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August 2007
Thomas Vorwerk
für satt.org


Auf Anfang [: reprise] (R: Joachim Trier)
Auf Anfang [: reprise] (R: Joachim Trier)
Auf Anfang [: reprise] (R: Joachim Trier)
Auf Anfang [: reprise] (R: Joachim Trier)
Auf Anfang [: reprise] (R: Joachim Trier)

Auf Anfang [: reprise]
(R: Joachim Trier)

Originaltitel: Reprise, Norwegen / Schweden 2006, Buch: Eskil Vogt, Joachim Trier, Kamera: Jakob Ihre, Schnitt: Olivier Bugge Coutté, Musik: Ola Fløttum, Knut Schreiner, mit Espen Klouman Høiner (Erik), Anders Danielsen Lie (Philip), Viktoria Winge (Kari), Christian Rubeck (Lars), Pål Stokka (Geir), Odd-Magnus Williamson (Morten), Henning Elvestad (Henning), Rebekka Karijord (Johanne), 105 Min., Kinostart: 2. August 2007

So hätte es angefangen: Erik und Philip stehen gemeinsam vor einem Briefkasten, werfen in einem feierlichen Akt ihre zwei Romanmanuskripte ein, und der Film spinnt die Geschichte weiter, wie sie beide berühmt werden und ihre Zukunft erleben. Doch dann dreht der Film die Geschichte wieder zurück, alles geht “auf Anfang”, und diesmal wird nur eines der zwei Manuskripte angenommen, Philip wird zum Star der Literaturszene. Trotz diverser Rückblenden und Einsatz von Schwarz-Weiß bzw. Farbmaterial, um schon zu Beginn die unterschiedlichen Möglichkeiten für den Zuschauer besser unterscheidbar zu machen, ist Reprise, die neue Hoffnung des norwegischen Kinos, ein Film, der vor allem wie ein Buch funktioniert. Die Zeitsprünge, die komplexe Rückblendenstruktur, die nach und nach gelieferten Hintergrundinformationen, all diese Stilelemente kann man mit Leichtigkeit auf einen (oder zwei …) ambitionierte Debütromane umsetzen. Mehr noch, der Film repräsentiert sogar den Prozess des Schreibens. Ideen werden verworfen, nachträglich wird zwischen zunächst allein für sich stehende Szenen eine Verbindung, ein verstärkter Sinn eingebaut.

Und das Thema dieses sozusagen während der eindreiviertel Stunde im Kino entstehenden Buches ist - wenn überrascht es - die Literatur. Das Nacheifern von literarischen Heroen, der Kampf mit den Herausgebern, der Lesungszirkus, die Schreibblockade, die Differenzen zwischen Erinnerung, Autobiographischem und Fiktion. Und natürlich (so man Erfolg hat) die Interviews im Fernsehen, wo wiederum die Medien viel stärker daran interessiert sind, die Anpreisung der Literatur (und das Erreichen von Einschaltquoten) über die Kreation bibliographischer Tragödien zu erreichen.

Das alles hört sich sehr hochtrabend und langweilig an, und auch mein Fazit, der Film würde so wirken, als hätten Tom Tykwer und Jean-Luc Godard heutzutage gemeinsam ihren Debütfilm gedreht, mag nicht jedermann verzücken, aber neben durchaus interessanten postmodernen Konstrukt hinter diesem Film ist auch unübersehbar, mit wie viel jugendlichem Elan Joachim Trier sein Filmdebüt ausstattet. Nicht nur gibt es alle paar Minuten gute Ideen, für die viele Regisseure töten würden, auch gelingt es dem Film, den Geist der Jugend einzufangen. Smells like Teen Spirit, sozusagen. Seien es die Punk-Konzerte, oder eine mitreißend inszenierte Party, die Darstellungen von Freundschaften, Lieben und Cliquen, oder auch mal der melancholische jugendliche Hang zu Suizidgedanken: Trotz der komplexen Struktur wirkt das meiste völlig authentisch, diese Geschichte ist wirklich mit Herzblut geschrieben und inszeniert.

Reprise ist ein Film, der seinen Titel verdient, denn man möchte den Film gleich noch mal von vorne sehen, auf einige Details besser achten, und sich in Interpretationen verlieren. In welchem Verhältnis steht einer der Buchtitel (Nullpunktet oder so ähnlich) zu den Countdown-ähnlichen Elementen im Film? Ist der "Joy Division"-Jogger eine Art “Phantombild” (noch ein Romantitel im Film) von Erik? Geben die Untertitel fehlerfrei wieder, was im Original im Konjunktiv (Anfang und Ende des Films) geschrieben ist?

Reprise erinnert in der Tat an die Anfänge von Tykwer und Godard, als beide noch Spaß beim Drehen hatten, und sich dieser auch auf den Zuschauer übertrug (Reprise ist auch ein sehr witziger Film). Aber beide waren bei ihren ersten Filmen eigentlich schon zu alt, bei Joachim Trier stellt man sich eher ein Regie-Äquivalent von Benjamin Lebert oder Zadie Smith vor. Doch der Film wird nicht nur Zwanzigjährige verzaubern, sondern könnte selbst Marcel Reich-Ranicki zum Grübeln bringen …