 2007 Warner Bros. Ent. |
Wie schon anhand der amerikanischen Berichterstattung abzusehen war, ist Letters from Iwo Jima die überzeugendere Ergänzung zum enttäuschenden Flags of our Fathers. Der Schauplatz ist zwar der selbe, und auhc die monochrome Fotografie wurde aus dem Vorgänger übernommen, doch letztere wirkt hier noch viel konsequenter, weil die japanische Flagge eben nur jenes Rot beinhaltet, das hier die einzigen Farbtupfer bereitzuhalten scheint, und zwar bevorzugt bei Explosionen, Feuern und Blutspritzern.
Nicht nur driftet die Story hier nicht in unwichtige Nebenhandlungen ab (von denen ich inzwischen gehört habe, daß sie notwendig waren, um die Rechte an der Buchvorlage zu Flags of our Fathers zu bekommen), sondern ist abgesehen von einer kurzen Rahmenhandlung und einigen Flashbacks sehr geradlinig, positiv file mir auch auf, daß man sich tatsächlich Mühe gegeben hat, dem Film über die japanische Sprache und den samuraihaften Ehrenkodex japanisch erscheinen zu lassen. So beginnt Letters from Iwo Jima mit einigen für das japanische Kino (und klassische Mangas) typischen narrativ völlig unbegründeten Ansichten des Schauplatz, die zusammen mit der Musik bereits sehr früh eine Atmosphäre aufbauen, die in Flags schlichtweg fehlte oder sich höchstens in amerikanischen Parademärschen erschöpfte.
Außerdem hat Iwo Jima neben dem larger-than-life erscheinenden General Kuribayashi (Ken Watanabe) mit den eher furchtsamen und tolpatschigen (aber dadurch viel menschlicher wirkenden) Soldaten Saigo und Shimizu zwei typisch japanische “Helden”, die schon in ihrer ersten Szene am liebsten diese gottverlassene Insel den Amerikanern überlassen würden - und dafür flugs ausgepeitscht werden.
Der japanische Humor hält immer wieder Einzug in die Geschichte, wenn Saigo etwa den vollgeschissenen Eimer aus Suribashi, einem der durchtunnelten Berge Iwo Jimas, herausbringen soll, er draußen die überwältigende amerikanische Flotte sieht, und sich in übertragenem Sinne derart “einscheißt”, daß er den Eimer verliert und wieder bergen muß, während um ihn herum der Beschuß auf die Insel beginnt. Saigo beschwert sich bei der höheren Instanz (“Is this some kind of joke? Why are you always picking at me?”), nur um sich kurz darauf zu entschuldigen, als ein Blingänger einen knappen Meter neben ihm im schwarzen Sand stecken bleibt, ohne zu explodieren (“Thank you, God. I take back what I said before.”)
Saigo und Shimizu, deren Darsteller ich während der Berlinale auch in Hana yori mo naho und (als Synchronsprecher) in Tekkonkinkreet erleben durfte, sind die klaren Sympathieträger, und da sie als einzige bei einem Massenselbstmord lieber den ursprünglichen Befehl der Evakuierung Suribashis ausführen, begleiten sie die Geschichte auch genauso lange wie der in der Kontrollstation gefangene General und ein als Springreiter bei der Olympiade zu nationalem Ruhm gekommene Baron, der selbst noch vor amerikanischen Gefangenen damit prahlt, mal Mary Pickford und Douglas Fairbanks bei sich zu Besuch gehabt zu haben, dabei aber dennoch ehrenwert und intelligent wirkt, während bei einigen der anderen höherrangigen Offizieren offenbar die Ehre zwar gut ausgebildet scheint, der gesunde Menschenverstand aber darüber gelitten haben muß. Diese pochen lieber auf traditionelle Verteidigungsstrategien, um den (reichlich nutzlosen) Strand zu verteidigen, entscheiden sich eigenwillig gegen Befehle des wegen seines Amerika-Aufenthaltes suspekten Generals oder kommen auch mal auf die glorreiche Idee, sich mit drei Tellerminen behangen unter einen amerikanischen Panzer werfen zu wollen. Nur dumm, wenn gerade keiner vorbeikommt.
Saigo und Shimizu hingegen üben sich in der schwierigen Kunst des Desertierens, die aber den Krieg auch nicht einfacher macht, wenn man hinter sich Offiziere hat, die ein klingonisches (und klar von japanischen Grundwerten inspiriertes) Sprichwort völlig missdeuten: “Today is a good day to die - for you!” Und vor sich die Amerikaner, über die man nur wenig weiß, die aber ebenso barbarisch wie feige sein sollen.
Die Sinnlosigkeit des Krieges offenbart sich in diesem Film mit großer Klarheit, doch das Drehbuch hält neben der Hoffnungslosigkeit auch die eine oder andere Form von poetic justice bereit, und dafür kann man diesen Film lieben (oder verdammen, wenn man lieber Realität bis zum letzten Mann bevorzugt).
Nachdem General Kuribayashi Saigo auch noch zum dritten Mal das Leben rettet (und dabei sogar irgendwelche Ehrvorstellungen klar hinter sich lässt), riskiert Saigo sein Leben schließlich unnötig, um erstmals auch für die Ehre zu kämpfen. Nicht für die seine, nicht für die seines Landes, sondern für die des strahlenden Helden Kuribayashi. Nur schade, daß die Amerikaner um ihn herum, die sich wie flinke Leichenfledderer mit den Besitztümern des Generals schmücken, ihn nicht verstehen, sondern nur einen Japaner sehen, der wüst mit einer Schaufel um sich schlägt.
Man braucht übrigens Flags of our Fathers nicht anzuschauen, um Letters from Iwo Jima zu verstehen und als großartigen Film zu erkennen. Zwischendurch sieht man zwar mal die gehisste Flagge der Amerikaner auf Suribashi, erlebt, wie es einem auf der anderen Seite eines Flammenwerfers ergeht oder erfährt, wie es zu dem grauslichen Leichenfund im Schwesterfilm kam, aber wem ein (Anti-)Kriegsfilm im Jahr reicht, dem sei klar dieser ans Herz gelegt.
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