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Bildmaterial © 2009 Concorde Filmverleih GmbH
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Die Schachspielerin
(R: Caroline Bottaro)
Originaltitel: Joueuse, Frankreich 2009, Buch: Caroline Bottaro, Caroline Maly, Lit. Vorlage: Bertina Henrichs, Kamera: Jean-Claude Larrieu, Schnitt: Tina Baz Le Gal, Musik: Nicola Piovani, mit Sandrine Bonnaire (Hélène), Kevin Kline (Dr. Kröger), Francis Renaud (Ange), Alexandra Gentil (Lisa), Valérie Lagrange (Maria, die Hoteldirektorin), Jennifer Beals (Amerikanerin), Alice Pol (Natalia), Elisabeth Vitali (Marie-Jeanne), Dominic Gould (Amerikaner), Daniel Martin (Schachklubpräsident), 97 Min., Kinostart: 7. Januar 2010
Hélène (Sandrine Bonnaire) folgte ihrer Liebe, einem einfachen Arbeiter, in ein korsisches Küstenstädtchen, inzwischen ist die gemeinsame Tochter 15, und Ehe wie Alltag vollziehen sich wie eine Routine. Hélène arbeitet als Zimmermädchen in einem Hotel, und auch bei vereinzelten Privatpersonen als Putzfrau. Nachdem sie Zeuge eines überraschend erotisch wirkenden Schachspiels zwischen zwei amerikanischen Touristen wird, interessiert sie sich für dieses Spiel, doch als sie ihrem Mann zum Geburtstag einen Schachcomputer schenkt, zeigt der ebensowenig Wirkung wie ihr neues seidenes Nachthemd. Erst über den kauzigen Witwer Dr. Kröger (Kevin Kline, der viel besser Französisch spricht, als man nach French Kiss annahm) lernt Hél`ne langsam die Grundzüge des Spiels, wie man sie keinem Regelbuch entnehmen kann, und während ihre Ehe und ihr Ruf immer mehr Schaden nehmen, will sie schließlich sogar an einem Schachturnier teilnehmen.
Zum einen ist Die Schachspielerin ein Sportfilm, und zwar ein sehr ambitionierter, denn natürlich findet ein halbwegs niveauvolles Schachspiel auf einem Level statt, dass die Filmemacher zwingt, die Vorgänge anderweitig umzusetzen und nebenbei visuelle Übertragungen für das filmisch nicht eben überbordende Spiel zu finden. Irgendwann wird auch mal jemand einen Sportfilm übers Synchronschwimmen oder Minigolf drehen, doch Schach als Thema ist schon was für cineastische Könige.
Nebenbei hat das Schachspiel hier aber noch die erotische Komponente, die ganze Nacht übt Hélène auf dem Schachcomputer, statt neben ihrem Gatten zu liegen, und bis man sich zutuschelt, dass sie bei Dr. Kröger mehr als nur putzt, dauert es nicht lange. Schließlich verfolgt sie ihr eifersüchtiger Mann bis ans Haus des reichen Witwers, und was er dort zu sehen bekommt, ist für ihn vielleicht noch verletzender als ein bloßer Seitensprung.
Auf subtile Weise wird die Sex-Analogie immer weiter geführt. Für’s Schachspiel putzt Hélène umsonst, sie spielt das Spiel zunächst mit Brotkrumen auf der Tischdecke, dann mit Parfümflaschen auf Fliesen, und als sie einmal bei Dr. Kröger auftaucht, sagt dieser: “Wir haben eine Stunde. Wollen Sie sie stehend verbringen?”
So wie über die Visualisierung des Schachspiels (Animation eines Buches, Tänze über schwarz-weiße Terrasse auch eine Grenzüberschreitung vorbereitet wird (“Die Dame ist die stärkste Figur”), so öffnet sich auch für Hélène eine neue Welt, und die Frage ist, ob sie ihre Familie dafür verlassen muss. Dr. Kröger zitiert William Blake und gibt ihr Martin Eden mit (auch über eine Lebensveränderung, einen Neuanfang). Und ausgerechnet über dieses Buch wird sie später (trotz verschiedener Lesarten) zu ihrer Tochter zurückfinden, die unter dem Minderwertigkeitskomplex der Mutter mitleidet, denn nicht nur Hélène will mehr sein als eine Hausfrau, Mutter und Putze.
Und beim Schachturnier am Ende muss sie sich gegen alle Vorurteile beweisen, die Putzfrau (dummerweise hat Dr. Kröger sie so dem überheblichen Schachklubpräsidenten vorgestellt, er ist halt auch nur ein Mann) an einem Ort der Bildung, inmitten lauter Oberklasseakademiker in einer Bibliothek. (Man beachte auch, wie die Kamera oft auf sie herabschaut.) Und Dr. Kröger sitzt zuhause und seltsamerweise ist das Ganze wie ein telepathisches Coaching inszeniert.
Regisseurin und Autorin Caroline Bottaro hat bei der Umsetzung des Bestsellers ihrer Nachbarin viel riskiert, nicht alles überzeugt, aber der Film entwickelt eine Spannung, die man bei dem Thema nicht erwartet hätte. Es bleibt aber dennoch ein Sportfilm mit einer Putzfrau als Underdog, mit allen Fallstricken, die solch eine Genrevorgabe und Sujet mit sich bringen.