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8. Oktober 2008
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Eagle Eye (R: D. J. Caruso)
Eagle Eye (R: D. J. Caruso)
Eagle Eye (R: D. J. Caruso)
Fotos © Paramount Pictures International
Eagle Eye (R: D. J. Caruso)
Eagle Eye (R: D. J. Caruso)
Eagle Eye (R: D. J. Caruso)

Eagle Eye
(R: D. J. Caruso)

USA 2008, Buch: John Glenn, Travis Wright, Kamera: Dariusz Wolski, Schnitt: Jim Page, Musik: Brian Tyler, mit Shia LeBeouf (Jerry Shaw / Ethan Shaw), Michelle Monaghan (Rachel Holloman), Billy Bob Thornton (Agent Thomas Morgan), Rosario Dawson (Zoe Perez), Michael Chiklis (Defense Secretary Callister), Anthony Mackie (Major William Bowman), William Sadler (William Shaw), Anthony Azizi (Ranim Khalid), Cameron Boyce (Sam Holloman), Lynn Cohen (Mrs. Wierzbowski), Madison Mason (The President), Michael Kostroff (Jeweler), Eiko Nijo (Masako Tour Guide), 117 Min., Kinostart: 9. Oktober 2008

Aus unerfindlichen Gründen will man bei dem Filmverleih, der früher in Deutschland UIP hieß, und der nun in Universal, Paramount und was nicht alles aufgesplittet ist, Shia LeBeouf als Filmstar etablieren. Schon bei der Pressevorführung zu Disturbia gab es im Vorfeld 34 Minuten oder so von Transformers, weshalb ich diesen Film auch nie ganz sah. Und bei der Vorführung eines anderen Films gab es dann die ersten 39 oder 40 Minuten von Eagle Eye, und auch dies war eigentlich Grund genug, sich den kompletten Film zu schenken, doch weil die eigentliche Pressevorführung dann ganz angenehm in ein ansonsten unausgefülltes Zeitfenster fiel, gab ich dem Film noch eine Chance, und inwiefern ich dies nicht bereut habe, werde ich im weiteren schildern.

Es geht los mit einer Überwachung durch den amerikanischen Geheimdienst. Irgendwo im Feindesland der Turban- und Bartträger ist eine Wagenkolonne unterwegs, und ein mit Armwurf aus dem Bergversteck geworfenes kleines Segelflugzeug (konnte keine weiteren Antriebsmechanismen erkennen) mit Kamerasystem und Raketensteuerung verfolgt die nicht eben langsam fahrenden Autos für ca. zwei Minuten (wer die Glaubwürdigkeit schon in den ersten Filmminuten so strapaziert, hat ein Problem). Hierbei wird mit technologischem Schnickschnack versucht, herauszubekommen, ob einer der Passagiere der momentane Ober-Muffti ist, der Großneffe Osama Bin Ladens oder zumindest ein übler Terrorist. Eine 51prozentige Identitätsübereinstimmung kann festgestellt werden, doch da die erwarteten Kollateralschäden bei der Beerdigung, die der Terrorist oder ein ihm ähnlich sehender Mann besucht, recht hoch sein dürften, empfiehlt das Militär dem per Telefon mitgeschalteten Präsidenten, nicht einzugreifen. Doch Mr. President, ganz besorgt um das Wohl seines Volkes, geht lieber auf Nummer Sicher und lässt aus der Beerdigung ein Massengrab machen.

Vorspann, neuer Beginn. Jerry Shaw (Shia LeBeouf) arbeitet im Kopierladen und behumpst seine Kollegen beim Pokern (kein wirkliches Schummeln, aber unsympathisches Austricksen). Die Miete kann er nicht zahlen und er erfährt vom Tod seines Zwillingsbruders (um Herrn LeBeoufs schauspielerisches Talent nicht übermäßig zu strapazieren, telefoniert er mit seiner Mutter im Gegenlicht und bricht dabei zusammen). Bei der Beerdigung sieht er zum ersten Mal seit Jahren (u. a. trieb er sich in Asien herum) seinen Vater (William Sadler) wieder, der ihm Geld zustecken will, was Jerry nicht möchte. Soweit ich das richtig verstanden habe, findet er aber dann in seiner Jackentasche dennoch einen Scheck vom Vater, den er dann an einem Bankautomaten einlösen will [Inzwischen habe ich erfahren, dass sowas im Land der ungeahnten Möglichkeiten möglich ist]. Jedenfalls hat er plötzlich 751.000 $ auf dem Konto, die, so macht es den Anschein, der Automat auch sofort komplett auszahlen will (wie man später erfährt, steht der Automat womöglich unter schlechtem Einfluss). Zurück vor seiner Wohnung bezahlt er der Vermieterin (an der er wie Peter Parker immer vorbeischleichen will) schon die nächsten zwei Mieten, findet aber dafür in seiner Wohnung unzähliges Zeugs, das laut Vermieterin in den letzten Tagen von UPS oder ähnlichem angeliefert wurde. Hierbei ist es sehr seltsam, dass die Vermieterin nicht längst die Polizei eingeschaltet hat, denn einige der Pakete tragen auffällige Aufschriften wie “Ammoniumnitrat” (also jetzt auf Englisch, bin aber zu faul, das zurückzuübersetzen) oder “Poison”. Dann klingelt sein Telefon, und eine Frauenstimme erzählt ihm, dass in soundsoviel Sekunden das FBI seine Wohnung stürmen wird, was er nicht glaubt oder ihn auch nicht schert, weil er ja unschuldig ist.

