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Mai 2008
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels (R: Steven Spielberg)

Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels
(R: Steven Spielberg)

Originaltitel: Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull, USA 2008, Buch: David Koepp, Story: George Lucas, Jeff Nathanson, Kamera: Janusz Kaminski, Schnitt: Michael Kahn, Musik: John Williams, mit Harrison Ford (Dr. Henry “Indiana” Jones, jr.), Shia LaBeouf (Mutt Williams), Cate Blanchett (Irina Spalko), Karen Allen (Marion Ravenwood), Ray Winstone (George “Mac” McHale), Igor Jijikine (Oberst Dovchenko), John Hurt (Professor Oxley), Jim Broadbent (Dekan Charles Stanford), Alan Dale (General Ross), Joel Stoffer (Taylor), Neil Flynn (Smith), Sasha Spielberg (Slugger), 124 Min., Kinostart: 22. Mai 2008

Der von einigen heißerwartete und von anderen schon im Vorfeld aufgrund des 65jährigen Hauptdarstellers belächelte vierte Indiana Jones-Film beginnt mit einem seiner besten Gags, der als Ehrerweisung an die Vergangenheit verstanden werden muss, und endet mit einem Scherz, den man als Mahnung an die Zukunft verstehen kann. In Bezug auf den zweiten Scherz muss hier eine mittelschwere Spoilerwarnung ausgesprochen werden, doch jeder, der sich schon im Vorfeld ein wenig mit dem Film befasst hat, wird durch meine Offenbahrung kaum überrascht werden. Abgesehen von diesem Spoiler wird sich ein Großteil dieses Textes hingegen erst völlig erschließen, wenn man den Film gesehen hat. Also: jetzt entscheiden, ob man weiterlesen will oder erst ins Kino geht. Was das größere Risiko ist, wird sich schon erweisen...

Nach den Logos von Lucasfilm Ltd. und Dreamworks sieht man das altbekannte Paramount-Signet mit dem Berg, und diesmal wird daraus ein wie ein Ameisenhaufen aussehenden Erdloch eines kleinen Präriehundes, dessen Artgenossen in den ersten zwanzig Minuten des Films noch zwei nette Auftritte haben. Hier wird eine der besten Ideen der früheren Filme mit einem Augenzwinkern weitergeführt, das sich dann durch das (leider schon sehr CGI-mässige) Überfahren des Loches von einigen typischen 1950er Halbstarken, dem Hintergrund-Song Hound Dog (man beachte den Bezug zum Präriehund) und der Reklame eines “Atomic Café” weitergeführt wird. Wie es dann mit dem Augenzwinkern weitergeht, werde ich nach meiner Interpretation der Schlussszene ausführen.

In einer der letzten Einstellungen des Films sieht man Harrison Ford, der schon in früheren Filmen der Serie immer damit beschäftigt war, nicht nur seines und die Leben seiner Begleiter, sondern auch seinen Filzhut zu retten, ausnahmsweise mal ohne Kopfbedeckung. Doch der Filzhut spielt sich wie von Gotteshand bewegt in den Mittelpunkt der Szene, und Shia LaBeouf als “Mutt” Williams, der sich im Verlauf des Films als weiterer Henry jr., also dem Sohn von Indy, erwies, greift für einen Moment nach dem Hut, wie nach einer Reliquie, einem Erbe, das er sich imstande fühlt, anzutreten. Doch der Besitzer des Hutes ist eine Spur schneller, und der immercoole “Mutt” (trotz anderslautender Erklärung der deutschen Synchronfassung übrigens auch so was wie ein “kleiner Köter”) kaschiert seine Enttäuschung durch das auch bereits als running gag etablierte Fahren seines Kammes durch die Schmalzlocke. Sollte es je dazu kommen (und ich hoffe inständig, dass nicht!), könnte diese Geste sich in einer Fortführung der Serie so in Teil 14, wenn der momentan von Dreamworks (hoffentlich vergeblich) zum Superstar hochgezüchtete LaBeouf auch schon Geheimratsecken oder graue Haare hat und gerade gegen die Schergen von Saddam Hussein antritt, zu einem ganz netten Scherz verarbeiten lassen, wenn der Kamm dann ins Leere greift oder zumindest nur noch eine illusorische Funktion erfüllt.

Spielberg, Lucas und Konsorten sind zwar geldgeil, aber dazu wird es wahrscheinlich nicht kommen. Schon allein deshalb, weil verglichen mit der Figur “Mutt”, einem Schulabbrecher, der dennoch Spanisch spricht (wahrscheinlich, weil seine Mutter immer wieder mit Archäologen zusammen war) und auf Schwertkampf-Turnieren auftritt, einer Schablonenfigur mit seltsamen Widersprüchen, verglichen mit diesem nervenden Hänfling wirkt Indiana Jones, eigentlich auch nur ein Abziehbild eines Abenteuerhelden, wie eine geradezu greifbare Figur mit Haken und Ösen, Kanten und Ecken. Und auch, wenn die darstellerischen Talente der zwei Schauspieler sich gar nicht mal soweit voneinander unterscheiden, so hatte Ford schon in American Graffiti ein undefinierbares Quentchen Charisma, während LaBeouf mit seiner Lederjacke einfach wie eine deplazierte Witzfigur wirkt (“Du musst mir nicht dauernd beweisen, was für’n harter Typ du bist”).

