Das Waisenhaus
(R: J. A. Bayona)
Originaltitel: El orfanato, Mexiko / Spanien 2007, Buch: Sergio G. Sánchez, Kamera: scar Faura, Schnitt: Elena Ruiz, Musik: Fernando Velázquez, mit Belén Rueda (Laura), Fernando Cayo (Carlos), Roger Príncep (Simón), Mabel Rivera (Pilar), Montserrat Carulla (Benigna), Andrés Gertrúdix (Enrique), Edgar Vivar (Balaban), scar Casas (Tomás), Mireia Renau (Laura als Mädchen), Georgina Avellaneda (Rita), Carla Gordillo Alicia (Martín), Alejandro Campos (Víctor), Carmen López (Alicia), Óscar Lara (Guillermo), Geraldine Chaplin (Aurora), 100 Min., Kinostart: 14. Februar 2008
Produziert von Guillermo del Toro, erinnert El orfanato zunächst an El laberinto del fauno, was das Setting und die Atmosphäre angeht. Doch Juan Antonio Bayona ist (und das mag manchen dankbar stimmen) weniger an Kreaturen und Spezialeffekten interessiert als sein Mentor, und so spielen sich die Schockmomente und die gesamte Handlung auf einem ungleich subtileren Niveau ab, das eher Vergleiche mit Alejandro Amenabars The Others aufdrängt. Leider wird in solchen Filmen heutzutage zuviel Wert auf erzählerische Kniffe gelegt, jeder Zuschauer überlegt von der ersten Szene an, was wir mit wessen Augen sehen, was vielleicht nur eine Vision ist, was womöglich innerhalb des Kontext und dem supernatürlichem Genre wahr. Und auch das Abrufen von Schockmomenten hat bei mir schon mal viel besser funktioniert, das Genre der Geisterhaus-Filme ist momentan einfach so betagt wie die Gemäuer, in denen sich die Gespenster oder Geheimnisse verbergen. Schade, denn El orfanato ist einer der Filme, der trotz der ganzen Genrekonventionen seine Geschichte, seine Protagonisten, und sogar sein Publikum ernst nimmt. So klischeehaft, wie einem manches vorkommt (die in einem Waisenhaus großgewordene Laura will selbiges wieder auf Vordermann bringen, und zieht dort mit ihrem Gatten und dem Adoptivsohn - der HIV-positiv ist, es aber noch nicht weiß - dort ein), so sehr stellt der Regisseur alles in den Dienst der Geschichte, sei es die Höhle, die bei Flut zu einer Todesfalle werden kann, die unheimliche Frauenfigur, die simplen, aber erschreckenden Masken, mit denen sich die Waisenkinder verkleiden, die paranormalen Ermittler und ihre visuelle Aufnahmetechnologie oder die bis über den Rand der Obsession hinausgehende Sorge der Mutter um ihr Kind, das in den imaginären Spielkameraden offenbar die Geister der früheren Waisenkinder gefunden hat, die ihm nun gefährlich werden können.
Ähnlich wie bei The Others ist die Figur der Mutter der Dreh- und Angelpunkt des Films, nur dass es diesmal auch noch einen Gatten gibt, der einige Monate nach dem Verschwinden des Adoptivsohns nun dem obsessiven Wunsch der Mutter nach Wiedervereinigung oder zumindest Auflösung des Geheimnisses nur noch im Weg steht, und der Zuschauer steht vor der schwierigen Entscheidung, welche Seite er ergreifen soll. Denn auch, wenn das Genre gewisse Erwartungen schürt, ist der Ehestreit zwischen rationalem Denken und unkaputtbarer Hoffnung manchmal nervenaufreibender als der Auftritt irgendwelcher unheimlicher Wesen. El orfanato lässt weder die psychologische noch die übernatürliche Seite der Geschichte einfach hinter sich, und gerade durch die vollends stimmige Auflösung und das befriedigende Ende zeichnet sich der Film aus - auch über das knapp abgesteckte Genre hinaus.