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Bildmaterial: Central FilmVerleih
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Whisky mit Wodka
(R: Andreas Dresen)
Deutschland 2009, Buch: Wolfgang Kohlhaase, Kamera: Andreas Höfer, Schnitt: Jörg Hauschild, Production Design: Susanne Hopf, Tango-Training: Emöke Pöstenyi, mit Henry Hübchen (Otto Kullberg), Markus Hering (Arno Runge), Corinna Harfouch (Bettina Moll), Sylvester Groth (Martin Telleck), Valery Tscheplanowa (Heike Marten), Peter Kurth (Produktionsleiter Herbert), Karina Plachetka (Melanie), Matthias Walter (Alex), Kai Börner (Tillmann Korn), Thomas Putensen (Holger), Peter Pauli (Henry), Frank Auerbach (Bühnenmann), Tilo Prückner (Wirt Landgasthof), Falk Willy Wild (Moderator), Fritz Marquardt (Vater von Otto), Thomas Neumann (Arzt Krankenhaus), Mike Zaka Sommerfeld (Fotograf), 104 Min., Kinostart: 3. September 2009
Wenn der Filmschauspieler Otto Kullberg (Henry Hübchen) im Make-Up-Trailer seinen Friseur bittet, ihm doch ein Haarwasser zu verabreichen, “das nicht nach Schnaps riecht”, ahnt man als Zuschauer schon das Problem des Darstellers, und wenn er kurz darauf mehrfach eine eigentlich simple Szene vermurkst, bis er lallend am Boden sitzt, ist alles klar. Für den Regisseur (Sylvester Groth) und Produktionsleiter eine Katastrophe, doch dann kommt man auf die geniale (und laut Frank Beyer bei einer DEFA-Produktion bewährte) Idee, einen zweiten Darsteller zu engagieren, den bisher nur theatererfahrenen Arno Runge (Markus Hering), wodurch die Dreharbeiten eine ungeahnte Dynamik entwickeln. Kullberg spielt sich (verdientermaßen) wie ein Star auf, reißt sich aber durch die Bedrohung zusammen, Runge ahnt seine große Chance, tut aber ganz uninteressiert, Filmpartnerin Bettina (Corinna Harfouch) hatte mal was mit Kullberg, ist jetzt mit dem Regisseur zusammen und wird auch noch von Runge angebaggert, und auch weitere Darsteller, der Kameramann usw. sorgen für einige Verwicklungen.
Das wäre ein Stoff für eine gelungene Boulevard-Komödie mit Harald Juhnke gewesen, doch Regisseur Dresen und sein sich fast selbst übertreffender Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase machen soviel mehr daraus. Die Dreharbeiten entwickeln sich aufgrund der unterschiedlichen (und unterschiedlich alten) Darsteller zu einem subtilen Kuleschow-Experiment, die “Film-im-Film”-Welt der 30er Jahre spiegelt die Probleme, wirkt auch durch den Musik-Einsatz wie von Woody Allen, doch wenn man die gedrehten Szenen sind, fragt man sich, warum dies eine Komödie sein soll. Und auch in der Haupthandlung verlässt man die Komödie zwischendurch, um beispielsweise das Altern oder den Alkoholismus zu thematisieren. Doch der Film behält selbst bei unschönen Themen und liederlichen Verhaltensweisen eine Leichtigkeit, die ganz großes Kino definiert.
Allein schon die Dialoge zeugen von der Lebens- und Arbeitserfahrung des DEFA-Legende Wolfgang Kohlhaase, der auch heutzutage noch eine Größe für sich ist. Corinna Harfouch probiert sich politisch korrekt (“Sie sind ja aus dem Osten, wie man damals sagte.”), Regisseur Telleck (eindeutig kein Alter Ego von Andreas Dresen) nörgelt (“Das finde ich unnötig amerikanisch.”) oder zelebriert seine Verzweiflung (“Ich bin kein Eimer, in den jeder scheißt.”), und allgemein geht es um die großen Phänomene: Die Liebe, den Tod und das Wetter. Und Rainer Maria Rilke.
Allein über so ein unwichtiges Detail wie das An- oder Ausziehen von Schuhen oder Socken in diesem Film könnte man eine Seminararbeit schreiben. Und selbst die wäre noch unterhaltsam. Der bislang beste deutsche Film dieses Jahres!