Anzeige:
Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




Dezember 2007
Thomas Vorwerk
für satt.org


Tödliche Versprechen - Eastern Promises (R: David Cronenberg)
 Tödliche Versprechen - Eastern Promises (R: David Cronenberg)
 Tödliche Versprechen - Eastern Promises (R: David Cronenberg)
Bilder © TOBIS Film
 Tödliche Versprechen - Eastern Promises (R: David Cronenberg)
 Tödliche Versprechen - Eastern Promises (R: David Cronenberg)
 Tödliche Versprechen - Eastern Promises (R: David Cronenberg)

Tödliche Versprechen
Eastern Promises
(R: David Cronenberg)

Originaltitel: Eastern Promises, USA / Kanada 2007, Buch: Steve Knight, Kamera: Peter Suschitzky, Schnitt: Ronald Sanders, Musik: Howard Shore, Kostüme: Denise Cronenberg, mit Viggo Mortensen (Nikolai), Naomi Watts (Anna), Vincent Cassel (Kirill), Armin Müller-Stahl (Semyon), Sinéad Cusack (Helen), Jerzy Skolomowski (Stepan), Josef Altin (Ekrem), Mina E. Mina (Azim), Aleksander Mikic (Soyka), Sarah Jeanne Labrosse (Tatjana), 100 Min., Kinostart: 27. Dezember 2007

Der neueste Film von David Cronenberg entfernt sich noch weiter von dessen früheren Lieblingsthemen als die Comicverfilmung A History of Violence, ist trotz einiger gewalttätigen Szenen vielleicht näher am Mainstream, als man es je für möglich gehalten hätte, und bietet mit der zweiten Zusammenarbeit des Kanadiers mit Viggo Mortensen gar eine schauspielerische Leistung, die man von "Aragorn" sicher nicht erwartet hätte.

Drehbuchautor Steve(n) Knight, der schon in Stephen Frears' Dirty Pretty Things kriminelle Machenschaften in Londoner Migrantenzirkeln thematisierte (wenn auch damals humorvoller), konzentriert sich diesmal ganz auf die russischstämmige Bevölkerung der britischen Hauptstadt. Die Hebamme Anna entdeckt bei einer verstorbenen 14-jährigen Kindsmutter ein russisches Notizbuch und die Visitenkarte eines transsibirischen Restaurants. Da ihr Onkel Stepan (Jerzy Skolomowski) ihr bei der Übersetzung nicht behilflich sein will, besucht sie zunächst jenes Restaurant, wo ihr der hilfsbereite Inhaber Semyon (Armin Müller-Stahl) Unterstützung anbietet, doch schon schnell erscheint Anna das Entgegenkommen (zurecht) suspekt.

Ebenfalls oft im Restaurant anzutreffen sind Semyons etwas missratener Sohn Kirill (Vincent Cassel) und der furchteinflössende Nikolai (Viggo Mortensen), den wir als Zuschauer beim Entsorgen einer Leiche kennenlernen. Doch in diesem erzählerisch anspruchsvollen Film ist vieles nicht so, wie es zunächst erscheint.

Eastern Promises erzählt gleichzeitig über die rücksichtslosen Machenschaften der Russenmafia wie in einer modernen Version von Coppolas The Godfather, bringt aber über die Hebamme Anna (und das baby der verstorbenen Tatjana) auch ein Element der Hoffnung in diese dunkle Halbwelt. Dies ist eine Stärke des Films, aber auch seine größte Schwäche, denn nachdem wir mehrfach miterlebt haben, wie für nichtige Gründe Menschen auf brutale Art umgebracht werden, ist die Auflösung der Geschichte nicht nur zu glimpflich, die Art und Weise, wie Naomi Watts zunächst als taffe Motorrad-Braut eingeführt führt, nur um dann zum Schluss den übelsten Klischees einer naturverbundenen russisch-traditionellen Weiblichkeit zu entsprechen, das ist ein Fußtritt in den Unterleib des Feminismus.

Nun hat sich David Cronenberg in seiner Karriere nur selten um den weiblichen Standpunkt geschert, und innerhalb seines Werkes nimmt Eastern Promises nach einigen schwächeren Filmen durchaus einen neuen Höhepunkt ein, doch die Begeisterung, die der Film etwa bei US-amerikanischen Kritikern ausgelöst hat (und ähnliches war auch schon bei A History of Violence zu sehen), ist mir schlicht unverständlich. Eastern Promises ist ein gut gemachter, harter Mafia-Thriller mit ein paar Denkanstößen und erzählerischen Volten. Nicht weniger, aber auch nicht viel mehr.

Interessante Themen wie eine unterschwellige Männerliebe zwischen Kirill und Nikolai oder die großväterlichen Gefühle Semyons werden nur angedeutet, die Love Story zwischen Nikolai und Anna entspricht gängigen Hollywood-Klischees, und die Besetzung ist gerade im Vergleich zum mutigen Dirty Pretty Things eher peinlich, denn abgesehen vom Polen Skolimowski ist der in Ostpreussen (Tilsit liegt heutzutage in Russland) geborene Armin Müller-Stahl noch am ehesten ein überzeugender Osteuropäer, wieso ausgerechnet Vincent Cassel trotz gut antrainiertem Akzent hier den Russen geben muss, wird mir ewig ein Rätsel bleiben...