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März 2007 | Thomas Vorwerk für satt.org | |
Herzen
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Wie schon bei Smoking / No Smoking (1993) griff Alain Resnais, neben Jacques Rivette einer der weniger überlebenden Altmeister der nouvelle vague, für seinen neuen Film auf ein (sogar ziemlich aktuelles) Theaterstück von Alan Ayckbourn zurück, Private Fears in Public Places. Anders als in der extrem englischen Komödie wurde aber diesmal alles für den neuen Handlungsort Paris und die dort lebenden Figuren umgeschrieben. Cœurs spielt im Zeitraum von vier Tagen (Dienstag bis Freitag) und zeigt die Wege von sieben Personen, die sich mitunter kreuzen, sich mitunter aber auch nur eher indirekt beeinflussen. Resnais zieht zur Erklärung den Vergleich mit einem Spinnennetz heran, in dem die sieben Menschen gefangen sind:
"Die Spinne ist nicht da, sie ist fort, aber sobald sich ein Insekt bewegt, versucht, sich zu befreien, erzittert das Netz und ein anderes Insekt, das gar nichts mit dem ersten zu tun hatte, ist gefangen …"
Große Teile des "üblichen" Resnais-Ensembles (Sabiné Azema, Pierre Arditi, André Dussollier) sind wieder versammelt, hinzu kommen aber auch Neulinge wie Isabelle Carré (Holy Lola) oder die in Cannes für ihre Rolle ausgezeichnete Laura Morante (Das Zimmer meines Sohnes, Ein perfekter Platz). Ähnlich wie Regisseur Resnais ist auch der Zuschauer mitunter etwas verunsichert durch den für Ayckbourn untypischen Plot, eine fröhliche Komödie ist Cœurs nicht gerade. Man merkt dem Stoff zwar seine Theaterherkunft an - insbesondere bei Arthur, einem ältern Herren, der von Charlotte (Sabine Azéma) gepflegt werden soll - doch abgesehen von den seltsamen Kunstschnee-Einsatz versucht Resnais oft, besonders filmische Auflösungen zu finden. Insbesondere der Einsatz von Wänden, Glasscheiben und anderen baulichen Trennungen zwischen den handelnden Figuren ist meisterlich - und nach Resnais letztem Film, der doch sehr betulichen 1920er-Jahre-Theateradaption Pas sur la bouche (in Deutschland ohne Kinostart), findet der alte Herr zwar nicht zur Topform der 1990er zurück, beweist aber, daß in ihm noch kreatives Potential steckt. Dafür, daß es in dem Film größtenteils um das eher unspektakuläre Liebeswerben nicht völlig taufrischer Herren und Damen geht, lodert noch ziemlich viel Leidenschaft, und auch der Regiepreis in Cannes war vielleicht nicht nur eine Almose, sondern redlich verdient.
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