Kommen wir nach dieser etwas aus dem Ruder gelaufenen Einführung zurück zum Filmbeginn. 1957 ist die Zeit des Kalten Krieges, die McCarthy-Ära, und obwohl Spielberg diese Zeit selbst erlebte und auch schon bei seinem Ziehsohn Zemeckis in Back to the Future gekonnt wiederauferstehen ließ, wirkt zwar die Szene im Diner ganz überzeugend (inklusive der unhygienischen Zweckentfremdung eines Softdrinks), doch sowohl die Anwandlungen an die Kommunistenhatz unter Senator McCarthy wirken hier seltsam kraftlos, als auch einer der wohl größten “Gags” des Films nicht nur langatmig noch für den letzten Begriffsstutzigen vorbereitet wird, sondern in seiner übertriebenen Inszenierung (insbesondere mit dem später aufgegriffenen Leinwand-Tableau von Indiana Jones vor einer riesengroßen, kaum begreifbaren “Naturgewalt”) einfach nicht mehr als tongue-in-cheek oder Camp durchgeht, sondern einfach ärgerlich wird, eine Art Bubblegum-Version von Caspar David Friedrich. Insbesondere, wenn man bedenkt, dass die hier auf spätem Roger-Moore-James-Bond-Niveau belächelte Gefahr, die man in Nullkommanichts herunterschrubben kann, auch heute noch wie ein Damoklesschwert über der Menschheit hängt.

Der “Indiana Jones für eine neue Generation” scheitert an eben dieser Generation, denn der Film erinnert nach der guten ersten halben Stunde einfach eher an die filmischen Schatzsucher des letzten Jahrzehnts, an Nicholas Cage und Angelina Jolie, und alle inszenatorischen Schwächen, die damit einhergehen. Während Spielberg zu Beginn an die glorreichen Anfänge seiner Karriere verweist, an die damals innovativen Einstellungen von Radkappen und Rückspiegeln in Duel, an seinen jugendlichen Elan, sogar an E.T., so zerfällt der Film im weiteren Verlauf in immer klinischer und CGI-unterstützter wirkende Action-Teile und langatmige “Laber-Teile”, in denen unter anderem mal wieder das Spielberg-Ideal der Familie bis zum Erbrechen rekonstruiert wird. Ich habe die alten Filme der Serie nicht mehr gesehen, seit River Phoenix uns auf der Leinwand erklärte, wie man sich eine markante Narbe holen kann, aber ich bilde mir ein, dass die Schurken früher irgendwie bedrohlicher waren. Der archetypische Brutalo-Russe Dovchenko (Igor Jijikine) wird stark eingeführt, hat aber im weiteren Verlauf des Films nichts anderes zu tun, als sich immer wieder mit dem unkaputtbaren Harrison Ford zu boxen, und dies ohne wirklichen Sieger oder auch nur irgendwelche Konsequenzen (abgesehen von der unvermeidbaren Konsequenz für den Bösewicht gegen Ende des Films). Ray Winstone als Indys langjähriger Freund “Mac”, der ihn für Geld hintergeht, dann aber doch nur ein Doppel-Agent des CIA war undsoweiter, ist immerhin ein gutes Opfer für einen (auch schnell erlahmenden) anderen Box-Gag, aber genau wie die als parapsychologische Mata Hari auftrumpfende Cate Blanchett (oder der ähnlich inkonsequent wie die magnetischen Effekte zwischen Genie und Wahnsinn hin- und herspringende John Hurt) sind dies einfach nur verschenkte Gastauftritte, die gerade “für eine neue Generation”, die noch nie von den alten Serials gehört hat, ohne den geringsten Biss bleiben dürften.

Im Grunde genommen ist der Film wie eine seiner unrealistischsten Szenen (mit Shia LaBeouf im Mittelpunkt): ein Spagat zwischen der Vergangenheit und der Zukunft, der voll auf die Eier geht. Wer darüber lachen kann, wird sich sogar amüsieren.


Nachtrag: Leider wurde der Film der Presse, wie es momentan ärgerlicherweise immer häufiger passiert, in der deutschen Synchronfassung vorgeführt, und so kam man in den Genuss seltsamer, oft gestelzter Dialoge wie:

  • “Nein, nein, der Kopf vom lieben Gott sieht anders aus...”
  • “Ich bin Mutt.” -- “So wie Schachmatt?” -- “Ja, nur ohne Schach.”

und mein persönlicher Favorit:

  • “Es gibt hier keinen Baumarkt.”

(1957 kannte man sicher noch nicht mal das Wort “Baumarkt”, im Original war es wahrscheinlich ein hardware store)