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29. Oktober 2008
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Willkommen bei den Sch’tis (R: Dany Boon)
Willkommen bei den Sch’tis (R: Dany Boon)
Willkommen bei den Sch’tis (R: Dany Boon)
Bilder © 2008 PROKINO Filmverleih GmbH
Willkommen bei den Sch’tis (R: Dany Boon)
Willkommen bei den Sch’tis (R: Dany Boon)
Willkommen bei den Sch’tis (R: Dany Boon)

Willkommen
bei den Sch’tis
(R: Dany Boon)

Originaltitel: Bienvenue chez les Ch’tis, Frankreich 2008, Buch: Dany Boon, Alexandre Charlot, Franck Magnier, Kamera: Pierre Aim, Schnitt: Luc Barnier, Julie Delord, Musik: Philippe Rombi, mit Kad Merad (Philippe Abrams), Dany Boon (Antoine Bailleul), Zoé Félix (Julie Abrams), Anne Marivin (Annabelle Deconninck), Philippe Duquesne (Fabrice Canoli), Guy Lecluyse (Yann Vandernoout), Patrick Bosso (Polizist), Zinedine Soualem (Momo), Line Renaud (Antoines Mutter), Michel Galabru (Julies Großonkel), Stéphane Freiss (Jean), Jerome Commandeur (Inspektor Lebic), 106 Minuten, Kinostart: 30. Oktober 2008

In Asterix und der Avernerschild (Band XI) sind Asterix und Obelix auf der Suche nach einem Schild, der zu jenen Waffen gehörte, die der Avernerhäuptling Vercingetorix nach der Niederlage bei Alesia Julius Caesar zu Füßen warf. Dabei kommen sie nach Aquae Calidae, dem heutigen Vichy, wo man sich (wie in ganz Gallien) an den Ort der Niederlage nicht zu erinnern vorgibt, wo dieser aber als “Aleschia” ausgesprochen wird. Zur Demonstration des dort üblichen Dialekts hier ein kleiner (ins Deutsche übersetzter) Dialog mit der Frau des dort ansässigen Alcoholix, die einen vorzüglichen Eintopf kocht:

Obelix: “Das ist aber gut. Was ist denn da drin?”
Frau von Alcoholix: “Alsch erschtesch braucht man daschu viel Fleisch ...”
Obelix: “Fleiß?”
Asterix: “Fleisch!”
Frau von Alcoholix: “Genau! Fleisch! Und Fleisch natürlich auch!
Denn ohne Fleisch kein Preisch!”

Aus der Region Nord-Pas-de-Calais im Norden Frankreich stammt auch Dany Boon. In Joyeux Noel (mit Daniel Brühl) spielte er die kleine Rolle des Gehilfen eines Leutnants im Ersten Weltkrieg, der den dortigen Dialekt namens Ch’ti spricht. Und in seiner zweiten, in Frankreich unvorstellbar erfolgreichen Regiearbeit hat er der Region ein kleines Denkmal geschaffen, für das man in der deutschen Synchronisation eine Entsprechung des Dialekts erfand, die über die Asterix-Version noch hinausgeht.

Der Postbeamte Philippe (Kad Merad, synchronisiert von Christoph Maria Herbst) versucht sich durch unfeine Machenschaften (Vortäuschung einer Behinderung), eine Versetzung an einen begehrten Küstenort im Süden zu erschwindeln, doch sein Plan fliegt auf und er wird strafversetzt in den Norden Frankreichs, eine Region, in der früher Kohlebergbau betrieben wurde (auch schon zu Asterix’ Zeiten ...), und die nun die höchste Arbeitslosigkeit im Land aufweist. Für seine Frau Julie (Zoé Félix), die von dort nur Gerüchte und Ammenmärchen kennt, kommt dies einer Nordpolexpedition gleich, und der kleine Sohn rechnet fest damit, dass dem Vater dort die Zehen abfrieren werden, doch nach einer schwierigen Anfangsphase stellt sich heraus, dass es in Bergues, wo Philippe nun Chef des örtlichen Postamts ist, nicht nur angenehm warm ist, sondern man sich an den dortigen Lebensstil (mit viel Alkohol und vermeintlich ungesundem Essen - Frittenhütten und Schimmelkäse) sehr schnell gewöhnen kann. Hinzu kommt noch das Detail, dass die sehr ins Straucheln geratene Ehe durch die Wochenend-Beziehung und den von Philippe etwas überzogenen Märtyrer-Status (immerhin riskiert er, im Feindesland seine Zehen zu verlieren, um seine Familie zu ernähren) plötzlich wieder sehr harmonisch wird.

Der Film und seine Komik sind nicht besonders subtil, aber die Herzlichkeit seiner Figuren lässt einen sogar die zunächst völlig bescheuert vorkommende Kunstsprache (ich rede hier von der deutschen Synchro) schnell ans Herz wachsen. Der Neuzugang Philippe, den man liebevoll “Schtipfel” (= “kleiner Swansch”)* nennt, gibt sich redlich Mühe, sich anzupassen, schließlich kümmert er sich sogar um die Liebesprobleme seines Untergebenen mit Alkoholproblem (Regisseur Dany Boon in der zweiten Hauptrolle), und es könnte alles prächtig sein, wenn Gattin Julie sich nicht dazu entschließen würde, sich ebenfalls aufzuopfern und ihrem Gatten nachzureisen, weshalb man sich genötigt sieht (“Meine Frau liebt mich, da werde ich nicht alles versauen und ihr die Wahrheit sagen!”), ihr ein Bergues vorzuspielen, das den Vorurteilen entspricht, “aber schisser!”*

Als Schlussfazit könnte ein Filmzitat herhalten, das Philippe veräußert, als er erstmals die verschlafene, winzige Schalterhalle betritt und seinen Blick schweifen lässt: “Ganz grosses Kino” (ist nur ein Szertsch, HÄH!?)*


*Nach Beschuch desch Filmsch werden diesche scheltsamen Kommentare alle Schinn machen, HÄH!?

Wer sich partout dem mitreißenden Humor des Films verschließt, wird sich auch angesichts der aufdringlichen Gute-Laune-Musik und dem seltsamen Casting, das eher hässliche Männer mit durchweg 15 Jahre jüngeren, höchst attraktiven Frauen verkuppelt, echauffieren können, aber wer seine Ansprüche wie ein strafversetzter Postbeamter für einen überschaubaren Zeitraum (als Zuschauer nur Stunden, nicht Jahre) herunterschrauben kann, bekommt die Chance, im Kino so laut zu lachen wie schon lange nicht mehr.