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April 2007
Thomas Vorwerk
für satt.org


Robert Altman's Last Radio Show (R: Robert Altman)

Robert Altman's
Last Radio Show
(R: Robert Altman)

Originaltitel: A Prairie Home Companion, USA 2006, Buch: Garrison Keillor, Kamera: Robert Reed Altman, Schnitt: Jacob Draycroft, Musik: Richard Dworsky, mit Garrison Keillor (GK), Meryl Streep (Yolanda), Woody Harrelson (Dusty), John C. Reilly (Lefty), Kevin Kline (Guy Noir), Lily Tomlin (Rhonda), Lindsay Lohan (Lola), Virginia Madsen (Gefährliche Frau), Tommy Lee Jones (Axeman), Marylouise Burke (Lunch Lady Evelyn), L. Q. Jones (Chuck Akers), Robin & Linda Williams, Tom Keith (sie selbst), 105 Min., Kinostart: 12. April 2007

Robert Altman's Last Radio Show (R: Robert Altman)
Foto: Melinda Sue Gordon
Robert Altman's Last Radio Show (R: Robert Altman)
Robert Altman's Last Radio Show (R: Robert Altman)
Robert Altman's Last Radio Show (R: Robert Altman)
Robert Altman's Last Radio Show (R: Robert Altman)

Der "deutsche" Verleihtitel Robert Altman's Last Radio Show fasst sehr gut das interessanteste Detail dieses Films zusammen, der trotz Starbesetzung (u. a. Meryl Streep, Tommy Lee Jones, Lindsay Lohan, Woody Harrelson) aufgrund seines wenig kinokassenwirksamen Themas (die letzte Vorstellung einer in ländlichen Gegenden der USA mal bekannten Radiosendung, die immer vor Live-Publikum aufgezeichnet wurde) womöglich keinen deutschen Verleih gefunden hätte (die deutsche Uraufführung auf der Berlinale 2006 lag immerhin schon ein Jahr zurück). Robert Altman, der Regiealtmeister hinter Filmen wie M*A*S*H, Nashville, The Player oder Short Cuts, verstarb im letzten November, und schon als Ehrerbietung an einen der letzten großen US-amerikanischen Regisseure einer mittlerweile fast ausgestorbenen Rasse dürfte der Besuch des Films zum Pflichtprogramm eines jeden Cineasten gehören, der diese Bezeichnung auch weiterhin erhobenen Hauptes tragen möchte.

Gleich bei der ersten Einstellung des Films zeigt Altman, daß produktionstechnische Erneuerungen nicht an ihm vorbeigegangen sind, denn die ländliche "Skyline" eines Radioturms, an der vom Sonnenuntergang bis zum Nordlicht die halbe Palette graphisch interessanter Himmelsphänomene per CGI-Technologie durchexerziert werden, wirkt gleichzeitig wie ein Requiem und eine Anklage an jene aktuellen Filmemacher, die Zeit ihres Lebens wahrscheinlich niemals wie Antonioni, Kubrick oder Mallick auf ein passendes Naturschauspiel warten brauchen, das man heutzutage eben schnell aus dem Rechner kitzelt.

Doch diese Überlegungen werden wie vieles an diesem Film vom Wissen an das Ableben seines Regisseurs mitgeprägt. Es ist fast unmöglich, bei einem furzenden Leichnam, einem Liquidator namens Axeman oder jenem zweiten Einsatz eines blonden Todesengels im Werke Altmans nicht darüber zu sinnieren, inwieweit der Regisseur sich dessen bewusst war, daß es sich eben auch um seine letzte Vorstellung handeln würde.

Wer nun aber glaubt, der Film sei eine betuliche Selbstbeweihräucherung, kennt Robert Altman schlecht. Selbst der Umstand, daß das Radio selbst ein dem Untergang geweihtes Medium zu sein scheint (das hier nachgespielte Schicksal der real existierenden Show um Garrison Keillor und seine sich teilweise selbst spielenden Mitstreiter unterstreicht dies ja nur), zeugt die Abschiedsvorstellung vor allem von einer ungebrochenen Trotzhaltung, die Keillor und Altman eint. Keine lange Ansprache, die nochmal zusammenfasst, was zuvor geleistet wurde, kein versöhnliches Leisetreten, sondern "more of the same", was für die Radioshow derbe Scherze über die Vererbbarkeit von Durchfall und die Gemeinsamkeiten des prämenstruellen Syndroms mit dem Rinderwahnsinn bedeutet, für den Film hingegen wieder mal das ausgefuchste Ensemblespiel mit langen Kamerafahrten, diversen Nebenhandlungen und sich überlappenden Dialogen, die dem Zuschauer im Gegensatz zum derzeit verbreiteten Standard-Mainstream-Kino nicht jeden plot twist dreimal in Erinnerung ruft, sondern dessen Aufmerksamkeit einfordert.

A Prairie Home Companion ist weit entfernt davon, ein herausragender Höhepunkt im Oeuvre Altmans zu sein, aber da man nie wieder einen neuen Film von ihm sehen wird, sollte man diesen nicht verpassen.