The Fall
(R: Tarsem [Singh])
Indien / UK / USA 2006, Buch: Dan Gilroy, Nico Soultanakis, Tarsem [Singh], Vorlage: Valery Petrov (Drehbuch zu Yo Ho Ho von 1981), Kamera: Colin Watkinson, Schnitt: Robert Duffy, Musik: Krishna Levy, mit Catinca Untaru (Alexandria), Lee Pace (Roy Walker / Blue Bandit), Justine Waddell (Nurse Evelyn / Sister Evelyn), Kim Uylenbroek (Doctor / Alexander the Great), Aiden Lithgow (Alexander's Messenger), Sean Gilder (Walt Purdy), Ronald France (Otto), Andrew Roussouw (Mr. Sabatini), Michael Huff (Dr. Whitaker), Grant Swanby (Father Augustine), Emil Hostina (Alexandria's Father / Bandit), Robin Smith (Luigi / One Legged Actor), Jeetu Verma (Indian / Orange Picker), Leo Bill (Darwin / Orderly), Marcus Wesley (Otta Benga / Ice Delivery Man), 117 Min., Kinostart: 12. März 2009
Tarsem Singhs Regiedebüt The Cell (mit Jennifer Lopez) erfüllte mich nicht eben mit Ehrfurcht, und erst im Nachhinein, über seinen zweiten Film, der bereits vor einigen Jahren als Kinderfilm deklariert auf der Berlinale lief, und nun endlich einen regulären Kinostart bekam, mag man erkennen, dass auch The Cell bereits vor allem eine visuelle Phantasie war. Wer es, wie ich, als Psycho-Thriller mit Starbesetzung konsumierte, musste enttäuscht sein, denn auf dieser Linie hat der Film gänzlich versagt. Auch bei The Fall bietet es sich an, die Story eher als spielerische Grenzziehung zu sehen, und sich ganz auf die Beziehung zwischen dem Geschichtenerzähler innerhalb des Films, eines Stuntman namens Roy, und einem kleinen Mädchen, das im selben Spital auf seine Heilung hofft, zu konzentrieren.
Wie der Titel The Fall bereits impliziert, haben beide Beinbrüche erlitten, der von Roy wird uns gleich zu beginn des Films mit Schwarzweiß-Bildern nahegebracht, und hier kann man besonders deutlich erkennen, dass der Film im Jahre 1915 in Los Angeles spielt (inwiefern es zu dieser Zeit bereits das Berufsbild des Stuntman gab, sei mal dahingestellt). Und auch, wenn die späteren Bilder des Films in Sachen Farbe und Ton recht schwelgerisch sind, bleibt The Fall bei einer Stummfilm-Theatralik, irgendwo zwischen Rudolpho Valentino und den frühen Spezialeffektorgien eines Fritz Lang. Jeder altbackene Kinogänger, der sich an einer Wüstenkarawane oder einem mit Bedacht gefilmten Sonnenuntergang in Lawrence of Arabia weitaus mehr ergötzen kann als an der neuesten CGI-Effekt-Spektakel oder farbbearbeiteten Green-Screen-Bildkompositionen eines Spielbergs oder Bruckheimer, wird zu schätzen wissen, dass Regisseur Tarsem Singh (nennt sich neuerdings nur noch Tarsem, auch wenn die wenigen Regisseure, die für ihren Namen nur ein Wort benötigen - mir fallen McG, Pitof und Madonna ein - nicht unbedingt die beste Gesellschaft scheint) für seinen Film über vier Jahre durch 18 Länder getingelt sein soll, und den Computer dabei zuhause gelassen hat.
Die Geschichte des womöglich berufsunfähigen Stuntman (Lee Pace, bekannt geworden durch die inzwischen auch schon wieder abgesetzte Fernsehserie Pushing Daisies), der auch noch von seiner Geliebten verlassen wurde, und der deshalb mit seinen Geschichten die kleine Alexandria dazu verleiten will, ihm Morphium zu besorgen, um sein Leiden zu beenden, wirkt wie eine “erwachsenere” Version des Weihnachts-Disney-Spektakels Bedtime Stories. Nicht nur wirken die Geschichten nicht so infantil, auch vollzieht sich das Wunder nicht plötzlich in der Realität, sondern die dunkle Aussicht auf den Freitod färbt die Geschichten, in denen man - ähnlich wie in den Bedtime Stories - einiges an Figuren aus dem Umfeld des Erzählers (und der Zuhörerin) wiedererkennen kann. Wie man abgesehen vom Alter der Protagonisten darauf kommen könnte, dies sei ein Kinderfilm, ist mir schleierhaft, aber vielleicht liegt es daran, dass The Fall ein erwachsenes Publikum zwar mit seiner Bildgewalt in den Bann ziehen kann, die Erzählstruktur à la Scheherazade gegen Ende des Films in ihrem beliebig wirkenden Fatalismus aber auch nicht unbedingt bei der Stange hält.
Man wünscht sich, dass Tarsem bei seinem nächsten Film eine wirklich interessante Geschichte zu erzählen hat. Wenn er dafür dann nur ein Zehntel an Ländern bereisen muss, die Hälfte an farbigen Textilien verbraucht, ein kleinerer Prozentsatz seines Geschichtenpersonals ins Gras beißen muss und der Film keine zwei Stunden benötigt, sondern vielleicht nur 90 Minuten, könnte weniger durchaus mehr sein.