Zwischendurch wird dann in einer parallel geschalteten Szene Rachel Holloman (Michelle Monaghan) als vom Kindsvater getrennter Mutter etabliert, die den Sohn, einen laufenden Meter, der aber Trompete spielen kann, zum Bahnhof bringt, denn er soll zusammen mit einem Schulorchester vorm Präsidenten und anderen wichtigen Politikern aufspielen.

Zurück zu Jerry im Vernehmungszimmer des FBI. “Agent Morgan” (Billy Bob Thornton) klärt ihn über seine fehlenden Rechte im gegenwärtigen Amerika auf (“This is a bad time to be in the terrorism business.” => lieber foltern als potentielle Terroristen freilassen). Überraschend bekommt Jerry seinen einen Anruf zugebilligt, doch wird er wieder von der seltsamen Frau angerufen, die seine Flucht geplant hat, wofür er einem das FBI-Zimmer verschrottenden Kranarm ausweichen muss und dann aus dem Hochhaus springen muss, wenn er nicht vom FBI erschossen werden will.

Mutter Rachel hat inzwischen auch einen Anruf bekommen, durfte auf den Außenbildschirmen eines McDonald’s-Restaurants ihren Sohn sehen, dessen Zug entgleisen wird, wenn sie nicht macht, was die Telefonstimme (dieselbe Frau) anordnet. Dann steigt Jerry in dasselbe Auto, in dem schon Rachel sitzt, sie blaffen sich erstmal gegenseitig an, bevor sie dann flüchten. Die Ampeln sind ganz für sie geschaltet, auf einem Schrottplatz helfen ihnen diverse Kräne (die Telefonstimme: “We’ll eliminate all obstacles for you”), und schließlich müssen sie erneut wo runterspringen, damit dem FBI vorgegaukelt werden kann, dass sie ertrunken sind. Die erste Vorführung endete hier, vom Rest der Geschichte will ich auch nicht allzuviel erzählen.

Wo schon diese Prämisse wie eine Mixtur aus Hitchcocks The Thirty-Nine Steps und David Finchers The Game wirkt (letzteres vor allem, weil die ganze Story so bescheuert und unglaubwürdig ist), setzt der weitere Verlauf des Films dem Ganzen noch einen drauf, denn der sich bereits bei Disturbia als flinker Leichenfledderer erwiesene Regisseur Caruso klaut auch noch bei Hitchcocks Sabotage und The Man who knew too much, die er sogar miteinander kombiniert, denn (Vorsicht, Spoiler!) in der Trompete des Knaben ist sowas ähnliches wie eine Bombe eingebaut. Doch noch schlimmer ist der eigentliche Hauptkniff des Films, denn beim Showdown muss eine Person namens Bowman (kein Scherz!), also ganz wie bei Kubricks 2001 der “Bogenschütze” (Übersetzung von “Bowman”), der in der Odysee Odysseus heißt, einen Zyklopen wie einst den HAL 2000 blenden, doch diesmal - verunglückter Feminismus - bedarf es dazu auch noch weiblicher Schützenhilfe in Form von Rosario Dawson. Es kann kein Zufall sein, dass diese Figur Bowman heißt, doch die vermeintliche Ehrerweisung an (neben Hitchcock) Kubrick (man bedenke, dass Steven Spielberg die Idee für diesen Film hatte und auch co-produzierte) wirkt hier nur wie ein schlechter Witz, als hätte Michael Bay ein Remake von Panzerkreuzer Potemkin gedreht oder Tony Scott eines von Das Schweigen. Noch schlimmer als bei diesen beiden Herren ist vieles holprig oder schlampig inszeniert, selbst der Impetus der Action-Sequenzen wird durch fragmentarische Montage verschenkt, und man dreht die Schraube zur Lächerlichkeit immer zwei Drehungen weiter, als es erträglich wäre. Wer erinnert sich nicht an die Szene, wo HAL die Lippenbewegungen “liest”? Hier spürt man die Präsenz von Spielberg, denn ausgerechnet über die Schwingungen in einer Kaffeetasse (vgl. Jurassic Park) wird hier ein Gespräch “mitverfolgt”. Autsch! Nichts ist zu blöd, dass man es nicht in diesen Film einbauen würde, und gerade gegen Ende des Films gibt es dann zutiefst ärgerliche Patrioten-Märtyrer-Tode, ein haarscharf am Brechreiz vorbeischrappendes Happy End und einige müde Ideen, mit den man ein längst eingeschläfertes Publikum noch überraschen will. Man soll Mr. Caruso zusammen mit Mr. LaBeouf die noch verbleibenden ca. 48 Hitchcock-Filme “neuverfilmen” (ein viel zu nettes Wort) lassen, nur dabei nicht von mir erwarten, dass ich mir die Ergebnisse dann anschaue.