One Way Boogie
Woogie / 27 Years Later
(R: James Benning)
USA 1977/2005, 121 Min., Kinostart: 13. August 2009
Wo Tarantino und Rodriguez versagt haben, da jubiliert James Benning, der Großmeister der langen Einstellungen. Sein mit ein wenig Verspätung nun auch außerhalb von Festivals in Deutschland zu sehender Film ist eigentlich ein Double Feature, denn an den einstündigen One Way Boogie Woogie von 1977 hat Benning eine Art Doku-Remake hinten dran gehängt. Er ging an die Locations in Milwaukie, an denen er damals seinen bis dato längsten Film gedreht hatte, und stellte diese Einstellungen nach - mit dem Originalton, teilweise Originalstatisten, aber eben auch vielen kleinen Veränderungen, Spielereien und Überraschungen. Benning, bekannt für sich quasi über den Titel bereits erklärende spartanische Werke wie Ten Skies oder 13 Lakes, zeigt sich hier von einer fast humoristischen Seite. Der coole Typ, der sich 1977 (in der vierten Einstellung) an die Hauswand lümmelte, hat jetzt eine Glatze, und auch die Frau, die eine Fabrik verlässt (und 1977 noch wie eine Ausbrecherin aus einem Michael-Snow-Film aussah), ist sichtlich gealtert - während der Gabelstapler offensichtlich in der Zwischenzeit nicht erneuert wurde. Eine US-Flagge ("es weht ein guter Wind vom Innenfeld") ist inzwischen von Motten oder ähnlichem zerfressen, und wo früher eine Firma "root beer" herstellte, ist nun das "Ambassador Hotel".
Am meisten Spaß machen die Szenen mit den durchaus inszenierten Statisten. Ein Mann spielt mit seinem Hund, zwei Frauen rauchen oder trinken Cola, eine durch den Kontext als Prostituierte erscheinende Frau taucht im zweiten Film in einer Art Trauergewand auf.
One Way Boogie Woogie / 27 Years later lädt ein zum Verweilen, zum "die Gedanken fliegen lassen", zum Assoziieren. Wo ein Hauptstreben der Filmwirtschaft heutzutage ist, den Zuschauer vom Denken abzuhalten (durch schnelle Schnitte, aufeinanderfolgende Actionpassagen, fette Musikspur), da wird Benning sicher einige jüngere Zuschauer überfordern oder langweilen (jeder Mensch sollte in seinem Leben zwei oder drei Stummfilme im Kino gesehen haben - und zwar nicht Open Air mit Rockband), aber wer sich auf das Spiel einlässt, wird in einen Dialog mit den Film verwickelt und lässt sich nicht nur berauschen (wobei oft das meiste ohne Gegenwehr zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus geht). Was ich persönlich mir wünsche, wäre eine Installation, in der beide Film(teil)e gleichzeitig laufen - aber auf unterschiedlichen Seiten, so dass man nie beide Leinwände gleichzeitig sehen kann. Und dann als Dauerschleife, da könnte ich sicher drei oder vier Stunden mit diesem Film aushalten ...