Der Italiener - Il caimano
(R: Nanni Moretti)
Originaltitel: Il caimano, Italien / Frankreich 2006, Buch: Nanni Moretti, Heidrun Schleef, Kamera: Arnaldo Catinari, Schnitt: Esmeralda Calabria, Musik: Franco Piersanti, Production Design: Giancarlo Basili, mit Silvio Orlando (Bruno Bonomo), Margherita Buy (Paola Bonomo / Aidra), Jasmine Trinca (Teresa), Michele Placido (Marco Pulici), Giuliano Montaldo (Franco Caspio), Antonello Grimaldi (Direttore di Produzione), Paolo Sorrentino (Aidra's husband), Elio De Capitani (Silvio Berlusconi), Tatti Sanguinetti (Beppe Savonese), Jerzy Stuhr (Jerzy Sturovsky), Toni Bertorelli (Indro Montanelli), Matteo Garrone (Direttore della fotografia), Lorenzo Alessandri (Aiuto regista), Giancarlo Basili (Fritz Simmons, lo scenografo), Anna Bonaiuto (Pubblico Ministero), Antonio Catania (Dirigente Rai), Luca D'Ascanio (Aiuto regista di Caspio), Cecilia Dazzi (Luisa), Silvio Berlusconi (Archivmaterial), 112 Min., Kinostart: 12. Juli 2007
In Caro diario, dem neben La stanza del figlio hierzulande wohl bekanntesten Film des italienischen Provokateurs, frönte Nanni Moretti noch seinen semi-autobiographischen, teilweisen dokumentarischen Stil, in dem er seine eigene Weltanschauung zum Hauptthema machte. Il caimano ist zwar eine thematische Rückkehr zu den Filmen über den italienischen Alltag, noch dazu aus der Sicht eines Regisseurs, doch diesmal bedient sich Moretti eines Alter Egos, des erfolglosen B-Movie-Produzenten Bruno Bonomo (Silvio Orlando), den wir auf dem Tiefpunkt seiner Karriere, eigentlich dem Ende seiner Karriere kennenlernen. Seine Produktionsfirma steht vor dem Aus, seine Ehe wird schnell als eine Farce entlarvt, bei der nur noch den Kindern zuliebe eine “heile Welt” vorgegaukelt wird. Als dann auch noch jenes Filmprojekt über Christopher Kolumbus zu platzen droht, erinnert sich Bruno an ein ihm zugestecktes Drehbuch, das er allerdings nur überflogen hatte.
Für politisch halbwegs interessierte Italiener soll es offensichtlich sein, daß schon der Titel des Drehbuchs, Il caimano, eine klare Anspielung auf Silvio Berlusconi ist, doch Bruno sieht in dem Stoff nur einen spannenden Polit-Thriller, den er ähnlich wie seine zuvorigen billigen, brutalen kleinen Filme umzusetzen gedenkt. Erst als ihm aufgrund des brisanten Stoffes die Finanzierung durch einen (Berlusconi-“freundlichen”) TV-Sender entzogen wird, erwacht in Bruno so etwas wie ein politisches Gewissen, und gegen alle Widerstände will er jetzt diesen, seinen womöglich letzten Film, realisieren.
Da ihn sein Stammregisseur verlassen hat, macht er kurzerhand die Drehbuch-Autorin zur Regie-Debütantin, und schon diese Details würden genügend Probleme mit sich bringen, doch hinzu kommt neben Brunos allmählichem Kontrollverlust über sein Privatleben etwa ein rückgratloser Hauptdarsteller (Michele “Allein gegen die Mafia” Placido parodisiert sich selbst als der ähnlich benannte Marco Pulici, eine stilistische Annäherung an die Realität, die auch in Jerzy Stuhrs Rolle als “Jerzy Sturovsky” wiederzufinden ist).
Einerseits geht es im Film um die Parallelen von Brunos Filmproblemen zu denen seines Sohnes mit seinem Lego-Spielzeug, andererseits hat Moretti bei dem brisanten Thema natürlich auch eine gewisse Verpflichtung seinem Publikum gegenüber, und so bekommt die Farce gegen Ende tatsächlich noch politische Sprengkraft, die gleichzeitig auch den Film über sich hinauswachsen lässt, und die Parallelen zu Filmen wie Caro diario oder seinem Debüt Io sono un autarchico klar hervorstechen lässt.
Wer sich weder für Berlusconi, B-Pictures, das Filmbusiness generell oder Nanni Moretti interessiert, dürfte mit Il caimano so seine Probleme haben, doch für die Fans des Regisseurs ist der Film ein weiterer kleiner Meilenstein einer mitunter ganz persönlichen Filmographie.